Kapitel 1

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Aubrey

„Miss?" Die einst friedliche Stille in der ich mich befand, wurde mir ruckartig entzogen, als mich jemand unsanft an meiner Schulter schüttelte. Mein steifer Nacken protestierte bei der ruckartigen Bewegung und ich bereute es bereits im Bus eingeschlafen zu sein.

„Miss?" Das Schütteln wurde stärker und ich spürte wie sich die Knoten in meinem Nacken noch weiter versteifen. Diese fünf Tage in einem Bus mit sehr wenig Schlaf hatten an meinen Nerven gezerrt und mein Körper kam an das Ende seiner Kräfte.

„Miss, wir sind an unserer Endstation angekommen. Sie müssen hier jetzt aussteigen." Vorsichtig hob ich meinen Kopf von dem kalten Fenster und öffnete langsam meine Augen. Zu meinem Erstaunen waren alle anderen Passagiere bereits ausgestiegen und niemand außer dem Busfahrer und mir war noch im Bus. Ich musste wirklich müde gewesen sein, um die Geräusche der aussteigenden Passagiere nicht gehört zu haben.

Der Busfahrer, der neben meinen Sitz stand, war ein älterer Mann, circa Ende 50. Seine Haare, sowie sein Bart waren von grauen Strähnen durchzogen. Seine dunkelblaues Hemd hatte Schweißränder unter den Armen und einen dunklen Flecken auf der linken Brusttasche. Kaffee, vermutete ich.

„Miss, Sie müssen jetzt wirklich Aussteigen" sagte er mit Nachdruck und ich könnte schwören, dass er langsam etwas genervt war. Also nickte ich nur kurz und fing dann an meine Sachen einzupacken. Man musste das Ganze hier ja nicht noch in die Länge ziehen. Der schwarze Rucksäcke, den ich nur mit den wichtigsten Sachen gefüllt hatte, war ziemlich leicht und ich machte mir wirklich Sorgen das ich nicht genug dabei haben könnte, um erstmal über die Runden zu kommen. Nachdem ich irgendwelche Überreste von Snacks in meinen Rucksack verstaut hatte nahm ich die zusammengeknüllte Sweatshirt-Jacke von meinen Schulter, die mir als Kissen gedient hatte, und zog sie mir über. Mit der Kapuze über meinem Gesicht zog ich meine alten dunklen Stiefel, die schon bessere Tage gesehen hatten, wieder an und schlang den Rucksack über meine Schulter. Ohne den Busfahrer anzusehen der mir ohnehin näher kam als es mir angenehm war, lief ich den schmalen Gang zwischen den Sitzen entlang, bis ich vorne am Bus angekommen war und ihn endlich zum letzten mal verlassen konnte. Fünf Tage in einem Bus war wirklich kein Zuckerschlecken. Es gab zwar war immer mal wieder Pausen zwischen durch, und die waren auch okay um mal seine Beine ausstrecken zu können.

Gut waren diese aber vor allem um mal eine richtige Toilette zu besuchen und nicht die Bustoiletten, die immer unschön aussahen und noch viel unschöner rochen. Wozu ich sagen musste, dass auch die meisten WC's am Highway nicht besser waren. Aber wirklich unangenehm waren die beiden Male, als ich nachts den Bus verlassen musste um umzusteigen und zwischendrin mehrere Stunden an Busbahnhöfen warten musste. Es gab mir zwar die Möglichkeit mich ein wenig frisch zu machen, aber nachts waren diese Busbahnhöfe nicht die besten Orte dafür. Also versuchte ich solange wie möglich in den Waschräumen zu bleiben, ohne das es auffiel dass ein Kabine dauerhaft besetzt war.

Als ich den ersten tiefen Atemzug frische Luft einatmete, fiel mir erstmal auf wie stickig es eigentlich in dem Bus gewesen war. Im gleichen Moment in dem ich mich freute endlich den Bus verlassen zu könne, packte mich auch die Angst was mich hier wohl erwarten würde. In den letzten Tagen hatte ich eine Menge Zeit darüber nachzudenken gehabt, was ich jetzt wohl machen würde.

Doch als ich jetzt hier draußen stand, da wurde mir klar: das war es jetzt. Der Neuanfang, den ich mir so sehnlichst gewünscht hatte. Für den ich quer durchs Land gereist war und mein ganzes Geld für ausgegeben hatte, mein ganzes Leben aufgegeben hatte. Hier war ich nun.

Fast wäre ich kurz stehen geblieben, hätte mich umgedreht und wäre wieder zurück zu meinem Sitzplatz gegangen und hatte gehoffte einfach weiter fahren zu können, bis mir eine Lösung zu all meinen Problemen einfach so in den Schoß fiel. Fast musste ich bei dem Gedanken lachen. Genau. Als ob mir jemals einfach so etwas in den Schoß fallen würde.

Holding on to youWo Geschichten leben. Entdecke jetzt