Ein Tagebuch! Na klasse, das hat mir gerade noch gefehlt. " Liebe Violetta! Mein Tagebuch war damals mein wichtigster Begleiter durch meine Backfisch-Zeit", schreibt meine Tante und schickt mir ein leeres Buch.
Also wirklich - ein Tagebuch. Na, zumindest 'ne Spur besser als die jämmerlichen Schlafanzüge, die sie sonst schickt. Sie hat es geschafft, nahtlos vom Baby-Design, also kleine Bärchen und Kätzchen, zum Senioren-Muster Marke Streublümchen überzugehen, ohne jemals einen Schlafanzug zu schicken, der meinen Geschmack getroffen hätte.
Und meine Mutter ist stets entzückt und meint: " Also Violetta, das ist aber mal was Nettes. Ich wusste gar nicht, dass es so was heutzutage noch gibt." Das gibt einem doch zu denken, nicht wahr?
Und nun ein Tagebuch. Wer schreibt noch Tagebuch, wenns doch Computer gibt? In keiner Nachttischschublade findet man mehr ein Tagebuch. Überhaupt, genau genommen sind auch Nachttischschubladen out.
Jedenfalls durchstöbern neugierige Mütter die Zimmer ihrer Töchter nicht mehr nach Tagebüchern, sondern nach Disketten mit geheimen Aufzeichnungen. Und deshalb gibt es Passwörter. Denn immer mehr Eltern haben sich inzwischen schon ganz erstaunliche Computerkenntnisse angeeignet. Einige sind mit Fähigkeiten sogar bereits übers Einschalten hinausgewachsen und man hat gehört, dass sie, während wir ahnungslos in der Schule sind und fürs Leben lernen, zu Hause an unseren Computern sitzen und genau die Spiele spielen, die sie uns ständig verbieten. Egal.
Was soll ich mit einem Tagebuch? "Deinem Tagebuch kannst du Dinge anvertrauen, die niemand wissen darf", schreibt sie.
In meinem Leben gibt es keine Dinge, die niemand wissen darf. Mein Leben ist ein offenes Buch. Oder anders ausgedrückt : ein leeres Buch. Mein Leben ist stinklangweilig.
Ich hab die nervigste kleine Schwester der Welt, die chaotischste Mutter der Welt und die blödesten Klassenkameradinnen der Welt!
Und das kann jeder wissen, also wozu ein Tagebuch??
Das war übrigens nicht immer so. Also das mit der Schwester und der Mutter schon, aber mit der Schule nicht. Das war vor kurzem noch ganz anders.
Und nur wegen dieser blöden Ludmila ist heute nichts mehr wie es war. Sie hat uns nämlich in coole und uncoole Kids eingeteilt. Und wozu gehöre ich??! Zu den uncoolen!
Cool oder uncool war bisher kein großes Thema. Es gab Leute, die waren okay, andere hatten was an der Waffel, aber irgendwie kam ich mit allen aus. Und jetzt das.
Plötzlich bin ich uncool. Und sitze nachmittags alleine zu Hause rum. ich kanns nicht fassen. Bis diese Schlange Ludmila aufgekreuzt ist, war alles prima. Ambar, Jasmine, Camila und ich haben uns nach der Schule immer getroffen. Manchmal kamen noch andere Mädchen mit, manchmal Jungs aus unserer Klasse. Wir haben uns halt so locker getroffen. Waren mit den Rädern oder mit Rollerblades unterwegs oder waren im Reitstall bei den Pferden. Friede, Freude, Eierkuchen.
Dann kam die Neue in unsere Klasse: Ludmila. Zunächst hat sie brav gefragt, ob sie mit uns mitkommen dürfte, und wir haben Ja gesagt. Klar, wieso auch nicht, wir sind ja nette Leute. Im Gegensatz zu Ludmila. Zuerst tat sie so, als fände sie das alles toll. Besonders die Pferde. Dann fing sie so langsam und scheinheilig an, uns klar zu machen,dass wir völlig hinterm Mond leben.
Kein Mensch würde mit 13 Jahren noch Pferdezeitschriften und Comics lesen. Es gäbe ja schließlich Zeitschriften für Teenager. Außerdem hänge man sich keine Pferdeposter ins Zimmer, sondern die Poster von coolen Sängern und Schauspielern. Und das heiße Thema in unserem Alter sei nicht Freundschaftsarmbänder flechten, sondern: JUNGS. Aber bitte die richtigen. Mindestens 15 müssen sie seien. Es sei völlig daneben, dass wir mit den Jungs aus unserer Klasse durch die Gegend ziehen. Das seien ja alles noch Kleinkinder. Wie würden uns unmöglich machen.
Wir haben uns alles ganz interessant angehört. Hey, warum nicht, man kann ja immer was lernen. Und Ludmila hat uns in die große weite Welt der coolen Kids eingeweiht und uns Schmink- und Klamottentipps gegeben. Ich fand, dass sie sich eine Nummer zu doll aufgespielt und elend angibt, und hab ihr gesagt, wir wären bisher eigentlich ganz gut ohne ihre Ratschläge ausgekommen. Ludmila hat das lächelnd hingenommen. Aber dann hat sie zum entscheidenden Schlag ausgeholt. So geschickt, dass keiner gemerkt hat, was eigentlich passiert.
Plötzlich war Ludmila Wortführerin unserer kleinen Nachmittagsgruppe und sie meinte, man könne doch nicht jedem erlauben, mit einem rumzuhängen. Sie würde jetzt einen Club gründen, in dem nur coole Mädels Mitglied sein sein dürfen. Das fand ich zwar etwas zickig, aber ich war überzeugt, mit den uncoolen Mädchen meint sie Josefine, Mareike und Franziska. Na ja, die hat ja auch gemeint und von vornherein ausgeschlossen. Aber mich auch!
Ihr Kriterium zur Aufnahme war folgendes: Sie fragte uns, in wen wir verliebt seien. Ich hab gleich gesagt: "In niemanden." Das fehlte mir noch,verliebt zu sein. Erstens bin ich es nicht, zweitens, wenn ich es wäre, würde ich es ganz bestimmt nicht sagen. Und Ludmila schon gar nicht. Außerdem finde ich Jungs sowieso doof.
Damit hatte ich mich aus dem Club hinauskatapultiert. Denn Ludmila meinte, wer noch nicht verliebt sei, sei eindeutig noch ein Kleinkind und damit nichts für ihren Club.
Dann fragt sie Camila, Ambar und Jasmine. Die waren schlauer, die wollten keine Fehler machenund erkundigten sich erstmal vorsichtig, wen Ludmila denn toll fände. Ludmila meinte, das wäre doch voll klar wie Kloßbrühe: Es gäbe nur einen coolen Typen auf der Schule - Fede, dem Sänger unserer Schulband.
Der ist 15 und in der Neunten. Eigentlich heißt er Federico, aber so darf ihn keiner nennen. Nicht mal die Lehrer. Er hat eine Amerika- Macke und besteht auf amerikanische Aussprache seiner zwei Anfangsbuchstaben. Also keine von uns wäre bisher auf die Idee gekommen, sich in Fede zu verlieben.
Aber meine Ex- Freundinnen meinten daraufhin alle im Chor: Ja, den fänden sie auch gut, in den wären sie verliebt - schon ewig. Ludmila hat zufrieden genickt und dann zu den anderen uncoolen Mädchen - also auch zu mir - gemeint der Club wäre jetzt komplett, wir könnten ja einen eigenen Club gründen.
" Vielleicht einen Pferde- Club", sagte sie. Aber das klang nicht sehr freundschaftlich und aufmunternd. Ich hab gesagt, Clubs fände ich eh doof. Ludmila hat nur die Schultern gezuckt und schnippisch gesagt : " Wie du meinst" Sie hat meine Freundinnen untergehakt und ist abgedampft. Na bravo. Mein Leben ist nicht nur stinklangweilig, sonder jetzt auch zu Ende.
Aber wenigsten hab ich ein Tagebuch. Hahahaha.

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Hexen küsst man nicht
Teen FictionVioletta ist unglaublich verliebt. Aber ihre Rivalin Ludmila scheint irgendwie bessere Chancen zu haben bei Federico dem Sänger der Schulband. Doch plötzlich passieren seltsame Dinge, die fast schon an Zauberei grenzen. Es sieht so aus, als wenn Vio...