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Kian

Sunil, Cyril und ich erzählten uns alles. Ich konnte es kaum glauben: Sie konnten Amira nur mit einer Ablenkung besiegen. Erst als sie mir ihre vermeintlichen Dolche vorlegten, konnte ich mir ansatzweise vorstellen, wie hart es im Kampf zu und her ging.

Meine Erkenntnisse bestärkten mich nur noch in meinem Ziel, ihr Geheimnis zu lüften.

Wir diskutierten den ganzen Nachmittag. Es war anstrengend. Das Einzige, in dem wir uns einig waren, war, dass wir Amira konfrontieren mussten. Nur die Frage wie, wann und wo blieb offen. Wir hatten alle verschiedene Meinungen und Herangehensweisen.

Es war frustrierend. Auf der einen Seite wollte ich Amira sofort stellen, auf der anderen hatte ich etwas Angst davor, was ich erfahren würde.

Nach dem Abendessen zogen wir uns alle zurück. Bevor ich zu Bett ging, wollte ich noch etwas an die frische Luft. Ich ging in den Garten spazieren und liess meine Leibwächter zurück. Ich beobachtete einige Gärtner, die noch spät am Werk waren, und meine Gedanken schweiften immer mehr zu Amira.

Sie war so unnahbar, wie von einer anderen Welt. Wie viel würde ich wohl dafür tun, dass ich sie einmal ohne Verhüllung sehen könnte?

Sie zog mich irgendwie magisch an. Ihre Augen verwickelten  jeden in ein tiefes Gespräch ohne Worte. Doch die Erkenntnis blieb immer aus. Ist sie wirklich die Tochter von Latif? Man müsste viele Beweise haben, um dies zu hinterlegen...

Plötzlich durchbrach das Brüllen einiger Männer die abendliche Stille. "Eindringling!! Macht euch bereit!", war klar und deutlich durch den ganzen Hof zu hören. Neugierig ging ich dem Lärm nach. Er kam aus der Richtung des Wäschereitraktes.

Ich hörte rennende Schritte. "Prinz, was macht Ihr hier?! Habt Ihr nicht gehört? Wo ist Eure Leibgarde?", fragte ein verdatterter Soldat. Ich sah seiner Kleidung an, dass er einer der höheren war, aber kein hochstehender Offizier.

"Ich brauchte etwas Ruhe", gab ich schulterzuckend zur Antwort. "Und als ich den Schrei hörte, war ich neugierig und wollte sehen, was passierte..."

Der Soldat stöhnte: "Es könnte einen Anschlag auf Euch sein! Habt Ihr denn nie daran gedacht? Ihr seid eine Hoheit und habt nicht nur Freunde."

Etwas schuldbewusst schaute ich auf meine Schuhe. Ich hatte einfach eine unersättliche Neugierde. Irgendwann würde ich noch an ihr verrecken!

"Wir haben ihn!", hörte ich aus der Richtung, aus der vorhin das Brüllen kam. Ich wollte schon hingehen, als mich der Soldat mit einem festen Griff zurückhielt.

"Ist da jemand ungeduldig?", fragte er grinsend, doch es verging ihm schnell, als ich ihn böse anschaute. "Wir warten. Sie haben ihn vielleicht, aber das heisst nicht, das sie ihn schon gefesselt und gesichert haben. Also wenn ich Euch bitten darf noch etwas zu warten...", fügte er dann hinzu. Ich nickte kurz, doch sass wie auf heissen Kohlen.

Endlich erlöste mich der Soldat, indem er vorlief und mich dann zu sich winkte. Mit schnellen Schritten kam ich zum Schauplatz. Es hatte sich eine grosse Menge von Dienstmädchen, Mägden, Dienern und weiteren Angestellten gebildet. Sie stellten sich alle auf Zehenspitzen und wollten einen Blick auf den Festgenommen erhaschen.

Wie auf ein Zeichen bemerkten mich viele, verbeugten sich und bildeten einen Durchgang. Schnell sah ich den knienden Eindringling. Es war ein Mann, der schwarze Lederkleidung trug und um dessen Kopf ein schwarzes Tuch gehüllt war. Er war voller Sand und Schweiss. Um ihn herum standen mehrere Soldaten. Die Brustkörbe aller Soldaten und des Eindringlings hoben und senkten sich rasch.

Ihre AugenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt