Josh
"Schönes Wochenende, Josh", wünschte mir Mr. Fisher, als ich an ihm vorbeiging. „Viel Spaß auf deinem Ausflug nach Washington."
„Danke!", antwortete ich und zwang mich zu lächeln. „Ihnen auch ein schönes Wochenende."
Ich verließ das Klassenzimmer und richtete meine Augen auf den Boden, während ich mich auf den Weg aus dem Schulgebäude machte. Meine Stimmung war schon den ganzen Tag am Boden gewesen. Nachdem Jacob mir das mit Philip und Seth berichtet hatte, hatte ich mein Bestes getan, um Philip so gut zu meiden, wie es nur ging. Das hatte mehr oder weniger geklappt. Allerdings hatte Philip definitiv bemerkt, dass etwas nicht stimmte und hatte mir dauernd diese komischen, irgendwie besorgten Blicke zugeworfen. Dann hatte Jacob sich auch noch entschieden, den vorherigen Tag mit seinen Brüdern anstatt mit mir zu verbringen, und das hatte mir viel zu viel Zeit zum Denken gegeben. Inzwischen drehten sich all meine Gedanken nur noch darum, was Philip mir antun könnte und wie im Arsch mein ganzes Leben eigentlich war. Mit anderen Worten: Ich fühlte mich alleine und war deprimiert.
Ich schätze jeder hat solche Phasen, in denen man nachdenklich wird und die Welt um sich herum einfach ausblendet. Je mehr man dann über seine Probleme nachdenkt, desto stärker zieht man sich selbst herunter. Sowas ist vermutlich normal, zumindest solange es sich im Rahmen hält. Man muss aber die Grenze kennen, denn wenn man sich in all den negativen Dingen um sich herum vergräbt, dann bekommt man auf Dauer keiner Luft mehr. Ich hoffte sehr, dass Jacob mich aus dieser kleinen Depression retten konnte.
Gerade als ich durch das Schultor ging, sah ich Parker in der Nähe stehen, umringt von seinen Kumpels. Er warf mir einen hasserfüllten Blick zu und ließ seine Muskeln spielen. Eine Sekunde lang hörte mein Herz beinahe auf zu schlagen. Er war lange nicht so zurückhaltend mit seiner Feindseligkeit wie noch vor einigen Tagen. Versuchte er zu testen, was wirklich hinter Jacobs Drohung steckte? Ich rief mir Jacobs Ratschlag in Erinnerung und setzte einen gleichgültigen Gesichtsausdruck auf, während ich mit einem Hauch von Arroganz in meiner Haltung an ihm vorbeimarschierte. Ohne ihn dabei zu merklich zu beachten, versteht sich. Er schaute mich noch einen Moment an, aber da ich nicht reagierte, wandte er sich wieder seinen Freunden zu, die das Ganze glücklicherweise nicht bemerkt hatten. Dann bog ich auf den Fußweg ab und war damit für Parker verschwunden.
Die Schule war zwar noch nicht vorbei, aber ich würde Parker vor Montag nicht mehr sehen. Ich musste nur noch zum Park kommen und mit Jacob tauschen, und dann würde ich dieses miserable Leben wieder für ein paar weitere Tage hinter mir lassen. Seufzend wünschte ich, dass alles anders wäre, dass ich mit Jacob zusammen adoptiert worden wäre. Von seinen Eltern oder von einer anderen Familie; das war mir vollkommen egal, solange ich nicht bei meinen sogenannten Eltern, Philip und Parker sein müsste.
Als ich im Park ankam, wartete Jacob dort bereits auf mich. Sobald er mich sah, stand er auf und kam mir gut gelaunt entgegen. „Hey J, was geht? Freust du dich schon auf das Wochenende?"
Dann sah er meine Miene und verlor seinen fröhlichen Gesichtsausdruck. „Hey, was ist los?". fragte er mich sanft.
"Ach nichts, ich bin einfach nur ein bisschen depri", antwortete ich. Ich wusste, dass mein Verhalten erbärmlich war, ich rutsche praktisch vor ihm auf meinen Knien herum, um ein wenig Mitleid zu bekommen. Das interessierte mich allerdings nicht wirklich. Ein wenig Würde gegen eine Umarmung von jemandem, der mich wenigstens ansatzweise verstand, das schien mir ein fairer Tausch.
Jacob tat genau das. Ohne eine Sekunde zu zögern, schloss er mich in seine Arme und drückte mich gegen seine Brust. Viel zu kurz um meine Probleme verschwinden zu lassen, aber es war trotzdem wie eine Oase in einer großen, einsamen Wüste. Nachdem er mich losgelassen hatte, nahm er meinen Arm und zog mich mit sich zu Boden, so dass ich neben ihm saß. „Magst du darüber reden?", fragte er mich, als ob wir alle Zeit der Welt hätten, und nicht sofort zur Schule zurück müssten.
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Gemini (Deutsche Version)
Teen FictionJoshs Leben lässt so einiges zu wünschen übrig. Zwischen seinen konservativen Eltern und Mobbing in der Schule fühlt er sich verzweifelt und allein. Sein einziges Ventil ist das Schwimmen. Als er im Freibad in Schwierigkeiten gerät, wird sein bisher...