Jacob
"36 Stunden zuvor"
Es war nach Mitternacht, als wir in Albany landeten. Der Check-Out war in kürzester Zeit erledigt und von da an ging es im Taxi weiter. Ich war durch den langen Tag müde und kaputt und selbst die Sorgen, die ich mir anfangs noch gemacht hatte, und der Ärger darüber, dass ich mein Ladekabel vergessen hatte, konnten mich nicht mehr wach halten. Bereits im Flugzeug hatte ich die letzte halbe Stunde in einem zombiehaften Halbschlaf verbracht und auf der Fahrt konnte mich nichts mehr wachhalten.
Erst das Geräusch einer zuschlagenden Autotür riss mich wieder aus meinem Tiefschlaf. Verpeilt schaute ich mich um, rieb meine Augen und gähnte laut. Als ich das Auto verließ, konnte ich sehen, dass Mr. Adams bereits an der Haustür auf uns wartete. Mit meinem Koffer ging ich den kurzen Weg die Einfahrt runter und zur Tür, doch als ich ins Haus wollte, wurde mir der Weg versperrt.
»Handy«, verlangte Mr. Adams mit versteinerter Miene und streckte seine Hand aus. Ich kramte in meiner Tasche herum, bis ich es fand und überreichte es ihm. Sein starrer Blick erzeugte in mir ein Gefühl, als wäre ich irgendein wertloses Insekt. Er trat zur Seite. »Auf dein Zimmer. Pack einen Koffer. Wir reden später.«
Ich schritt durch den Eingang und den Flur hinunter. An der Treppe drehte ich mich kurz um, und sah, wie er seine Frau begrüßte und ins Haus zog, während er leise auf sie einredete. Anstatt meiner Versuchung nachzugeben und zu lauschen, riss ich mich los und stapfte die Treppe hinauf. In Joshs Zimmer angekommen, legte ich meinen Rucksack ab und schaute mich um. Ich sah sofort, dass der Computertisch und Stuhl anders standen, als ich sie hinterlassen hatte, dachte mir aber erst einmal nichts weiter dabei. Stattdessen schnappte ich mir einen leeren Koffer und stopfte ihn mit Joshs teuren Klamotten voll.
Was konnte wohl geschehen sein, das Mr. Adams zu so einem Verhalten bewegte? Was auch immer es war, sah nicht gut für mich, beziehungsweise Josh aus. Ich war noch einen Moment lang hin- und hergerissen, aber entschied dann, dass es in dieser Situation besser war, auf alles vorbereitet zu sein. Ich öffnete die Tür einen Spalt und lauschte. Mr. und Mrs. Adams waren immer noch im Untergeschoss am Reden, wobei ihre Stimmen aber nun deutlich lauter geworden waren. Schnell schloss ich die Tür und eilte zu Joshs geheimem Versteck. Ich erinnerte mich noch, wie er mir ganz am Anfang erzählt hatte, dass er so viel Geld wie möglich unbemerkt sparte und dort für Notfälle hortete, anstatt es dafür auszugeben, wofür seine Eltern oder Philip es ihm gegeben hatten. Damals fand ich das etwas übertrieben, aber in diesem Moment änderte ich meine Meinung schlagartig.
Ich nahm mehrere hundert-Dollar Noten und stopfte sie in die Tasche einer der Hosen weit unten im Koffer. Dasselbe tat ich mit einem Taschenmesser, das ich dort fand, aber dies ging in eine andere Hose. Plötzlich konnte ich Schritte auf der Treppe hören. So schnell es ging, stopfte ich den Rest der Sachen in den Koffer und zog den Reißverschluss zu.
Ich schaffte es gerade noch rechtzeitig, mich auf das Bett zu setzen und einen möglichst neutralen Gesichtsausdruck anzunehmen, bevor die Zimmertür schwungvoll geöffnet wurde.
Mr. Adams trat ein, schloss die Tür hinter sich und durchquerte den Raum, um sich vor mir aufzubauen. In seiner Hand waren mehrere Blätter Papier und einige Fotos.
»Kannst du mir das hier bitte mal erklären«, forderte er mit gefährlich kalter Stimme und hielt ein Foto vor mich. Auf der Aufnahme waren Cody, Ethan und Josh im Schwimmbad zu sehen. Cody trug seine Regenbogenbadehose während Ethan und Josh in einer äußerst komischen Umarmung verschlungen waren. Das Ganze sah mehr als nur ein bisschen homoerotisch aus. Ich konnte mir absolut nicht erklären, wie dieses Foto zustande gekommen war, aber schaute Mr. Adams direkt in die Augen und log ohne mit der Wimper zu zucken. »Das war letztes Wochenende. Da habe ich ein paar Leute im Schwimmbad getroffen und wir haben Wasserball gespielt.«
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Gemini (Deutsche Version)
Fiksi RemajaJoshs Leben lässt so einiges zu wünschen übrig. Zwischen seinen konservativen Eltern und Mobbing in der Schule fühlt er sich verzweifelt und allein. Sein einziges Ventil ist das Schwimmen. Als er im Freibad in Schwierigkeiten gerät, wird sein bisher...