Kapitel 21: Ein halber Plan

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Als ich aus meinem komatösen Zustand erwachte, war es draußen wohl schon eine Weile hell. Die genaue Uhrzeit konnte ich allerdings schlecht schätzen, weil der Himmel immernoch wolkenverhangen war. Da das Grau aber relativ hell war, ging ich davon aus, dass es bereits später Vormittag war. Ich hatte schon wieder von Rachel geträumt. Die Stadt, dieser Ort, einfach alles hier machte mich langsam, aber sicher verrückt.

Nikky saß, eine dampfende Kaffee-Tasse neben sich, am Esstisch und las.

„Guten Morgen."

„Um diese Uhrzeit? Es ist schon beinahe Mittag."

Sie lächelte, während sie das sagte.

„Keine spontanen Gravitationschecks heute?"

„Nein, stand nichts im Kalender. Vielleicht morgen wieder. Haben sich unsere Freunde schon gemeldet?"

„Das haben sie, ja. Wie klingt heute Abend, neunzehn Uhr für Sie?"

Ich holte mir auch eine Tasse Kaffee und setzte mich dann ans andere Ende des Tisches, Nikky gegenüber.

„Das klingt hervorragend."

„Was genau haben Sie eigentlich vor? Was erwarten Sie sich von diesem Treffen?"

„Ich glaube nicht, dass Ihnen das gefallen wird."

„Das befürchte ich auch."

Ich erläuterte also meinen provisorischen Plan und konnte deutlich sehen, wie Nikkys Gesichtsausdruck von Neugierde über Unglauben bis zu einer nachdenklichen Skepsis wechselte.

„Das sind aber ganz schön viele Fragezeichen und Variablen, die passen müssen."

„Ich habe nicht behauptet, dass der Plan perfekt wäre. Aber etwas Besseres fällt mir in der Kürze der Zeit, die wir noch haben, nicht ein."

„Und wenn das ganze schiefgeht?"

„Naja, deshalb will ich ja, dass Sie sich im Hintergrund halten. Dann sind wir im dümmsten Fall wenigstens nicht beide tot."

„Wie ungemein beruhigend. Und wenn wider Erwarten alles so klappt, wie Sie sich das vorstellen?"

„Dann endet dieser ganze Albtraum heute Nacht, und wir können ab morgen wieder beruhigt schlafen."

„Ihr Wort in Gottes Ohr."

Da es wohl vorerst nichts mehr zu sagen gab, stand ich auf und ging ins Bad. Auf dem Weg dorthin ließ ich meinen Blick durch die Wohnung schweifen. Vielleicht war es an der Zeit, mich von diesem Appartement zu trennen. Viel zu viele Erinnerungen hingen noch immer wie ein hartnäckiger Nebelschleier überall herum und nahmen mir die Sicht für die Schönheit dieses Ortes. Ruhig schlafen würde ich hier wohl auch kaum noch jemals können. Sollte ich den heutigen Abend überleben, dachte ich bei mir, würde ich mir einen Verkauf ernsthaft überlegen. Ansonsten war ja eigentlich egal, was aus all dem Kram hier wurde.

***

Nach einer bitter nötigen Dusche und einem verspäteten Frühstück begab ich mich ins obere Stockwerk zum Arbeitsbereich und begann mit der abschließenden Planung der nächsten Stunden. Es tat irgendwie gut, wieder am Whiteboard zu stehen, alles andere auszublenden und mich nur auf die Arbeit zu fokussieren. Nikky leistete mir Gesellschaft, stellte die richtigen Fragen und wies mich auf Fehler hin. Fast wie ihre Schwester, aber doch komplett anders. Die Zeit verging wie im Flug und so sah, vier Stunden später, mein halbgarer Plan schon fast wie ein richtiger aus. Ein „halber Plan", wie Nikky ihn scherzhaft nannte. Aber das musste genügen. Anschließend überließ ich Nikky ihren eigenen Planungen für den heutigen Abend, bevor wir uns gegen siebzehn Uhr aufmachten, noch etwas zu essen. Der Tag würde heute mit Sicherheit noch etwas länger werden.

Jimmy is Dead - ein Noire-KrimiWo Geschichten leben. Entdecke jetzt