Kapitel 1

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3 Jahre später


Ava hockte auf dem Dach eines Hochhauses und beobachtete das Treiben der Stadt unter ihr. Die Menschen liefen hektisch die Straße entlang. Es war ein Samstag und sie machten ihre letzte Einkäufe, bevor die Läden endgültig schlossen. Trotz der Hektik unter ihr, blieb Ava die Ruhe selbst. Sie hatte gelernt, dass sie sich nicht von der Hektik anstecken lassen durfte. Der Vollmond schien auf sie herab und tauchte sie in ein geheimnisvolles Licht, doch keiner der Menschen schaute nach oben. Ava wusste, dass sie einfach anderes im Kopf hatten, als die Gefahr, in der sie ständig ungeahnt lebten.

Der Wind zerzauste ihr langes weißblondes Haar, das sie mit der Hand wieder nach hinten schob. Sebastian hatte schon oft von ihrem Haar geschwärmt. Sie würde wie eine Geisterbraut aussehen, so richtig Gothicmäßig. Ihre Augenfarbe half ihr da auch nicht unbedingt weiter. Sie waren von sehr dunklen braun und wurden schwarz, wenn sie wütend wurde. Die meisten wussten, dass sie sich dann am Besten in Sicherheit brachten, wenn sich ihre Augenfarbe in schwarz änderte. Aber auch so standen sie im krassen Gegensatz zu ihrer Haarfarbe. Ava hatte das Gefühl, dass ihre Haare heller geworden waren, seit sie von Sebastian gewandelt worden war.

Sie schaute noch einmal zum Vollmond und wartete.

Heute werden die Aufträge erteilt. Luna ist nahe!

Doch nichts geschah.

Eigentlich sollte Luna schon längst erschienen sein und ihr sagen, was dringend anlag. Irgendeine Dämonenfamilie zerstören oder ein Werwolf Rudel ausschalten. Das wäre jetzt genau das, was Ava brauchte, um ihre Langweile zu vertreiben. Ava langweilte sich schnell und das bekam den meisten nicht.

Aber Luna kam nicht.

Seufzend setzte sich Ava in den Schneidersitz und holte ihr Katana hervor und schwang es ein paar Mal hin und her. Sie hatte es von Sebastian geschenkt bekommen, als sie endlich akzeptiert hatte, was sie jetzt war. Es hatte eine Weile gedauert und sie war sehr böse mit Sebastian gewesen, dass er ihr keine Wahl gelassen hatte, obwohl er das doch sonst immer tat, doch er hatte eine Engelsgeduld mit ihr gehabt.

Er war bei ihr geblieben, als sie gewandelt wurde. Hatte ihr Fluchen ausgehalten, als die Schmerzen ihr bald die Sinne raubten. Er hatte sie festgehalten, als sie vor Schmerzen um sich schlug. Und kein einziges Mal hatte er ihr einen Vorwurf gemacht. Auch nicht, als sie sich geweigert hatte, ihn bei der Jagd zu begleiten. Sie war lieber in der Villa geblieben und hatte vor sich hin geschmollt.

Irgendwann war sie ihm nachts heimlich gefolgt und hatte gesehen, was er tat. Wie gesagt, sie konnte mit Langweile nicht gut umgehen und es wurde langweilig in der Villa. Besonders Abends, wenn die anderen zur "Jagd" gingen. Sebastian hatte wohl bemerkt, dass sie ihm folgte, hatte sie aber nicht angesprochen, sondern sie einfach zusehen lassen. Sie konnte es sich nicht erklären, aber als er seine Messer in den Körper eines Werwolfes trieb...das hatte etwas Erregendes für sie gehabt. Ab diesen Zeitpunkt hatte sie akzeptiert ein Mondjäger zu sein und hatte Sebastian die nächste Nacht begleitet.

Dann hatte sie ihren ersten Vampir getötet! Es war besser für sie gewesen, als Sex!

Aber ihre unstillbare Mordlust war nicht die einzigste Veränderung gewesen, die ihr Körper durchgemacht hatte. Sebastian hatte ihr in aller Ruhe erklärt, was noch mit ihr geschehen würde.

Er hatte Recht gehabt. Sie war nun kein Mensch mehr, auch wenn sie sich teilweise noch wie einer fühlte. Wenn jetzt aber jemand denken würde, sie wäre ein Vampir, so lag er komplett falsch. Das war sie nicht, auch wenn es viele Parallelen zu einem Vampir gab. Sie durfte auch nicht in die Sonne, war unheimlich schnell und stark, aber sie ernährte sich nicht von Blut. Das war der gewaltigste Unterschied zu einem Vampir. Sie ernährte sich nämlich überhaupt nicht mehr. Naja, ab und zu einen guten Scotch war schon drin, aber ansonsten hielt sie es ohne Essen aus. Was schade war, denn sie vermisste ihre Marzipanschokolade! Die hatte sie im Leben geliebt! Einmal hatte sie nur einen Riegel probiert und die ganze Nacht gekotzt. Sebastian hatte neben ihr gestanden und gegrinst. Er meinte nur, dass es jeder einmal probieren und genau dasselbe erleben würde.

Tochter der MondgöttinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt