Als sie nach Hause kam, war Daniel immer noch nicht da. Aber er hätte sie auch vorgewarnt, dass es etwas länger dauern könnte.
Sie setzte sich vor den Fernseher und ströbte durch die Kanäle. Ihr Sohn hatte ihr schon erklärt, wie er funktioniert. Und sie kam ganz gut mit neuen Technologien klar, als ob sie sie schon immer benutz hätte.
Als Daniel kam, war sie schon eingeschlafen, jedoch weckten sie die Geräusche auf. Die Uhr zeigte 20:08.
"Entschuldige, ich hab dich gestört.", meinte Daniel und setzte sich neben sie.
"Alles gut.", lächelte sie schlaftrunken und schaltete den Fernseher aus. "Irgendwelche Neuigkeiten?"
"Ja, durchaus. Vincent hatte angerufen. Und dann Venicia."
Es war ihre älteste Tochter. Sie hatte den Charakter ihres Vaters geerbt und den Namen hatte auch er ausgesucht. Wenige mochten Venicia wirklich, weshalb ihre Erwähnung eine große Überraschung für sie war. Ihre Stimme platzte fast vor Interesse, als sie sprach. "Ich dachte, ihr kommt miteinander gar nicht klar. Wie kommt es dazu, dass ihr eure Nummern habt?"
"Das achte Weltwunder.", lachte Daniel, wurde dann jedoch wieder ernst. "Wir haben sie für solche Notfälle ausgetauscht. Sie hasst Vincent genauso wie ich oder alle anderen. Wir werden dich weiter verstecken. Die Zwillinge und Elisa sind übrigens angekommen, gestern schon. Falls es dich interessiert, Vincent hatte nur rumgebrüllt. Er hat immer noch keinen Anhaltspunkt, wo er mit der Suche anfangen soll. Aber seine Leute sind überall, das weißt du, ja?"
Die Zwillinge, Claudia und Victor, waren ihre jüngsten Kinder, jeweils sechs Jahre alt. Davor kam Elias mit ihren fünfzehn. Sie hatte schon Angst, dass die Drei gefunden wurden. Aber zum Glück war es nicht so.
"Meinst du, ich kann mich hier einige Monate verstecken?", fragte sie unsicher.
"Hält dich hier denn etwas schon fest?", grinste Daniel.
"Mach dich nicht über mich lustig!"
"Ist es dieser neue, nette Bekannter?"
"Ach Daniel, wir kennen uns doch nur paar Stunden, natürlich ist das nicht seinetwegen."
"Na gut, na gut, wie du meinst."
Sie sah ihm an, dass er ihr nicht glaubte. Sie selbst glaubte sich sogar nicht. Aber was war so besonders an Michael, was sie so anzog? Er war doch nur ein unbekannter Vampir. Warum kam er ihr dann so bekannt vor? Hatte Vincent vielleicht die Erinnerung an ihn gelöscht? Hm ja, das sah ihm ähnlich. Und wenn, dann zu welchem Zweck?
"Wie war dein Treff, Daniel?", lenkte sie vom Thema ab.
Ihr Sohn seufzte und machte es sich auf dem Sofa bequem. "Es wurde erstmal um zwei Stunden verschoben. Als ich dann hinfahren wollte, sind zwei Bahnen nacheinander ausgefallen. Aber das Treffen selbst ist gut verlaufen. Zwar hatte er keine guten Gründe, herzukommen, doch ich freue mich ehrlich gesagt, ihn zu sehen. Jedenfalls komme ich so spät, weil wir in einer Bar waren."
"Na dann freue ich mich auch für dich. Wie heißt denn dein Bekannter?"
"Er hat mir gesagt, ich soll niemandem seinen Namen verraten, solange er denjenigen nicht kennt, tut mir leid."
"Na gut. Und IHREN Namen verrätst du mir? Du kannst mir dich den Namen deiner Geliebten nicht verheimlichen. Und hat sie nichts dagegen, dass du dich hier schon zwei Tage aufhältst?"
Leicht entsetzt sah Daniel sie an und schüttelte dann lächelnd den Kopf. "Immer weißt du alles, Mutter. Immer kann man nichts von dir verbergen." Er lachte etwas verärgert und gab ihr kurz einen Kuss auf die Wange. "Sie heißt Cecile. Und ich habe sie schon angerufen. Du willst sie morgen sehen, stimmt?"
Sie lachte. "Du kennst mich ja gut."
"Na dann..." Daniel stand auf und ging in das andere Zimmer. "rufe ich sie jetzt mal an."
"Übrigens...", rief sie ihm hinterher. "Ich freu mich für dich!"
Hätte sie doch jemanden getroffen, der sie so lieben würde. Aber... so ein Glück verdiente sie wohl nicht.Als er aufwachte, war es schon zwei Uhr nachmittags. Er hatte länger geschlafen als er sich vorgenommen hatte. Und der Wecker hat auch nicht geholfen.
Er schnappte sich sein Handy und guckte nach, ob entgangene Nachrichten oder Anrufe vorhanden waren. Wohl oder übel nicht. Es war seine neue Nummer und die Dakes konnten sie bestimmt noch nicht ausfindig gemacht haben. So gut waren sie jetzt auch wieder nicht. Aber Emilia hatte sich leider auch nicht gemeldet. Er fragte sich, ob sie es überhaupt tun würde. Jedenfalls hoffte er sehr drauf. Er mochte sie wirklich. Außerdem war sie die Erste nach Melina, zu der er sich hingezogen fühlte. Zufällig würden sie sich bestimmt nicht treffen, Berlin war viel zu groß. Andererseits könnte er zur Papier Straße fahren und dort auf sie warten. Doch damit würde er höchstwahrscheinlich nur Zeit verlieren.
Er musste sich endlich entscheiden.
Er sprang vom Bett auf. Das Duschen würde ihm jetzt guttun. Wenn sie ihn anruft, wird es schön sein. Wenn nicht, dann bleibt sie in Sicherheit, falls sie gefunden wird.
"Fuck Mann, kann ich über nichts anderes denken oder was?!", ärgerte er sich über sich selbst.
Er schnappte sich sein Handy und wählte eine Nummer.
"Ja?", meldete sich eine gutgelaunte Frauenstimme. "Wer ist dran?"
"Cecile, hier ist Michael. Le-"
"Michael?! Oh mein Gott, wie lange haben wir uns denn nicht gehört!!"
"Immer mit der Ruhe.", lachte er. "Mich freut es auch mächtig, deine Stimme zu hören."
"Aber anrufen konntest du ja nicht! Zwanzig verfluchte Jahre war von dir nichts zu hören!", fuhr sie ihn an.
"Ach kommen..." versuchte er, sie zu besänftigen. "Willst du denn gar nicht erfahren, weshalb ich anrufe?"
"Na doch! Los, erzähl!", entgegnete die Frau aufgeregt.
"Ich habe da eine Frage. Lebst du immer noch in Berlin?"
"Ja, klar. Du kennst mich doch, ich bin sesshaft. Bist du auch wieder hier?!"
Wieder lachte er. Cecile zeigte immer so kräftige Gefühle.
"Ja, bin ich. Umstände, weißt du... Ich habe gerade nichts zu tun, können wir und treffen?"
"Oh, tut mir leid, Mi! Ich treffe mich heute schon mit meinem Freund. Wir haben endlich eine Gelegenheit, mich seiner Mutter vorzustellen. Oh, ich hoffe so sehr, dass wir uns verstehen werden!"
Cecile hatte einen Freund, das war etwas Neues für ihn. Er fragte sich, seit wann schon und ob sie auch damals, als er das erste Mal in Berlin war, einen hatte. Sie hatten so gut wie nie über ihr Privatleben geredet.
"Aber natürlich. Mit dir geht es nicht anders, mach dir keine Sorgen.", ermutigte er seine Bekannte.
"Danke dir, ich fühle mich jetzt sicherer. Wenn du willst, können wir uns ja morgen sehen. Übrigens, brauchst du eine Arbeit?"
"Aber eine gute Arbeit.", schmunzelte er.
"Ich werde was Passendes finden. Ruf morgen an, ja? Ich muss jetzt los."
"Viel Glück!" Er schaltete ab und sank enttäuscht auf das Sofa. "Dann hab ich heute ja überhaupt nichts zu tun... Dann geh ich eben spazieren!"
Wieder erhob er sich, schnappte sich die Schlüssel und verließ die Wohnung.

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Das Leben ist kein Märchen
Roman d'amourZwei Leute verbunden durchs Schicksal. Beide ungewollt verwandelt. Mit einer schweren Vergangenheit. Und einer nicht leichteren Zukunft. Aber... durch zufällige Ereignisse... treffen sie aufeinander. «"Du... kannst dir nicht vorstellen, wie gut ich...