Kapitel 2

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„Dawn, ist alles in Ordnung?" hörte ich eine Stimme an meinem Ohr, die eindeutig von Alecia zu kommen schien. Als ich die Augen aufmachte, sah ich über mir die dunkelbraune Holzdecke des kleinen Krankenhauses, dass wir eingerichtet hatten. Erst danach nahm ich wahr, dass ich in einem Bett lag, eben so wie Alecia in einem Bett neben mir. „Jaja, mir geht's schon gut..." murmelte ich nur und meine Stimme klang anders als sonst, heiser und irgendwie kratzig. „Wir haben dich nur vor dem Tor aufgesammelt und hier her gebracht, was ist dir denn passiert?" fragte sie. Erst dann konnte ich mich aufsetzen – mir ging es wirklich gut, ich hatte keine Wunden, aber bei Alecia sah es schon anders aus. Ihr Arm war umwickelt mit Leinentüchern und auch um ihren Brustkorb wickelte sich ein weißes Tuch, dass vom Blut schon tiefrote Flecken bekommen hatte. „Ich bin weggelaufen und habe euch irgendwann nicht mehr gesehen. Ein Schatten hatte mich verfolgt..." überlegte ich, während sich meine Erinnerung langsam wieder zusammen setzte. „Aber er hat mich nicht verletzt, er hat sich kurz vor mir verbeugt und ist dann weggelaufen..." sagte ich und sah in Richtung Alecia, die noch auf dem Rücken lag, da sie sich kaum bewegen konnte. „Das kann nicht sein!" sagte sie. „Schatten greifen jeden Menschen an den sie sehen und bringen ihn um, das ist ihr einziges Verhalten, dass wir je bei ihnen festgestellt haben." Alecia musste husten, drehte dann aber den Kopf zu mir. Auf ihrer Stirn bildete sich eine Falte, die sie nur hatte, wenn sie wirklich nachdachte. „Aber es war so – sieh her, ich habe keine einzige Verletzung!" sagte ich und stand aus dem weich gepolsterten Bett auf. Ich war wirklich unversehrt, was mich selbst wunderte. „Hm.." murmelte Alecia nur. „Das kann wirklich nicht sein, da hat Alecia Recht!" hörte ich nun eine männliche und tiefe Stimme aus einem Bett am Ende des Raumes. Wir waren offensichtlich nicht alleine im Krankenhaus gewesen. Björn drehte sich in seinem Bett um und entblößte seine stark blutende Kopfwunde. Ihn musste ein Speer oder etwas ähnliches getroffen haben. Ich lief zu ihm und drehte mich einmal, wobei mein Pelzmantel etwas herumflatterte. „Ich habe keinen einzigen Kratzer, nicht mal meine Kleidung ist beschädigt!" sagte ich zu ihm. „Aber das müsste ja heißen, dass du kein Mensch bist..." sagte Björn und grinste mich frech an. Das konnte er offensichtlich noch sehr gut, trotz seiner Wunde. „Haha!" kam es nun ironisch aus Alecias Richtung. „Wo sind eigentlich die anderen?" fragte ich und schluckte, da ich die Antwort eigentlich schon kannte. Björn setzte sich nun auch in seinem Bett auf. „Ich habe mich so gut geschlagen wie immer, aber die haben es nicht geschafft – die meisten sind noch in unserem Nachtlager den Schatten zum Opfer gefallen und die die übrig geblieben sind, wurden dann auf dem Felsenfeld getötet. Es wimmelt im Moment dort nur so von Schatten, man kann sie von der Wand aus sehen." sagte er und während er sprach wurde er immer leiser. Ich nickte nur, das hatte ich erwartet wenn nur wir drei hier im Krankenhaus lagen.

Ich wollte gerade rausgehen um meinen Vater zu sehen und ihm von dem merkwürdigen Ereignis zu erzählen, da rief mich Björn noch mal zu sich. „Dawn, warte mal!" sagte er und ich drehte mich schlagartig um, sodass mir meine hellblonden, fast weiß wirkenden Haare um die Ohren flogen. „Es gibt einen Menschen den die Schatten verschont haben, habe ich mal gehört. Aber ich weiß auch nicht viel darüber, frag mal den Schamanen, wenn er mal wieder vorbeikommt. Er weiß am meisten über alte Sagen und Legenden aus der Umgebung hier." sagte er zu mir und seine Stimme war nur noch ein Röcheln. Ich nickte wieder: „Danke dir, jetzt solltest du aber mal schlafen. Du siehst echt mitgenommen aus..." sagte ich noch zu ihm und winkte Alecia zu, die es mit einem zwinkern beantwortete. Dann rannte ich so schnell ich konnte aus dem Krankenhaus, in das Cavis gerade hineinging und mich verwundert ansah. Ich reagierte nicht auf ihre Rufe, dass ich doch zur Schonung noch etwas dort bleiben sollte und lief in das Haus meines Vaters. „Dawn, dem Schicksal sei Dank geht es dir gut!" sagte er und umarmte mich schnell. Ich lächelte als er das tat, denn ich sah ihn zwar oft als Oberhaupt des Dorfes, aber selten als Vater. Als ich ihm jedoch von der Begegnung erzählte wurde sein Gesicht starr. „Das musst du dir eingebildet haben." sagte er nur und ging einige Schritte zu einem Tisch, auf dem ein großer Lageplan ausgebreitet war. „Vielleicht hast du fantasiert oder so etwas, du standest schließlich unter großem Druck. Bestimmt hast du noch einen Schock, ich gebe dir ein paar Tage frei, in Ordnung? Dann kannst du vielleicht herausfinden ob du dir das nur eingebildet hast!" sagte er und richtete den Kopf auf den Plan. Er begann mit einem Stift darauf herumzumalen und damit war das Gespräch beendet. Ich schluckte meine Enttäuschung hinunter und ging aus der Tür hinaus ins Freie. Die Luft war kühl und eisig, aber es machte mir im Moment nichts aus. Hinter einigen dicken, grauen Wolken brachen nun die Sonnenstrahlen heraus und tanzten auf den verschneiten Häuserdächern herum.

Dawn - Königin der SchattenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt