Kapitel 15

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Ich sah es an seinen dunkelroten Augen, die eindeutig nichts Gutes beherbergen konnten. Er wusste wer er war, er wusste welche Macht er hatte und er wusste welche Feinde er hatte. Windmassen setzten sich in Bewegung als der Drache aufstand und seine Flügel entfaltete. Nun radierte er auch den letzten Turm der Rubinstadt aus und lies den Schutt auf seine Bewohner nieder rieseln. Ein Ohrenbetäubender Schrei erfüllte die Luft, als der Drache sein riesiges Maul aufklappte. Das war kein König mehr, es war ein Monster! Raven war die erste, die ihre Sprache wieder fand. „Feuern!" rief sie mit aller Kraft die sie aufbringen konnte und nach einander flogen geballte Magiekugeln auf den Drachen los. Ich selbst konnte mich endlich wieder regen, auch wenn mich die hasserfüllten Augen des Drachen immer noch anstarrten, als er sich in die Luft erhob. Es flog immer mehr Magie auf ihn zu und traf ihn, die Kugeln platzten auf und es entluden sich gewaltige Blitze und Flüche, die ein Mensch niemals überlebt haben konnte. Aber dem Drachen machte dies nichts aus. Er lies noch einen Schrei ertönen, dann spuckte er Feuer. In diesem Moment dankte ich der ganzen Magie in dieser Welt, und den Leuten, die sie zu nutzen wussten. Es wurde zwar unendlich heiß auf dem Luftschiff und ich saß das Feuer um uns herum flackern, aber das Luftschiff brannte nicht und wir waren auch nicht verletzt. Das Feuer des Drachens konnte uns nicht aus der Ruhe bringen. Der Drache hatte erst einige Flügelschläge in der Luft getan, doch war schon auf unserer Höhe. Ich feuerte wie verrückt die Kanonen ab, belud sie immer wieder neu und zielte auf den Rumpf des Drachen. Seine schwarzen Schuppen zuckten, als ich ihn mit einer magischen Energieladung traf, doch er hielt sich weiter in der Luft und spuckte Feuer nach dem Luftschiff. Meine Haare klebten mir unter dem Helm am Kopf, es war stickig und mir blieb beinahe der Atem weg. Auch mal eine spannende Erfahrung, mitten in einem Feuer zu stehen. Doch sehen konnte ich nichts – um mich herum schwamm alles in einer rot-orangenen Suppe und erst wenn der Drache selbst Luft holen musste, verzogen sich die Flammen die aus seinem Maul kamen und wir konnten wieder beginnen auf ihn zu schießen. Immer wieder griff ich nach hinten um mir eine Magieladung aus den Wägen zu holen, die einige Mitglieder ebenfalls immer wieder neu befüllten. Als ich schließlich wieder von Feuer umgeben war und die Hand vor Augen nicht sah, stoppte der Hitzeschwall abrupt und der Drache flog eine elegante Kurve. Obwohl er das schrecklichste Wesen war, das ich jemals gesehen hatte, konnte ich verstehen, dass er mal ein König gewesen war. Seine Schuppen glänzten wie poliert und seine Bewegungen waren gleichmäßig und wirkten mächtig. Er flog einen halben Kreis und steuerte dann mit langen Flügelschlägen auf den Rand von Sylvain zu. Obwohl wir ihn die ganze Zeit mit der Magie beschossen, hatte sie keine Auswirkung auf ihn. Es sah wie eine Flucht aus, aber das war es nicht. Ich spürte es einfach, dieser König war nicht besiegt worden, er hatte weder gewonnen, noch verloren. Er hatte einen Plan. „Hinterher." sagte Raven immer wieder zum Wissenschaftler, der sein Luftschiff außerordentlich gut steuerte. „Wohin will er?" fragte Shaitan, dem man auch eine Kanone zugeteilt hatte und der ebenso verschwitzt aussah wie ich. „Er ist ein König, es ist klar wo er hin will." sagte der Magier von weiter hinten und schritt langsam zu uns heran, während das Luftschiff schnell wie nie durch die Luft segelte, immer den großen, breiten Flügeln des Drachen hinterher. Ich musste meine Angst vor den bevorstehenden Ereignissen herunterschlucken, bevor ich antworten konnte. „Zu seiner Armee." flüsterte ich leise und während ich im Augenwinkel wahrnahm, dass der Magier nickte, beobachtete ich weiter die Schwingen des Drachen, die auf die Eislanden zuflogen.

„Wir müssen näher ran, wenn wir den Drachen zu Fall bringen wollen!" sagte Raven und schritt über das Schiff, sah den Mitgliedern des Ordens dabei zu, wie sie die Wägen mit neuer Munition befüllten und weiter auf den Drachen schossen. An ihrem Schritt erkannte man, dass sie nervös war. Aber das war jeder hier auf dem Schiff, wir saßen wortwörtlich alle im selben Boot. „Warum funktioniert die Magie nicht?" fragte sie dann nach einigen weiteren Befehlen den Magier. Dieser schüttelte den Kopf. „Ich weiß es auch nicht, die Legenden können nicht lügen. Allerdings habe ich dieses Verfahren auch noch nie an Drachen testen können!" entgegnete er. Raven sah nachdenklich auf ihre Rüstungsstiefel. „Es tut mir leid Raven, es gibt nur ein einziges Buch mit einer Beschreibung dieser Magieform und das habe ich genauestens befolgt. Wenn es nicht funktioniert, dann können wir leider auch nichts tun." sagte er. „Nein, wir müssen es weiter versuchen. Eben hat Dawn einen dieser gelblichen Kugeln abgefeuert, die Ladung hat seine Muskeln immerhin zum zucken gebracht." sagte Shaitan nun, da er das Gespräch seiner Mutter mitangehört hatte. „Wir müssen es weiter versuchen!" sagte er. „Es bleibt uns ja auch gar nichts anderes übrig..." murmelte Raven leise, doch dann warf sie sofort wieder Befehle um sich herum und ich konzentrierte mich weiter aufs Schießen. Der Drache war unglaublich schnell und es sah aus, als bestünden seine Flügel aus purer Nacht. Mystisch und wunderschön – und dabei so tödlich, dachte ich als ich den nächsten Magieschub in Richtung des Drachen lenkte. Der Drache flog und brauchte so wenige Flügelschläge um sich in der Luft zu halten. Doch er war ebenso schlau wie stark. Geschickt wich er immer wieder einigen unserer Kugeln aus und die die ihn trafen, richteten kaum Schaden an. Ich begann, immer wieder auf einen Fleck zu feuern, während der Drache circa eine Länge des Luftschiffs vor uns schwebte. In seinem Windschatten zu fliegen war leicht gewesen und so hatten wir schnell aufgeholt. Der Drache jedoch verfolgte sein Ziel genauestens und kümmerte sich gar nicht darum, dass wir ihn permanent mit Magie bewarfen. Er flog gerade in eine Richtung und wir sollten bald sehen, was er vor hatte. Denn wir hatten nicht gar nicht darauf geachtet, welchen Weg genau er einschlug, bis wir an der Meerenge ankamen. Der Drache flog so steil nach unten, dass wir schon dachten er würde abstürzen, doch er flog so stark und schräg gegen den Boden, dass dieser sich auftürmte und ins Meer rutschte. So eine Kraft hatte selbst ich dem Drachen nicht zugetraut, doch das Wasser wich den Landmassen und es formte sich ein hässlicher, aber leider produktiver Weg zu den Eislanden. Dieser Moment, als die aufgetürmte Erde die Eisschicht erreichte, die die Eislanden umgab wenn es besonders kalt war, besiegelte das Schicksal hunderter Menschen. Denn es dauerte keine paar Sekunden, bis der Drache einen weiteren Schrei von sich gab und wie hypnotisiert sahen tausende von Gesichtern in seine Richtung. Wenn es wirkliche Gesichter wären und nicht nur Gestalten aus Rauch. Ich hatte Schatten noch nie so einen Laut von sich geben gehört, aber wie ein Mutterbär seine Kinder zu sich ruft und diese antworten, ahmten diese Schatten den Drachenschrei nach und ich verlor die einzelnen Gestalten aus dem Auge. Von hier oben erkannte ich das ganze Dorf und auch die umliegenden Ebenen. Selbst wenn das Dorf sich in Sicherheit hoffte, von hier oben erkannte man, dass Sicherheit hier gar nicht möglich war. Wie angestochen liefen die Schatten auf das Dorf zu, bildeten Leitern aus sich selbst und rannten mit geballter Kraft das große Tor ein. Andere Schatten liefen so schnell wie sie konnten auf die Landbrücke zu, die der Drache ihnen geschaffen hatte. Er war ihr König, das war unverwechselbar. Es hätte nie dazu kommen dürfen, die Schatten hatten eine Möglichkeit bekommen nach Sylvain zu gelangen und das taten sie auch. Ich wollte lieber gar nicht hinsehen, wo sie sich alle verteilten und wie sie wahrscheinlich mordend über die kleinen Dörfer und Höfe herfielen. Es schien, als würde alles schief gehen. Der Drache erhob sich wieder vom Boden und machte seiner Armee den Weg frei, dann konzentrierte er sich wieder auf das Luftschiff und hüllte uns in einen riesigen Strahl aus Feuer. Selbst von unten war unser Schiff nicht anfällig für das Feuer, auch wenn es für den Wissenschaftler immer komplizierter wurde, das Schiff zu steuern. Ihm liefen ebenfalls die Schweißperlen von der Stirn, was wohl nicht nur von der Hitze kam.

Konnten wir diesen Kampf wirklich gewinnen? Diese Frage kreiste in meinem Kopf herum und wurde von einem Flüstern meiner inneren Stimme zu einem Rufen, spätestens als ein stämmiger, blonder Mann in Ordensrüstung mich aus den Gedanken riss. „Munition ist leer, wir haben keine einzige Kugel mehr übrig!" sagte er und die ganze angespannte Stimmung auf Deck verwandelte sich in Panik. Wir hatten verloren, der Drache würde ganz Sylvain zerstören und keine Macht der Welt konnte ihn auf dem Boden halten. Ich hatte keine Chance gegen ihn zu kämpfen, wenn er sich in der Luft befand. Ein Schritt aus dem Luftschiff und ich würde vom Drachenfeuer verbrannt werden. Eigentlich hatte ich ja nichts zu verlieren. Und die Entscheidungen, die man spontan trifft, sind meist die besten. „Flieg über den Drachen!" rief ich dem Wissenschaftler zu, der mit aller Kraft das Steuerrad zur Seite riss um zu wenden. Es dauerte nicht lange, dann schwebten wir genau über dem Drachen. Ich stemmte mich mit meinem ganzen Gewicht über die Reling des Schiffes. Die Rüstung war schwer und ich konnte kaum mein eigenes Gewicht kaum halten, doch dann schaffte ich es mich über den Rand zu hieven. Die verwunderten Blicke der anderen waren kaum auszuhalten, doch ich wusste was ich tat als ich durch die Luft flog. Doch kurz darauf landete ich tatsächlichen auf den kalten Schuppen des Drachen. Er war stark, ich fühlte die massigen Muskelberge unter mir die sich im Wind bewegten. Ich war auf dem Rücken des Drachen gelandet, neben mir erstreckten sich die beiden Flügel. Sofort krallte ich mich fest, denn der Drache hatte mich eindeutig bemerkt und legte sich sofort in eine enge Kurve, so dass ich fast herunterfiel. Ich krallte mich so gut es ging fest und griff nach einer Schuppe, die promt herausbrach. Es war die Schuppe, die auf die ich eben gezielt hatte. Sie war erst jetzt abgebrochen, als ich mich daran festhalten wollte. Die Magieeinwirkung musste die Schuppe gelockert haben. Schnell hielt ich mich an einer anderen großen Schuppe fest und achtete erst mal nur darauf, nicht herunter zu fallen. Der Drache stieß einen weiteren Schrei aus, diesmal war er lauter als davor und fast unaushaltbar. Ich wollte mir am liebsten die Ohren zu halten, doch ich wagte es erst die Hände von der Schuppe zu lösen, als der Drache seinen Höllenflug um mich abzuschütteln beendet hatte und wieder relativ gradlinig flog. Ich wagte einen Blick nach unten, die nachtschwarzen Massen fielen über die Menschen her wie eine Würgeschlange über ein Beutetier. Etwas weiter hinten lag das Schiff in der Luft, ich hatte gar nicht bemerkt wie weit wir geflogen waren, aber der Drache hatte eindeutig versucht mich abzuschütteln. Hier oben konnte er mich schließlich nicht verbrennen, das war mein einziger Vorteil. Und die Schuppe.

„Du schaffst das, Dawn!" hörte ich eine Stimme, die leise, flüsternd durch den Wind getragen wurde. Es war eindeutig Shaitan, dessen Stimme mich lächeln lies - und handeln! Ich zog blitzschnell mein Schwert vom Rücken und rammte es mit aller Kraft an die Stelle, an der die Schuppe abgebrochen war. Darunter kam schwarze, lederartige Haut zum Vorschein aus der nun dunkelrotes Blut austrat. Das Schwert wirkte im Verhältnis zum Drachen wie ein Zahnstocher, doch das Schwert war schließlich kein normales Schwert. Es begann zu leuchten und als ich es fester in das Fleisch des Drachen drückte, wurde es fast gleißend hell. So ein Licht hatte ich noch nie gesehen. Das Blut trat immer weiter aus der Wunde raus und mit letzter Kraft zog ich das Schwert wieder heraus. Es lag nicht nur an der Kraftlosigkeit, die mich überkam, sondern auch daran, dass das Drachenblut nicht gerade dazu beitrug, dass ich mich gut festhalten konnte. Dementsprechend war das letzte was ich bemerkte ein Schrei, der alles übertraf was der Drache jemals von sich gegeben hatte und der Blick aus seinen eingesunkenen Augen, die langsam begannen glasig zu werden. Dann wurde mir selbst schwarz vor Augen, und das nicht nur weil der ebenfalls fallende Drache die Sonne über mir verdunkelte.

Dawn - Königin der SchattenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt