Kapitel 19

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Ludmilas Sicht

<<Wieso hast du das getan? Ich denke nicht, das es deine Aufgabe als Lehrer ist, deine Schüler zu bestrafen, anstatt ihnen etwas beizubringen!>> rief ich meinem Bruder wütend zu, als der Unterricht zu Ende war und alle den Tanzraum schon verlassen hatten. <<Ich habe wirklich keine Ahnung, wovon du sprichst!>> Er fuhr sich in einer raschen Bewegung durch das schweißnasse Haar, das ihm in Strähnen an der Stirn geklebt hatte. <<Doch, das hast du! Ich rede von Federico. Was hat du den gegen ihn?>> Ich bemerkte, wie er sich seufzend von mir abwandte und sein Gesicht schmervoll verzog. Damit er mir nicht ausweichen konnte, lief ich um ihn herum und stemmte die Hände in die Hüften. <<Kannst du vielleicht mal mit mir reden?>> fragte ich beleidigt, während er mich nun gezwungenermaßen ansehen musste. <<Ich will einfach, das du nicht leiden musst.>> sagte er etwas verbittert und legte mir eine Hand auf die Schulter. Doch ich schüttelte sie ab und zog verwirrt die Augenbrauen zusammen. <<Was hat das bitteschön damit zu tun, das du Federico quälst?>> In seinem Blick trat ein sorgevoller Ausdruck. <<Seid du ihn kennst, hast du dich veränderst. Früher hatten wir beide so eine enge Verbindung und standen uns nah, aber jetzt schreien wir uns nur noch an. Ich denke, das du dich für Federico verändern willst, weil du ihn mehr magst, als du dir vielleicht im Moment eingestehen willst. Und ich will nicht, das du enttäuscht wist, wenn er nicht die gleichen Gefühle für dich haben sollte. Jungen in diesem Alter haben nur das eine im Kopf und sind nicht die netten Romantiker, für die man sie am Anfang hält.>> Er sah mich eindringlich an. Ich spürte regelrecht, wie meine Wangen sich rot färbten. <<Ich denke nicht, das ich mit dir über so etwas sprechen will. Uns außerdem: Warst du nicht genauso alt, als du dich in Francesca verliebt hast und ihr seid immer noch glücklich zusammen?>> Anscheinend hatte er darauf keine Antwort, da er schwieg. Kopfschüttelt verließ ich den Raum und rannte geradewegs in Federico, der mich mit einem strahlenden Lächeln auffing. <<Nicht so stürmisch.>> sagte er und setzte mich sanft auf dem Boden ab. <<Ich wollte gerade zu deinem Bruder, um mich noch einmal für meine Verhalten im Tanzunterricht zu entschuldigen.>> sagte er und legte seine Hand auf meine. <<Ich denke nicht, dass das nötig ist. Mein Bruder bereut es sicherlich schon, das er dich so angeschrien hat.>> Er zog verwundert eine Augenbraue hoch, sagte aber nichts dazu. <<Seniorita Ferro!>> rief mein Bodyguard aufgebracht, als er neben mir schlitternd zum Stehen kam. <<Alles in Ordnung mir Ihnen? Ich habe von weiten gesehen, wie Sie gestolpert sind.>> Ich nickte ihm nur leicht zu und wandte mich dann wieder Fede zu. <<Wollen wir vielleicht in den Park gehen oder ins Resto?>> fragte ich lächelnd und er nickte zustimmend. <<Dann lass uns gehen.>> Es dauerte vielleicht ein paar Minuten, bis wir das Reto erreicht hatten und wir uns dort an einem kleinen Tisch, nahe dem Tresen gesetzt hatten. <<Wie geht es dir?>> fragte mich Federico leise, nachdem wir uns etwas zu trinken bestellt hatten. <<Ich weiß nicht. Mein Bruder nervt mich zur Zeit einfach tierisch.>> Verständnisvoll nahm er meine Hand in seine und lies so mein Herz schneller schlagen. <<Wieso sagst du deinem Bruder nicht einfach, das du mehr Privatsphäre brauchst?>> Ich konnte nicht anders und musste auf unsere Hände starren, die sich fest miteinander verschränkt hatten. Als ich bemerkte, das er mich beobachtete, antwortete ich ihm schnell und etwas peinlich berührt. <<So einfach ist das nicht, ich will ihn nicht verletzen. Er ist meine Familie, da kann ich ihn nicht einfach im Stich lassen.>> Er sah mir tief in die Augen. <<Ich verstehe dich und kann mir vorstellen, wie du dich fühlen musst.>> Langsam, als würde ich aus leicht zerbrechlichen Glas bestehen, wanderte seine Hand von meiner Hand zu meinem Unterarm und umklammerte sanft mein Handgelenk. Dann führte er es zu seiner Brust und legte meine Hand auf seine Herz. Ich spürte das ruhige Schlagen seine Herzens und musste an die warnenden Wörter meines Bruders denken: Jungen in diesem Alter haben nur das eine im Kopf und sind nicht die netten Romantiker, für die man sie am Anfang hält. Nein! Ich sollte aufhören, daran zu denken! Federico ist nicht so, wie Diego denkt und ich kann ihm vertrauen, das spüre ich. <<Ich überlege schon seit längerem, wie ich dir das sagen soll, aber...>> Er stoppte und seine Augen strahlten mich an. <<Ich  mag dich wirklich, Ludmila.>> Ich lächelte verlegen und wusste nicht so recht, was ich darauf antworten sollte. <<Ich...naja, ich mag dich auch sehr.>> sagte ich sah auf meine Hände. <<Nein, nicht so, wie du denkst. Ich will dir sagen, das ich dich liebe.>> Überrascht sah ich hoch und riss erschrocken die Augen auf. <<Echt? Ich...>> Er unterbrach mich. <<Nein, schon gut. Du musst dazu nichts sagen.>> Er ließ meine Hand los, die sicherlich schmerzvoll auf den Tisch gekracht wäre, hätte ich sie nicht schnell genug weggezogen. <<Ich denke schon, das ich etwas dazu sagen sollte, zum Beispiel, das ich dich auch liebe.>> Federico sah mich mit offen stehenden Mund an und blinzelte dann ungläubig. <<Hast du das gerade ernst gemeint?>> fragte er und ich sah, wie seine Lippen sich wieder schlossen und das mir altbekannte Lächeln nun wieder auf ihnen zu erkennen war. <<Ja.>> flüsterte ich nervös und wusste nicht wirklich, was ich jetzt tun sollte. Er griff erneut nach meinem Handgelenk und beugte sich ein Stück weit nach vorn, so das unsere Gesichter nur noch wenige Zentimeter von einander entfernt waren. Und dann küsste er mich. Ohne, das ich verstand, was ich da gerade tat, lehnte ich mich weiter in seine Richtung und konnte einfach nur noch den Augenblick genießen. Vielleicht war er unser erste Kuss, von der Sorte, die man als Andenken noch einmal später darstellt, damit man es als Erinnerungsstück in ein Fotobuch kleben kann. Es kann auch unser letzter Kuss sein. Ein Abschiedskuss, den man nie wieder vergisst und sich dann immer qualvoll daran erinnern muss, wenn man daran denkt und wünscht, es wäre damals nicht der letzte Kuss gewesen. Ich denke, noch weiß keiner von uns, wie es weiter gehen wird und ob es überhaupt weitergeht. Aber ich bin mir sicher, das wir die richtige Entscheidung treffen werden.












Fedemila-Wie die Sterne am HimmelWo Geschichten leben. Entdecke jetzt