DER PANDASOHN

475 20 0
                                        

Unterdessen war Bella in den Keller gerannt und hatte hektisch Romans Handschellen aufgeschlossen. Den Schlüssel hatte sie heimlich Mel und Li geklaut, als sie dabei gewesen waren, Jessys Taschen vor die Tür zu tragen.
„Danke. Hab keinen Hunger", brummte Roman.
„Brauchst du auch nicht haben. Ich hol dich hier raus!", sagte Bella.
„Wie bin ich noch mal hier gelandet? Ach ja, ich habe dir vertraut", ätzte Roman.
Bella sah ihm getroffen in die Augen.
Roman, wir haben keine Zeit. Sie werden gleich da sein."
„Wo willst du mich jetzt hinbringen? Vielleicht auf den Boden eines Sees?"
Roman schnaubte.
„Ich bin deine letzte Hoffnung!", beschwor ihn Bella.
„Habe meine Hoffnung schon längst aufgegeben."
Roman blickte Bella mit finsterer Miene an.
„Los, dein Bruder wartet auf dich. Mal abgesehen von eurer Community!"
Bella wollte Romans Hand nehmen, doch er wehrte ab.
„Jessy hat gewonnen. DieLochis sind Geschichte."
Bella sah ihn durchdringend an.
„Sie hat mich dazu gezwungen. Du weißt nicht, wie es mit Jessy ist. Mein ganzes Leben hat sie mich unterdrückt. Aber das hört jetzt auf."
Roman grinste schmal.
„Solange ich euch kenne, habt ihr gelogen. Warum sollte ich dir jetzt plötzlich glauben?"
„Weil nicht alles gelogen war", sagte Bella mit fester Stimme.
„Ich war wirklich dabei. Damals im Auto meiner Eltern. Nur ... wie durch ein Wunder wurde ich nicht verletzt."
Roman sag Bella prüfend an. Sie litt ehrlich, das konnte er sehen. Bella schluckte eine Träne hinunter und sprach leise weiter.
Seitden macht Jessy mit mir, was sie will. Und ich lasse es über mich ergehen. Weil sie die einzige Familie ist, die mir bleibt."
Roman und Bella sahen sich an. Roman dachte nach. Doch bevor er Bella antworten konnte, kamen Mel und Li zurück.
„Wer hat dich reingelassen?", fragte Li.
Bella zeigte zur Tür.
„Die stand offen."
Mel wandte sich wütend an Li.
Ey, du musst abschließen! Hab ich dir gesagt!"
Li verzog bockig ihren Mund.
„Hast du nicht."
„Also wenn ich den Schlüssel kriegen könnte, dann würde ich das für euch übernehmen, kein Stress", schlug Bella freundlich vor.
Mel und Li überlegten einen Moment.
Ey, wir sind doch nicht doof!", riefen sie dann und kicherten blöd.
Bella nickte grinsend und steckte Roman heimlich etwas zu.
Roman schaute es verwundert an: Eine Maske? Schnell versteckte er sie.
Vertrau mir, bitte!", flehte Bella ihn an.
„Was hast du da gemacht?", fragte Li.
Bella drehte sich ertappt um.
„Nur die Handschellen ab, damit er essen kann. Ist mit Jessy abgesprochen, oder wollt ihr ihn füttern?"
Li verzog das Gesicht.
Voll eklig!"
Doch Mel runzelte zweifelnd die Stirn.
„Jessy hat uns nichts gesagt."
Bella rollte mit den Augen.
„Sie hat gerade auch echt Wichtigeres on her mind!"
Mel und Li wackelten unentschlossen mit ihren Köpfen.
Also, wenn ihr wollt: Ruft sie an, bitte", sagte Bella herausfordernd.
Mel zückte ihr Smartphone, doch Bella redete weiter: Holt sie ruhig aus der Konzentration so kurz vor ihrem großen Auftritt. Da wird sie sich sicher wahnsinnig drüber freuen."
Mel und Li sahen sich an und schüttelten den Kopf.
Nee, nee", meinte Mel.
„Passt schon", ergänzte Li. Dann setzten sie sich auf ihre Stühle und beschäftigten sich weiter mit ihren Handys.
Bella drehte sich zu Roman und zwinkerte ihm zu. Dann ging sie aus dem Keller und wartete einen Moment vor der Tür.
AAAHHHH!", hörte sie Mel und Li kreischen. Bella grinste und klopfte an die Tür.
„Was ist?", rief sie.
„DA! DA! DA!", stammelte Mel und Li. Sie konnten gar nicht mehr aufhören zu schreien.
„WAS?", schrie Bella.
Mel und Li schlossen ihr die Tür auf und zeigten auf den Käfig.
Darin stand niemand anders als Cro himself. Oder zumindest jemand mit einer Pandamaske. Er winkte Mel und Li lässig zu.
„Sagt mal, spinnt ihr?", erwiderte sich Bella und lief auf den Käfig zu.
„Alter, wenn Jessy rauskriegt, dass ihr die ganze Zeit Cro im Käfig hattet und ihn für ihren großen Auftritt nicht rausgelassen habt. Alter!!!"
Mel und Li sahen sich entsetzt an.
„Na, los!", forderte Bella sie auf.
„Macht den Käfig auf."
Mel und Li gehorchten und schlossen mit zittrigen Fingern den Käfig auf. Bella ging hinein und nahm Roman alias Cro an die Hand.
„Komm, Cro. Das ist uns echt wahnsinnig peinlich."
HATSCHIIII", nieste Roman los wie das Kline Pandababy in DRM YouTube-Video.
OOOOHHHH!", kreischen Mel und Li entzückt.
Bella führte Roman in ihnen vorbei.
„Moment!", rief Mel streng.
Bella und Roman sahen sich ertappt an. Bella schluckte.
„Nicht so schnell!", sagte Mel.
„Ihr wolltet doch nicht gehen, ohne ..."
Mel machte eine dramatische Pause und nickte Li bedeutungsvoll zu. Dann schnappten sich Mel und Li den vermeindlichen Cro und sagten: Selfie-Time! Whoop! Whoop!"
Die beiden klickten mit Roman alias Cro ein peinliches Selfie nach dem anderen.
Bella nutzte die Gelegenheit, unbemerkt den Käfigschlüssel an sich zu nehmen, der noch im Schloss steckte. Dann unterbrach sie beherzt das Selfie-Shooting.
„Komm, das reicht."
Sie führte Roman aus dem Käfig und warf dem beiden einen strengen Blick zu.
„Ich will mal so tun, als ob ich nichts gesehen hätte."
Damit knallte sie die Käfigtür zu, spatzierte mit Roman aus dem Keller und verschloss die Tür.
Mel und Li sahen den beiden sprachlos hinterher, doch es gab Wichtigeres, als hier rauszukommen, oder sich zu fragen, wieso sie jetzt eingesperrt wurden: sie schauten auf ihre Smartphones ind verglichen ihre Cro-Selfies.
„Hochladen, hochladen, hochladen!", riefen sie begeistert.
„Also, MICH guckt der voll verknallt an!", behauptete Li.
Gar nicht", meinte Mel trotzig.
Wohl!", rief Li.
„Der ist mega in love!"
Mel und Li klicken sich noch eine Weile durch die Fotos, als ihnen langsam klar wurde, was gerade geschehen war. Ungläubig sahen sie sich um.
„Krass", murmelten sie.
Mel runzelte die Stirn.
„Aber wo ist ... der andere?"
Li verdrehte die Augen.
Ey, du bist so blöd!"
Mel sah sie fragend an und Li erklärte: „Na, ist doch klar! Denk mal kurz nach!"
Mel kratzte sich grübelnd am Kinn.
„Na, der Typ", half Li ihr auf die Sprünge.
„Der war Cro. Die ganze Zeit!"
Mels Gesicht erhellte sich.
Deswegen war der die ganze Zeit so eifersüchtig!"
Li nickte.
„Genau!"
„Krass", stellte Mel fest.
Krass", fand auch Li.
Die beiden nickten und sahen sich dann erschrocken an: „Jessy bringt uns um!"
„Es sei denn ...", überlegte Li.
„Es sei denn was?", fragte Mel hoffnungsvoll.
„Es sei denn, wir überzeugen Jessy, das es nicht unsere Schuld war", sagte Li.
Li deutete zu einem Sack mit Kabelbindern. Mel verstand.
Whoop!"
Li grinste.
Whoop! Whoop!"
Dann zog sie eine Spange aus ihren dunklen Haar und stocherte damit erfolglos im Schloss der Kellertür herum.

BRUDER VOR LUDERWo Geschichten leben. Entdecke jetzt