Montag, 27. April

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Heute war ein echt cooler Tag. Ich hab einen Fisch und eine alte Dame gerettet. Mit dem Fisch war das so: Ich hab die zwei Flüchtlinge von gestern gefunden. Einer war in der Blumenvase - wie clever von ihm. Da hatte er echte Überlebenschancen. Allerdings schüttet meine Mutter da immer Super-Dünger für Schnittblumen rein und es kann sein, dass bei dem geretteten Fisch Spätfolgen auftreten. Womöglich haben wir bald den ersten Goldfisch-Wal. Und wenn er zu groß für die Badewanne geworden ist, werden wir umziehen müssen. Haus mit Pool. Auch nicht schlecht.

Der andere Fisch war nicht vom Glück geküsst. Er war leider in Mutters Kaffeetasse gefallen. Für ihn kam jede Rettung zu spät. Obwohl es Kaffee ohne Koffein war. Kann aber auch sein, dass er mit dem Kopf auf den Zuckerwürfel geknallt ist und einen Schädelbasisbruch erlitten hat. Und der Doktorfisch (o ja, die gibt es) hatte wohl gerade keine Sprechstunde. Nein, er konnte dem Patienten nicht helfen, Herr Doktor ist ja evakuiert. Er schwimmt in einem Marmeladenglas, bis meine Mutter ein neues Aquarium besorgt hat. Womöglich hatte er auch seinen Beeper nicht eingeschaltet.

Und jetzt zu meiner zweiten guten Tat. Um einen Nachfolger für den toten Fisch zu kaufen, bin ich ihn die Stadt gelaufen. Vor einer Telefonzelle war ein riesiges Gerangel. Eine alte Dame hatte sich versehentlich in der Telefonzelle eingesperrt und kam nicht mehr raus. Davor standen ein paar bescheuerte Viertklässler und haben sie beölt. Als die Dame es fast geschafft, das heißt den Mechanismus der Tür endlich kapiert hatte, stellte so ein Bengel den Fuß vor die Tür, damit sie nicht rauskommt. Den hab ich das Ohr lang gezogen und die Tür aufgemacht. Ganz selbstlos hab ich das gemacht und dabei gar nicht an meine eigene Sicherheit gedacht.

Die Viertklässler haben sofort im Chor gegrölt: "Streberin, Streberin." Ich bin erstmal erschrocken, weil ich gedacht hab, falls das 'ne Lehrerin ist, ist es voll peinlich, wenn ich sie rette. Lehrer sind natürlich Feinde von Teenagern und es ist völlig uncool, zu seinem Lehrer nett zu sein. Aber glücklicherweise hat sich dann herausgestellt, dass sie keine Lehrerin ist.

Die Frau war ganz happy, hat mich überschwänglich gelobt und mich gleich zu 'nem Eis  eingeladen. Leider ist die Eisdiele, in der sich Ludmilas Club immer trifft. War mir unangenehm. Ich meine, einer alten Dame aus 'ner Telefonzelle zu helfen, ist eine Sache, aber mit ihr dann ein Eis essen zu gehen, so in der Öffentlichkeit, wo mich Fede sehen könnte, ich weiß nicht.  Dazu kam noch, dass sie sehr merkwürdig aussah: Sie hat einen Hut getragen. Einen sehr außergewöhnlichen Hut. Streng genommen war es gar kein Hut, mehr so eine umgestülpte Riesen-Tulpe. Hätte in einen Horrorfilm gepasst: "Die Attacke der Killer-Tulpen." Am Arm trug sie eine altmodische Doktortasche. Sie nennt das Handtasche. Und das Kuriose ist: Sie spricht mit ihrer Handtasche. Nennt sie Mathilde und fragt sie bei allem Möglichem um Rat. Völlig abgedreht. 

Leider ist mir so schnell keine Ausrede eingefallen und ich bin halt mit ihr mit in die Eisdiele. Klar war Ludmila da. Sie hat auch gleich mit den Hühnern losgegackert, von wegen "Vilu hat 'ne neue Freundin" und andere Gemeinheiten. War echt bescheuert.

Aber die Dame hat mir einen Riesen-Eisbecher spendiert. Für sich selbst hat sie gleich zwei Stück bestellt und die null Komma nix verdrückt. Sie war ganz reizend. Mir war alles nur peinlich. Wovon sie geredet hat, kann ich nicht sagen. Ich hab überhaupt nix mitbekommen.

Zum Schluss hörte ich nur, wie sie sagte: "Nun geh, mein Kind, heute noch wirst du den Glück finden." Seltsam , nicht wahr?!  Ich hab mich auf dem Nachhauseweg überall umgeschaut, aber Fede war nirgends zu sehen. Na ja.

Den Fisch hatte ich völlig vergessen.

Hexen küsst man nichtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt