Aufgestaute Agressionen

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Jacob

Nachdem ich ein noch ein wenig Zeit in der Küche geschunden und dann Zähne geputzt hatte, ging ich endlich zu meinem Zimmer. Vorsichtig drückte ich die Türklinke herunter, sodass ich Ian und Conrad nicht aufwecken würde, sollten sie schon schlafen. Das Licht war bereits aus, also schlich ich zu meinem Bett und begann, mich auszuziehen. Als ich bei meiner Boxershorts angelangt war, kam eine Stimme von der anderen Seite des Raumes.

"Wo warst du?", fragte Ian in seiner typisch besorgten Stimme, die er allzu oft benutzt wenn er mit mir redete.

"Was kümmert dich das denn?", erwiderte ich barsch.

Er seufzte. "Was ist los mit dir, Jacob? Du bist so komisch in letzter Zeit. Du redest kaum noch mit uns, kommst nicht mehr mit, wenn wir etwas unternehmen und bist immer den ganzen Tag unterwegs, und dann schadest du dir noch indem mit dieser... Schwuchtel abhängst." Er seufzte erneut. Das Wort alleine zu hören, dazu noch wie er es aussprach, reichte, um meine Wut an gefährliche Grenzen zu treiben. Ich schaffte es mit Müh und Not, die Klappe zu halten und ihm weiter zuzuhören. "Conrad hat mir erzählt, was heute Mittag passiert ist, wie du einfach weggegangen bist... Irgendetwas stimmt nicht und du kannst nicht einfach vor uns davonlaufen. Früher hast du immer über alles mit uns geredet. Warum hat sich das geändert? Vertraust du uns nicht mehr? Du sagst uns ja nicht einmal mehr, wohin du gehst. Wir sind deine Brüder."

Der logische Teil meines Gehirns riet mir, mich zu beruhigen, aber das war mir inzwischen egal. Ian tat gerade so besorgt um mich und gab sein Bestes, um für mich da zu sein, aber ich hatte da ein starkes Gefühl, dass es sehr schnell anders aussehen würde, wenn ich schwul wäre. Dieses ganze Gerede, von wegen Vertrauen und Brüder sein, war oberflächlicher Blödsinn. All jene Dinge kamen in mir hoch, die Cody über den Jungen erzählt hatte, der deswegen zu Hause rausgeflogen waren. 'Und dann würde ich in irgendeiner dunklen Gasse landen und alten Männern für'n Zwanziger einen lutschen' , dachte ich mir wütend. 'Genauso wie Seth es tun muss.'

Okay, ich war mir sicher dass meine Eltern, Sarah und Ethan es niemals so weit kommen lassen würden. Jedoch die Gedanken, wie sie Josh behandelt hätten, wenn er von meinen Eltern adoptiert worden wäre, und nicht ich, waren da und das schürte meinen Zorn ungemein. Es war äußerst selten, dass ich mich mit meinen Brüder stritt, aber in diesem Moment wollte ich nichts anderes als eine Auseinandersetzung. Ich wollte Streit. Ich wollte provozieren und soviel Dampf ablassen, wie ich nur konnte.

"Ich war mit der Schwuchtel, von der du geredet hast, unterwegs", entgegnete ich ihm garstig. "Diese Schwuchtel hat übrigens einen Namen. Er heißt Cody."

Es gab eine längere Pause und Ian seufzte ein weiteres Mal. "Okay, diese Typ, Cody, warum hängst du überhaupt mit dem ab?"

Man konnte regelrecht hören, wie er mit seinen Augen rollte, als er Cody's Namen sagte. "Egal, lass mich in Ruhe", sagte ich angepisst, und legte mich mit meinem Rücken zu den Beiden ins Bett. Nicht dass sie es sehen konnten, aber ich tat es trotzdem.

Plötzlich meldete sich Conrad zu Wort. "Der tut wahrscheinlich auf lieb und harmlos und so'n Scheiß und sobald du ihm vertraust wird er versuchen, dich auch schwul zu machen. Das hat schon einer dieser Hinterlader bei mir versucht. So sieht das doch wohl bei euch beiden auch aus, oder etwa nicht?"

Das war so dumm, ich wusste nicht mal, ob ich lachen oder weinen sollte. "Ja genau, und dann reiten wir zusammen auf einem Einhorn gen Sonnenuntergang," sagte ich sarkastisch. "Warum lasst ihr mich nicht einfach in Ruhe? Ich kann schon auf mich selbst aufpassen, keine Sorge."

"Naja, du benimmst dich aber nicht gerade so", widersprach Conrad, und jetzt klang er auch angepisst. "Du hängst den ganzen Tag mit dieser Schwuchtel rum und jetzt willst du nicht mal mehr mit uns reden? Wie soll man denn das jetzt verstehen?"

Gemini (Deutsche Version)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt