Zwölf

386 30 12
                                    

Der nächste Morgen war überraschend entspannt. Verá richtete mir aus, das die Vertreter, sowie das Königspaar, beschlossen haben mir Ruhe zu gönnen. So weckt mich Verá auch erst als die Sonne bereits über dem Schloss steht. Wir reden nicht miteinander. Ich habe nicht das Bedürfnis danach und sie respektiert das still, dafür schätze ich sie sehr. Ich weiß das sie noch nichts über die Leger Brüder heraus gefunden hat, denn das würde sie mir erzählen. Egal in welcher Verfassung ich bin.

Verá und ich blieben bis zum späten Mittag in meinem Gemach. Während ich ein Buch gelesen habe, putzte sie oder spielte stumm auf der Geige. Irgendwann sehe ich sie an meinem Tisch schreiben, sie hat eine angespannte Haltung als sie es sich selbst durchliest. Doch gerade als ich fragen will worum es sich handelt, klopft es an der Tür.

"Prinzessin? Prinz Jace bittet um einen Spaziergang." Timothys Stimme ist mir über die Wochen so vertraut geworden, das ich den Gedanken das er die ganze Zeit vor meiner Tür steht, kaum noch erschreckend finde. Verá schaut fragend zu mir und ich weiß nicht Recht was sie von mir erwartet. Möchte sie das ich gehe? In letzter Zeit habe ich das Gefühl, sie immer mehr zu verlieren und das gefällt mir gar nicht. Ich sollte mir mehr Zeit für sie nehmen, also Jace abweisen? Ich bin mir uneinig ob das ein kluger Schachzug wäre, schließlich hatte ich bisher nicht die Gelegenheit mit ihm zu reden. Genau genommen kenne ich nicht einmal wirklich den Klang seiner Stimme. Ich streiche durch meine offenen Haare und entschließe mich ihm seinen Wunsch zu gewähren, in wenigen Wochen ist er schließlich mein Gatte.

"Gebt mir einen Moment", fordere ich und erhebe mich dann von meinem Bett, auf dem ich eben noch friedlich gelesen habe. Verá legt ihren Brief umgedreht auf den Tisch und eilt zu mir, mit der Absicht mir etwas ins Ohr zu flüstern. Ich nicke darauf hin und verlasse dann elegant mein Gemach. "Prinzessin Scarlett Marie, ich entschuldige mich das ich Sie einfach so belästige, aber in Anbetracht unserer baldigen Hochzeit, würde ich gerne viel Zeit damit verbringen meine Königin kennen zu lernen.", charmant lächelt er mich an und bietet mir sogar seinen Arm an, nachdem er sich leicht verbeugt hat. Meine Gedanken unterscheiden sich deutlich von meinem lächelnden Gesicht. Ich bin nicht daran interessiert ihn kennen zu lernen, mein Interesse liegt allein bei Chris und das trotz unserer Auseinandersetzung gestern.

Wahrscheinlich ist es naiv zu glauben Chris und ich hätten eine Chance. Wir scheinen verflucht was diese Angelegenheit betrifft. Ich bin mir sicher das er meine Gefühle erwidert, doch jedesmal wenn wir uns Nahe kommen, funkt etwas dazwischen. Ob es die Tatsache ist das er mich quasi entführt hat, Tyler oder unser beider Stolz. Meine Zwangsheirat bildet nur den Höhepunkt.

"Ich freue mich, dass wir überhaupt die Möglichkeit haben uns kennen zu lernen.", antworte ich verbitterter als beabsichtigt. Doch seien wir mal ehrlich, das wir dafür Zeit haben ist nur ein Fehler bei der Planung unserer Hochzeit. Jace scheint etwas überrascht über meinen Tonfall, denn kurze Zeit ist er sprachlos.

"Ich kann verstehen das Euch die Nachricht, unserer Heirat, nicht erfreut hat", meint er sanft und betritt damit sehr dünnes Eis. Wenn er noch weiter geht droht es zu brechen, jedoch scheint er es nicht zu bemerken. "Da Ihr euer Herz kurz zuvor erst jemanden anderem zugesprochen hat, kann ich es verstehen, wenn Ihr Zeit braucht."

Meine Wut wächst stetig und ich frage mich wie er es sich einbilden kann so über meine Gefühle zu reden. Da wir mittlerweile den grünen Garten betreten haben, der völlig verlassen dar liegt, reiße ich mich nicht länger zusammen. "Hören Sie mir jetzt genau zu, Prinz. Sie haben nicht das Recht über meine Liebe zu urteilen, diese habe ich gar niemandem zugesprochen und ziehe es auch nicht in Erwägung! Der einzige Grund warum ich dieser Heirat nicht zugetan bin, ist die simple Tatsache das erneut über mein Leben bestimmt wird. Das zweite mal in Viel zu kurzer Zeit!"

Meine laute wütendende Stimme schallt über den leeren Garten, ich bin mir sicher das meine Augen vor Zorn funkeln, doch mit Sicherheit sagen kann ich es nicht. Kurze Zeit starre ich wütend in die Augen des Prinzens, aber dieser findet die vielen farbigen Blumen und die summenden Bienen an diesem sonnigen Nachmittag wohl deutlich interessanter. Ich raffe meinen Rock und will schon an ihm vorbei stapfen, da greift er sanft aber bestimmend nach meinem Handgelenk.

"Ich Bitte euch aufrichtig um Verzeihung, Prinzessin. Ihr habt in allem Recht. Ich kenne Euch viel zu wenig um derart über Euch urteilen zu können und ich kann Euren Zorn verstehen, zwar wird erst seid kurzem über mein Leben bestimmt, aber ich will mir nicht ausmalen wie es über ein ganzes Leben aussieht. Mein Respekt über Eure seelische Stärke wächst mit jeder Minute die ich mehr in diesem reichen Leben verbringe. Ich hoffe Ihr könnt meine Unerfahrenheit verzeihen." Als er endet lässt er mein Handgelenk los und eröffnet mir so die Chance meine Flucht fort zu setzten. Doch ich verspüre nicht mehr den Drang dazu. Seine Worte überraschen mich wirklich, denn sowas hätte ich mir nicht ausgemalt.

"Ich muss Sie um Verzeihung bitten, mir scheint ich habe Sie falsch eingeschätzt." Er lächelt mich schief an und schüttelt den Kopf. "Es gibt nichts zu verzeihen."
Ich neige respektvoll den Kopf und er tut es mir gleich, bevor ich mich wieder bei ihm unter hake und wir weiter durch den hellen Garten streichen. Eine Zeit lang reden wir nicht miteinander, aber es ist keine unangenehme Stille. Meine Gedankengänge nehmen die unterschiedlichsten Wege während ich den Garten in mir aufnehme und dabei wäre ein Gespräch nur störend.

Die vielen unterschiedlichen Blumen haben die verschiedensten Gerüche, sodass ich einen leichten Kopfschmerz bekomme, obwohl mich das gleichzeitig alles verzaubert. Im vorbei gehen berühre ich kurz mit den Fingerspitzen die Blüte einer Rose. Ich weiß nicht wann ich das letzte mal einen solch friedlichen Moment hatte. "Darf ich Euch eine persönliche Frage stellen?"

Ich hebe meinen Blick und schaue in Jace einzigartigen Augen. Leicht verträumt beobachte ich die unterschiedlich Farben und wie sie im Licht schimmern. "Ich weiß jedoch nicht ob ich antworten werde.", ist schließlich die Antwort auf seine Frage und er gibt sich mit einem strahlenden Lächlen als zufrieden.
"Gab es einen Moment an dem Ihr keine Prinzessin sein wolltet? Wo ihr weg laufen wolltet?"

Ich lache auf was mir einen Iritierten Blick einbringt. "Einen Moment? Es gab tausende! Und um so älter ich wurde umso mehr wurden es. Und wenn man es nicht so streng sieht, bin ich vorm Prinzessin-Sein geflohen."
Eine Zeit lang sagt er nichts, nur stehen geblieben ist er. Dann schleicht sich irgendwann ein leichtes grinsen auf seine Lippen.
"Eure Flucht scheint mir nicht erfolgreich verlaufen."
Ich denke kurz darüber nach: Verá wurde währenddessen entführt, ich habe mich unglücklich in Chris verliebt, Tyler verloren und bin letztendlich doch wieder in einem Schloss gelandet. "Nein, erfolgreich war ich sicher nicht."

-

Der Spaziergang war eine gute Entscheidung, auch wenn ich unsicher bin ob ich Liebesgefühle für Jace entwickeln kann, mögen tue ich ihn aber in jedem Fall. Als ich dann mein Gemach betrete springt Verá sofort vom Bett auf. Ihre Lippen zeigen ein wissenden Grinsen. Ich lege fragend den Kopf schief bis es mir aufgeht und ich sogar leicht in die Luft springe.
"Die Leger Brüder?", frage ich aufgeregt und sie nickt triumphierend: "Die Leger Brüder."

~ K

Unser FluchWo Geschichten leben. Entdecke jetzt