Icebound

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║"Now please don't go- Most nights I hardly sleep when I'm alone."


„Es geht längst nicht mehr darum, ob wir dir vergeben, Haz. Es geht darum, dass du dir endlich selbst vergeben kannst..."

Ich versuche es wirklich, glaubt mir das bitte. Ich versuche es so sehr.

Aber... Ich kann einfach nicht.

Ich kann mir einfach nicht verzeihen, was ich angerichtet habe...

***


In dem Augenblick, in dem wir aufhören, Alkohol einfach nur zum Vergnügen zu trinken- in dem Moment, in dem wir uns mit einer Flasche Whiskey als einzige Kompanie in unserem Zimmer einsperren und unsere Gedanken auf düsteren Pfaden wandern- ab genau diesem Punkt ist es bitterer Ernst.

Wenn uns nicht einmal mehr jene brennende Flüssigkeit das Feuer in unserem Inneren vergessen lässt. Das Glühen in unserer Kehle beim Verzehr ist rein gar nichts gegen die Schmerzen, die bald nur noch von einem dumpfen Nichts abgelöst werden. Und auch dieses Nichts mag durch nichts mehr entzündet werden. Vielleicht, weil es nur noch aus der Asche, erloschener Gefühle besteht.

Niall hinter mir zu lassen, erinnerte mich an jenes Gefühl der absoluten Machtlosigkeit. Es war, wie das Trinken. Ich sagte mir, dass es nötig war, aber es betäubte nicht im Ansatz den Schmerz in meinem Inneren. Es fütterte nur die Leere.

Ich fühlte mich seltsam ausgelaugt, als ich auf die dunkle Straße hinaustrat und das Haus meines Jugendfreundes für immer hinter mir ließ.

Ich wusste, dass die Art und Weise, wie ich Niall zurückließ mehr, als nur feige war, doch ich hatte es nicht anders gepackt. Die Gelegneheit hatte sich einfach angeboten und ich hatte die ungemeine Erleichterung gespürt, als ich unbemerkt gehen konnte. Ich wusste nicht, wie ich Niall überhaupt hätte anlügen können.

Liam mochte zwar sensibel sein, aber selbst, wenn er es kapiert hatte- er konnte besser loslassen. Vielleicht, weil er über die letzten Jahre nichts anderes getan hatte, als die Verbindungen zu kappen- eine nach der anderen. Niall hingegen war in dieser Beziehung ein Kind geblieben. Selbst, wenn ich ihm ins Gesicht geschrieen hätte, dass dies unsere letzte Begegnung sein würde, hätte er immer noch an ein Morgen geglaubt. Vielleicht hätte er mich auch eingesperrt oder direkt bei der Seelsorge angerufen, damit sie seinen hirngestörten Freund in ihre Obhut nehmen würden, bevor dieser sich an der nächsten Haltestelle vor einen fahrenden Zug warf.

Nein, ich hatte mich nicht von Niall verabschieden können. Nicht so, wie ich es von allen anderen gedachte, zu tun. Das mochte vielleicht unfair sein, aber dafür hatte ich ihm als einzigem meiner Freunde etwas zurückgelassen. Es war zwar nur eine vergilbte Zigerattenschachtel, aber für Niall und mich war es weitaus mehr. Es war ein Versprechen. Es war eine letzte Geste meiner Freundschaft. Es war ein Dankeschön, das ich unbedingt hatte aussprechen müssen. Es war alles, was ich Niall schuldig war und alles, was ich ihm noch von dem kaputten Klumpen, den ich meine Seele nannte, geben konnte.

Nun, da dieser Akt geschafft war, schnappte ich nach Luft. Es fühlte sich an, als ob rein nichts von dem eisigkalten Gut seinen Weg in meine Lunge fand. Ich fühlte mich, wie ein Fisch auf dem Trockenen. Meine Gedanken wanderten, während meine Beine mich zurück zur U-Bahn Station trugen. Ich wollte es nicht, aber ich dachte an Aimee. Ich dachte an den Beginn dieser Nacht, die nun bereits ein gutes Stück vorangeschritten war und an meine verzweifelten Versuche, dieses Mädchen loszuwerden.

Das Mädchen, nach dessen Gesellschaft ich nun lechzte. Ich wollte es zwar nicht zugeben, aber es war unmöglich mir etwas vorzulügen: Ich sehnte mich nach ihrer Nähe. Nach ihrer Bestimmtheit, ihrem warmen Lachen und ihren Augen, die so unschuldig waren, wie der jungfräuliche Schnee unter meinen Stiefeln.

CloverfieldWo Geschichten leben. Entdecke jetzt