17

4.3K 291 26
                                    

Kian

Sunil fing sie auf. Und ich? Ich war wieder einmal nicht dort, um ihr zu helfen.

Die Euphorie, die ich empfunden hatte, war schnell verflogen, als ich sah, wie sich ihre Augen verdrehten und sie in die Knie sank. Ich war einige Schritte in den Raum gegangen, um meinem Vater näher zu sein. Ich hatte einige Blicke auf die Karten, die in der Mitte des Raumes auf dem Tisch lagen, geworfen. Unsere Situation hatte sich nicht verändert. Wir waren immer noch eingeklemmt zwischen bekriegten Staaten. Und dann kippte Amira schon nach der zweiten Frage um. Und ich war nicht bei ihr.

Sunil reagierte wie immer schnell und präzise. Während ich mit grossen Schritten zu Amira eilte, war Sunil schon dabei, das Kopftuch vollständig zu entfernen.

"Was hat sie?", ergriff mein Vater das Wort. Das Erstaunen, dass mein Vater besorgt klang, wurde durch meine Sorgen um Amira erstickt.
"Sie murmelte etwas von einer Klinge und vergiftet. Ich vermute, dies zeugt noch von letzter Nacht", antwortete Sunil sachlich. Ich kniete untätig neben Sunil, der Amira festhielt. Endlich kam ich auf die Idee, Hilfe zu holen, und benachrichtigte Wachen vor der Türe, damit sie den Hofarzt benachrichtigten.

"Kennst du das Gift?", fragte ich Sunil, der konzentriert nach dem Blutfluss an Amira's Handgelenk tastete. Er schüttelte den Kopf. Mein Vater hatte sich bisher nicht von seinem Platz bewegt. Wir warteten schweigend auf den Hofarzt. Niemand wusste, was er tun sollte. Sunil legte Amira vorsichtig auf den Boden. Es schien, als würde ihn die ganze Angelegenheit gar nicht beunruhigen.

Die Türe wurde jäh aufgerissen und der Hofarzt stürmte mit seinen Gehilfen herein. Er schien ausser Atem zu sein, aber machte sich sofort ans Werk. Er überprüfte den Herzschlag und den Atem. Mit einem Winken gab er seinen Gehilfen zu verstehen, Amira auf eine mitgebrachte Barre zu legen. Sie trugen sie fort.

"Könnt ihr sagen, was sie hat?"
Mein Vater schien seine Stimme als erster wiedergefunden zu haben.
"Mein Herr, ich befürchte, wir müssen noch genauere Untersuchungen anstellen. Meine Gehilfen werden die edle Frau in ihr Gemach zurück bringen. Dort werde ich sie diagnostizieren", antwortete der Arzt sachlich. Edel? Wusste er von ihrer Herkunft?

"Ich werde mich nun auf den Weg machen, um weitere Verfahren einzuleiten", verabschiedete er sich. Mit einem Nicken von meinem Vater wurde er entlassen. Sobald die Türe geschlossen war, drehte ich mich zu Sunil: "Woher weiss er, dass sie von edlem Blut ist?"
Sunil sah mich mit hochgezogenen Augenbrauen an. "Erinnerst du dich nicht, was Tätowierungen bedeuten? Sie hatte ihr Kopftuch nicht mehr an."

Ich könnte mich an eine Wand klatschen. Kurzsichtig, das bin ich. "Naja, dann...", räusperte ich mich. "Ich hoffe, es ist genehm, wenn ich unserer möglichen Rettung bei der Genesung beistehe". Ich drehte mich um und ging mit grossen Schritten aus dem Raum, ohne die Antwort meines Vaters abzuwarten. Hinter mir hörte ich das Klappern des Schwertes von Sunil.

"Wenn dies wirklich ein Gift war, wie können wir sie heilen?", sprach ich Sunil an als wir vor Amiras Gemach standen. Er wiegte den Kopf hin und her. "Wir können hoffen, dass es kein zu scharfes Gift ist. Dann lässt es sich durch viel Trinken und heissen Bädern vielleicht wieder auskurieren"
Die Türe wurde uns von innen geöffnet, doch meine Hoffnung, dass Amira schon wieder auf den Beinen war, wurde vom Gesicht des Hofarztes zerschlagen.

"Habe ich etwas von Gift gehört?", hakte er nach und öffnete uns die Türe. Sunil und ich tauschten Blicke aus. Wir mussten ihn ein Stück weit einweihen. Sunil schilderte ihm in wenigen Worten vom Schnitt und der somit möglichen Vergiftung. Ich ging in der Zwischenzeit an das Bett von Amira.
Sie schien blasser als zuvor. Ihre dunklen Haare waren geöffnet und bildeten einen starken Kontrast zur blassen Haut.

Ihre AugenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt