Kapitel 9

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Da stand er. Vor mir.
Sein wunderschönes Gesicht.
Er lächelte.
Ich wollte ihn anfassen.
Ich streckte meine Hand aus.
Wollte über seine Wange streichen.
Noch 5 Zentimeter.
Noch 4.
Noch 3.
Noch 2.
Noch einer.
Und...
Ich fasste ins Leere.
Auf einmal war Jamil weg.
Und mit ihm die strahlende Helligkeit.
Auf einmal war alles dunkel.
Hektisch schaute ich mich um.
Und dann fiel ich.
Tiefer und immer tiefer.
Ohne Halt.

Ich schreckte hoch.
Schweißgebadet.
Es war dunkel draußen.
Ich schaute auf meinen Wecker. 2:47.
Ich ließ mich zurück auf mein Kissen fallen.

Was war das denn?
Und warum träume ich von ihm?

Frustriert seufzte ich auf.
Ich hasse ihn.

Ich hasse ihn nicht.

ICH HASSE IHN!!!

Nein, das tue ich nicht.

Auf einmal fing ich an zu weinen.
Warum hat mich das gestern so fertig gemacht? Dass er mich für Luna versetzt hat? Dass er noch nicht einmal abgesagt hat?

Ich machte mir Gedanken bis zur Morgendämmerung. Und dann, als die Sonne aufging und das zarte Rosa des Himmels durch mein Fenster schimmerte, wurde es mir klar.

Ich, Zoë Amira Kempinski, habe Gefühle für Jamil Abu Rami.

******************

In der Schule verhielt ich mich still. Ich vermied es, irgendwas zu sagen. Und ich war irgendwie müde. Doch das war nicht das Problem. Das Problem war mein Eingeständnis diesen Morgen. Und das noch größere Problem war, dass Jamil auch noch in jedem Fach neben mir saß.

Toll.

Er war für seine Verhältnisse ziemlich gut gelaunt. Ich ignorierte ihn. Aber als er anfing, Bemerkungen über mein Outfit zu machen, explodierte ich.

»Ey, Zoë!«, flüsterte er.
Ich antwortete nicht.
»EY!«, versuchte er es weiter.
Ich schaute ihn genervt an.
Er grinste. Ich nicht.
Er schaute an mir herunter und fing an zu grinsen.
»Süßes Outfit.«
Ich schaute wieder nach vorne.
»Süß. Rosa steht dir. Vor allem mit Bugs Bunny drauf. Trägt man das jetzt so?«

Das war nur eine typische Jamil Bemerkung, aber ich hatte eine richtige Wut auf Jamil. Und die wurde aufgrund dieser Bemerkung größer und verlangte, freigelassen zu werden.

»Ist das dein scheiß Ernst?!«, platzte ich heraus. Er sah mich mit großen Augen an.
»Was denn?«
»Was willst du jetzt eigentlich von mir?«
»Die Frage ist, was du grade willst«, gab er zurück.
Dich.
»Weißt du wie sauer ich auf dich bin?«
Jamil schaute mich mit zusammen gezogenen Augenbrauen an.
»Nein, was hab ich denn gemacht?«, fragte er minimal verzweifelt.
»Ähm, wir waren letzte Mittagspause verabredet. Aber stattdessen machst du lieber mit Luna rum.«

Hab ich das gerade wirklich gesagt? Das klingt so, als wäre ich krass eifersüchtig. Verdammt.

Jamils Augen weiteten sich.
»Ähm...«, fing er an.

»Hör auf«, unterbrach ich ihn. »Das war einfach nur richtig assi von dir.«

Jamils Miene wurde von ›Upps, erwischt‹ zu ›mir doch scheißegal, ich bin jetzt trotzig‹ und er verschränkte die Arme vor der Brust.
»Na und?«

Ich öffnete den Mund.
»Was bitte? Na und? Du hast mich doch zehntausend Mal danach gefragt? Und dann noch nicht einmal absagen?«

»Ist doch meine Entscheidung.«

So ein Arschloch.

»Fick dich, Jamil.«

Genau als ich das sagte, klingelte es zur ersten Pause. Ich packte meine Sachen in meine Tasche, würdigte ihn keines Blickes mehr und verließ den Raum wie ein Model. Zwei Jungs im Raum pfiffen sogar. Doch es war mir egal. Das einzige, was mir in Sinn war, war Jamil. Der sich als riesen Arschloch entpuppt hatte.

Fuck me like you hate me, kiss me like you miss meWo Geschichten leben. Entdecke jetzt