Begegnungen (Teil 1)

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"Wen haben wir denn da?", höhnte Parker. "Was machst du hier, Adams?" Er griff mich an den Schultern und drängte mich rückwärts. Ich fühlte, wie die Rückseite meines Kopfes gegen die Wand schlug und für einen Moment sah ich Sterne.

Meine Klamotten fielen von meinen Händen auf den Boden und ich begann zu zittern. Sein Gesicht kam meinem nah, so nah, dass ich seinen Atem spüren konnte. "Was ist mit dem Geld?", zischte er, während er mich gegen die Wand drückte.

Bevor irgendetwas anderes passieren konnte, sah ich aus meinen Augenwinkeln jemanden um die Ecke kommen.

"Hey! Was ist hier los? Lass ihn in Ruhe!" Am Ende des Ganges stand der süße Junge, den ich den ganzen Tag beobachtet hatte. 'So viel zum Thema erster Eindruck', dachte ich beschämt.

Selbstbewussten Schrittes ging er in unsere Richtung. Die Panik die ich zuvor gefühlt hatte, verwandelte sich jetzt in Angst. Parker hätte körperlich kein Problem damit, mich zu Brei zu schlagen. Ich wollte mir gar nicht erst vorstellen, was er mit diesem sogar noch kleineren Jungen machen würde

Der Ausdruck auf Parkers Gesicht verriet mir allerdings, dass er komplett überrascht von diesem kleinen Typen war, der ihm einfach so sagte, dass er mich in Ruhe lassen solle. Er brauchte ein paar Sekunden, um zu begreifen, was gerade passierte, bevor er sich seinem kleinen Herausforderer zuwandt.

"Das geht dich einen Scheißdreck an. Er schuldet mir Geld, also verpiss dich oder du erlebst was", drohte Parker mit lauter Stimme. Aber der Junge schien kein bisschen beeindruckt zu sein. Er ging noch einen Schritt weiter und baute sich vor Parker auf, soweit das bei dem massiven Größenunterschied ging. Es sah beinahe aus, wie bei David und Goliath.

"Es ist mir vollkommen egal, ob er dir Geld schuldet. Lass ihn in Ruhe und verpiss dich selbst. Der Bademeister ist gleich um die Ecke. Lust auf eine Freifahrt mit der Polizei? Dann schlag zu", zischte er er mit aggressiver Stimme.

Parker war vollkommen fassungslos und selbst wenn er dumm war, wusste er wahrscheinlich, dass wenn der Kleine wie am Spieß schrie, tatsächlich sehr schnell andere Leute hier sein würden. Er schaute genervt und drehte sich wieder mir zu. Er schlug mich ein letztes Mal gegen die Wand, bevor er mich losließ. Mir war immer noch schwindelig von dem Zusammenstoß von meinem Kopf und der Wand. Ich rutschte mit meinem Rücken an den Fliesen hinter mir zu Boden und zog meine Knie an.

"Sieht so aus, als ob deine kleine Freundin dich dieses Mal beschützen konnte. Wir sehen uns morgen in der Schule. Ich kann es gar nicht erwarten", sagte er hämisch zu mir, bevor er sich umdrehte und ging.

Als ich ihm hinterherschaute, überflutete mich Verzweiflung. Parker schien mich einfach nicht in Ruhe lassen zu wollen. Wer weiß, was Montag passieren würde? Warum konnte mein Leben nicht so einfach und sorgenfrei sein, wie das von anderen? Warum hatte ich nicht die Eier, einfach etwas zu sagen, mich zu wehren? Es war einfach zu viel.

Ich hatte einen Kloß in meiner Kehle und spürte, wie sich Tränen in meinen Augen bildeten. Nein! Bitte nicht jetzt! Ich rollte mich zusammen, versteckte meinen Kopf zwischen meinen Knien und versuchte mich gegen die Tränen zu wehren.

"Alles okay?", fragte mein Retter besorgt. Ich wollte antworten, aber dann hätte er gehört, dass ich kurz davor war, zu heulen. Ich blieb also einfach stumm und verharrte in meiner Position.

"Hm, anscheinend nicht", sagte er, mehr zu sich selbst als zu mir. Er setzte sich neben mich auf den Boden und legte seine Hand über meine Schulter. "Ich bin Ethan. Wie heißt du?"

"Josh", presste ich heraus, zusammen mit einem einem Schluchzer. Und dann verlor ich den Kampf. Seine Hand auf meiner Schulter, das Gefühl, dass ich ihm nicht einfach egal war, ließ all die Emotionen hervorkommen, die so lange versteckt und weggeschlossen waren. Ich fing an hemmungslos zu schluchzen. Ich versuchte es zu stoppen, aber es war ein verlorener Kampf.

Gemini (Deutsche Version)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt