Es war ein Tag wie jeder andere. Die Sonne schien erbarmungslos auf uns hinab und erhitzte die sandfarbenen Häuser der Stadt. Der Marktplatz war überfüllt mit Menschen, die sich an den unzähligen Ständen vorbeidrängten.
Es wurden die verschiedensten Waren angeboten. Es gab frisches Obst und Gemüse, das aber im Laufe des Tages immer brauner und trockener werden würde, Fisch und Fleisch und auch ein paar Stände, an denen die Händler mit ihren Kunden um den Preis von lebenden Nutztieren feilschten.
Der Geräuschpegel war um die Mittagszeit besonders hoch. Die vielen Leute redeten laut durcheinander und tauschten den neusten Klatsch aus.
Die Standbesitzer riefen Angebote über den Platz und sobald jemand ein Besseres machte, versuchten die anderen es zu überbieten.Ich drängte mich durch das Meer an Personen. Es war so voll, dass man hin und wieder mal einen Ellenbogen irgendwo hinein gerammt bekam oder jemand gegen einen stieß. Deshalb brauchte ich auch nicht besonders vorsichtig zu sein und ließ ab und an meine Hände in die Taschen der Leute gleiten. Meistens zählten Geldbörsen zu meiner Beute, aber ab und zu stibitzte ich auch wertvolle Armbänder oder Ketten, die ich flink von den Handgelenken und Hälsen der Personen löste.
Ich stieß scheinbar versehentlich gegen ein Grüppchen von drei Damen mittleren Alters. Ich entschuldigte mich überschwänglich, doch die drei waren so in ihr Gespräch vertieft, dass sie mich kaum eines Blickes würdigten und ich mühelos eine überaus wertvoll aussehende Brosche von dem Umhang einer der Frauen stehlen konnte. Dabei hörte ich, wie sie über die heutige Ankunft der Prinzessin des Nachbarlandes redeten, die morgen Prinz Kijan heiraten würde. Das hatte ich völlig vergessen. Das war auch der Grund, warum die meisten heute so in Eile waren. Sie wollten ihre alltäglichen Dinge so schnell wie möglich hinter sich bringen, um die Ankunft der Prinzessin am Palast miterleben zu können. Immerhin heiratete ein Prinz nicht alle Tage und es war womöglich das wichtigste historische Ereignis der nächsten paar Jahrzehnte, weshalb man sich nichts entgehen lassen sollte - jedenfalls laut der Meinung der drei Damen. Für mich bot dieses Event einfach nur eine gute Gelegenheit meine Diebeskünste unter Beweis zu stellen.
Während ich mir einen Weg durch die dichte Menge bahnte, diskutierten die drei darüber, was die Prinzessin bei ihrer Ankunft wohl tragen würde. Ich verdrehte die Augen und ging weiter bis ich die schnatternden Weiber nicht mehr hören konnte.
Ich verließ das laute Treiben des Marktplatzes und tauchte in eine dunkle und angenehm kühle Seitengasse ein. Dort setzte ich mich auf den schmutzigen Boden nieder und prüfte meine Beute, die ich unter anderem in den vielen Innentaschen meiner Jacke versteckte. Ich hatte sie selbst daran genäht und war eigentlich ziemlich stolz darauf, weil sie nicht so auffällig waren, wie die großen Beutel der anderen Straßendiebe. Zwar sah ich, wenn alle Taschen gefüllt waren, korpulenter aus als ich es eigentlich war, aber sie erfüllten ihren Zweck und verringerten mein Risiko geschnappt zu werden.
Außerdem war es mir gleich wie ich aussah. Die meiste Zeit sah ich sowieso wie ein junger Bursche aus. Ich konnte mir keine feinen Gewänder leisten, wie sie die drei Frauen auf dem Markt getragen hatten. Außerdem erwiesen sich lange Saris und Umhänge sowieso als unpraktisch, wenn man schnell vor den Soldaten des Sultans flüchten musste. Deshalb trug ich für gewöhnlich meine dreckige, beige Jacke, eine weite Leinenhose und eine undefinierbare Kopfbedeckung, unter der ich meine langen Haare versteckte. Zusammen mit dem Dreck im Gesicht hielt man mich deswegen meist für einen Jungen. Doch das war mir egal. Außerdem konnten sich Jungen hierzulande mehr erlauben als Mädchen.
Nachdem ich den ungefähren Wert meiner Beute abgeschätzt hatte, lehnte ich mich zufrieden mit dem Ergebnis an die kühle Hauswand zurück. Ich hatte eine Pause verdient. Heute hatte ich so viel ergattert, wie ich sonst nur an mindestens zwei Tagen zusammenbekam. Die Anführer unserer Gruppe von Straßendieben würden sehr zufrieden mit mir sein.
Ich schloss entspannt die Augen und döste ein wenig vor mich hin. Bis ich zurück zu unserem Hauptquartier gehen musste, war es ja noch etwas hin.
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Atlas - Die Geschichte einer Diebin, die Prinzessin wurde *pausiert*
Fantasi*** Pausiert*** Das Straßenmädchen Yahima sieht der Prinzessin des Nachbarlandes zum Verwechseln ähnlich. Als diese in die Hauptstadt kommt, um mit den Prinzen Kijan vermählt zu werden, kommt es zu einen tötlichen Unfall und Yahima nimmt kurzerhand...