Kapitel 14: Home, sweet home

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Irgendwie hatten wir uns bis zum nördlichen Stadtende durchgeschlagen, ohne all zu viele neugierige Blicke auf uns zu ziehen. Das würde sich hier vermutlich ändern, wenn wir nicht schleunigst unser Äußeres veränderten. Der Norden von Nowhere City war so etwas wie der Hoffnungsträger der Stadt. In den Aufbau wurde richtig viel Geld reingepumpt, und das konnte man deutlich sehen. Hier hatten sich einige der angesehensten Anwaltskanzleien des Landes angesiedelt, sowie ein Großteil ihrer erfolgreicheren Kunden. Neben den ganzen neuen Bürogebäuden aus Glas waren auch entsprechende Wohnanlagen in die Höhe geschossen. Vince hatte immer versucht, einen Fuß in die Geschäfte hier zu bekommen, war aber kläglich gescheitert. Noch nicht einmal eine Wohnung hatte er hier ergattern können. Die Haie, die hier ihr Unwesen trieben, mochten ihn nicht besonders.

Wir standen vor einer der Wohnanlagen; ein neutrales, beinahe schon unauffälliges Bauwerk aus verspiegeltem Glas und Beton – zumindest von außen. Sobald man den Eingangsbereich betreten hatte, befand man sich in einer völlig eigenen Welt. Der Fußboden bestand aus schwarzem Marmor; zu den beiden Aufzügen, die sich am Ende des Raumes mit einigen Metern Abstand voneinander befanden, führte eine Doppelspur roter Teppichboden. Sonst nichts. Keine Postkästen, keine Namensschilder. Schlicht, aber elegant. Die Post brachte hier auch kein Briefträger; ein vollautomatisiertes Post-Transportsystem sortierte und transportierte Sendungen zu dem jeweiligen Appartement, über etwas, das ein bisschen aussah, wie ein moderner Speisenaufzug. Bei größeren Sendungen erhielt man eine Benachrichtigung. War man dann erreichbar, stellte ein hausinterner Bediensteter das Paket dann persönlich zu. Selbstverständlich wurden die jeweiligen Postsendungen vor Auslieferung vollautomatisch auf etwaige gefährliche Inhalte durchleuchtet. Schließlich wollte niemand, dass irgendeinem der Einwohner etwas zustieß.

Auf der anderen Seite des Gebäudes befand sich nochmal ein exakt gleich aussehender Eingang, der zur zweiten Gebäudehälfte führte.

Die Aufzüge verfügten über keinerlei Steuerungsknöpfe von außen; die Türen öffneten sich nur, wenn man eine bestimmte Keycard, die zugleich Schlüssel zu einem der Appartements war, über einen unauffällig in der Wand direkt neben dem jeweiligen Aufzug versenkten Chipkartenleser hielt. So konnte man sich lästige Besucher vom Leib halten. War man erst einmal in einem der Aufzüge, wurde man automatisch zum richtigen Stockwerk transportiert.

„Was genau machen wir hier?" Nikky war neugierig. Aber auch skeptisch. Wäre ich an ihrer Stelle wohl auch gewesen. Das hier war schließlich kein Motel, in dem man sich mal eben verstecken konnte. Es schrie förmlich „exklusiv" und „unerreichbar".

Ich zog die Keycard aus meiner Tasche, ging auf den rechten Aufzug zu und nickte ihr zu, mir zu folgen.

„Woher...?"

„Eine längere Geschichte. Aber die erzähle ich erst, wenn wir oben sind."

Lautlos öffnete sich die Aufzugtür.

Wir betraten die geräumige, verspiegelte Kabine.

Die Tür glitt genau so lautlos wieder zu, bevor sich der Aufzug in Bewegung setzte, um uns unserem Ziel näher zu bringen.

***

Jedes Stockwerk (ausgenommen das Dachgeschoss) bestand aus 4 Appartements.

Deshalb hielt der Aufzug auch direkt in der Wohnung, und nicht in einem Flur. Das sparte nicht nur enorm Platz, sondern den Einwohnern auch eine Menge Fußweg.

Als sich die Aufzugtüren schließlich öffneten und im Raum vor uns das Licht anging, klappte erstmal Nikkys Unterkiefer nach unten.

Ich konnte zu gut nachvollziehen, warum.

Die kompletten Außenwände (im Fall dieser Wohnung hier die Wand zu unserer Linken und die direkt vor uns) bestanden vom Boden bis zur Decke aus Glas; die Aussicht von hier oben war enorm. Außerdem hatte mein Appartement 2 Ebenen, der Eingang befand sich in der oberen; die Raumhöhe betrug insgesamt knapp 5 Meter.

Jimmy is Dead - ein Noire-KrimiWo Geschichten leben. Entdecke jetzt