Siebzehn

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Zeit, wie soll man sie je wirklich einschätzen können? Verbringt man wunderschöne Momente so scheint sie zu rennen und du wünscht dir mehr Zeit. Doch in langweiligen oder gar schlimmen Momenten, hast du das Gefühl sie würde nicht voran gehen. Oder sowie jetzt, man hat überhaupt kein Zeitgefühl mehr. Ich kann kaum sagen ob wir Minuten oder sogar schon Stunden hier unten sind. Weiß nicht ob bereits der nächste Tag angebrochen ist oder wie lange wir hier bleiben. Jace habe ich das nicht gefragt, er wird mir keine zufriedenstellende Antwort geben. Wie auch? Er weiß ja genauso wenig wie ich ob der Kampf nach im Gange ist.

Jace. Er sitzt nicht mehr neben mir, schon lange nicht, zumindest so wie ich die Zeit einschätze. Denn erst lief er unruhig im Bunker auf und ab und fuhr jeden Stein an den kalten Wänden nach und nun, sitzt er vor einem alten Schreibtisch und lässt die Feder scheinbar übers Papier gleiten. Ein fettes Buch vor ihm, dass gefüllt werden muss. Vorhin hat er, ohne das ich eine Erklärung gefordert hatte, erzählt worum es sich dabei handelt. Jeder der hier Sicherheit sucht ist verpflichtet einzutragen welche Art von Bedrohung vor liegt, es geht dabei lediglich um Buch Führung. Aus einem vorherigen Eintrag, ca. Zwanzig Jahre alt, weiß ich das es noch schlimmer geht als jetzt. Er hatte dies vorgelesen um zumindest einige Sekunden lang die herrschende Stille zu brechen. Ablenkung war es kaum.

Ich liege auf der Matratze, die Jacke die Jace getragen hatte diente mir als Decke. Doch die Kälte die sich nach und nach in meine Knochen frisst hält sie kaum ab. Außerdem ist es sehr muffig hier drin, schlechte alte verbrauchte Luft die auch das Atmen erschwert. Aber es gibt Essen zum Überleben und viel wichtiger als Luxus ist momentan definitiv das Überleben. Noch nie habe ich so um mein Leben fürchten müssen, selbst damals nicht als ich vor meinem Vater floh. Dies scheint mir wie eine Ewigkeit her und nichts von meinen Plänen wurde wirklich wahr. Aber so wie es jetzt ist, ist es gut. Nur eine Sache, nimmt mich noch immer mit. Der Brief meiner Mutter der einfach verbrannte. Nie hatte ich die Chance ihn zu lesen, so viele Antworten brauche ich noch immer. Schon lange wollte ich meinen Vater finden, vielleicht hätte ich im Brief endlich einen Hinweis gehabt. So bleibt dieses Lebensziel wohl doch unerreicht.

"Scarlett?", ich drehe mich auf die recht Seite damit ich Jace besser ansehen kann. Gerade schlägt er das schwere Buch zu, Staub wirbelt auf. Das ich nichts sage scheint ihn zu verwirren denn er sagt erneut meinen Namen, dabei habe ich bereits auf folgendes von ihm gewartet. "Ja?", sage ich nun damit er endlich erzählt. Nun steht er auf und geht auf mich zu, setzt sich neben mich. Was möchte er? "Wir werden heiraten, gleich nachdem wir hier raus sind wird alles geplant. Sie werden kein Risiko mehr eingehen." Ich sehe ihn an, sofort? Seine Frage ob ich bereit wäre höre ich kaum. Ich werde den falschen Mann heiraten, auch wenn ich Chris mit diesem Flittchen gesehen habe gehört ihm mein Herz. Aber ich tue das ja für den Frieden, deswegen ist es meine Pflicht Jace zu heiraten. Doch werden wir denn wirklich den Krieg beenden nur weil wir uns gegenseitig das Eheversprechen geben? Ich wage es zu bezweifeln bin aber durchaus bereit es zu versuchen.

"Sag' bitte etwas..", antwortet Jace auf mein Schweigen und ich sehe wieder ihn an. Während meiner Gedanken ist mein Blick weg geglitten. "Ich denke es ist gut so.", aufschieben macht es auch nicht besser. Und umso länger ich bei Chris wohne umso schwerer wird es. Dann beziehe ich lieber mit Jace ein eigenes Schloss und vergesse alles was hier war, auch wenn ich mir wünsche das Verá dann dabei ist. Meine liebe Freundin, ich hoffe es geht ihr gut und sie ist heil angekommen, ohne Zwischenfälle. Ich konnte mich nicht mal verabschieden, was wenn ihr nun etwas zugestoßen ist?

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Jace hebt mich auf seine Arme als sich eine Tür öffnet und Wachen aus dem Schloss zu uns kommen, scheinbar erleichtert uns zu finden. Ich wäre durchaus in der Lage selbst zu gehen, doch Jace ließ mir gar keine Wahl. Es scheint er möchte einfach mal ein Gentleman sein. Und so gehen wir in Begleitung der Wachen zurück zum Schloss. Dieses war im inneren völlig zerstört. Vasen zerbrochen und Bilder herunter gerissen. Einige Tote lagen in den Fluren, der Angriff war noch heftiger als ich erwartet hatte. Und sofort kommt meine Angst um Chris wieder durch, schon muss ich mich bemühen still zu bleiben und nicht durch zu drehen. Doch zunehmend wurde es schwerer. Ich wurde zu Jace ins Gemach gebracht, niemand soll momentan allein sein. Unter normalen Umständen hätte ich sofort demonstriert, doch in Anbetracht der Situation und unserer bevorstehenden Hochzeit kommt es mir doch etwas albern vor. Mein Verlobter setzte mich aufs Bett und entschuldigte sich nur kurz um uns beiden etwas warmes zu trinken zu holen. Die Tür schließt sich und ich bin allein, wenn auch nicht lange denn Chris kommt herein. Ein Stein fällt mir vom Herzen und ich unterdrücke die Tränen der Erleichterung gekonnt. Auch er sieht deutlich entspannter aus als er mich sieht, doch vielleicht ist das Einbildung. Schließlich hat er doch eine neue Flamme.

Jetzt aber kniet er sich vor mich und nimmt meine Hände bevor ich es verhindern kann, ich meine nicht das ich es gewollt hätte, aber dennoch. "Wie geht es dir?", fragt er mich leise und der Geruch seines Parfums steigt mir in die Nase, er riecht fantastisch. "Gut.", Lüge ich da es ja offensichtlich ist. Darüber grinst er etwas und dann spüre ich seine Lippen auf meinen. Augenblick schmelze ich dahin und erwidere sanft, vergesse das er eine andere geküsst hat und vergesse das wir einander nicht lieben dürfen. Doch schließlich ist die Realität unvergesslichen und ich löse mich bestimmend. "Hör auf.", flüstere ich. Mein Herz rast und in meinem Bauch fliegen wohl Dutzende Schmetterlinge, doch ich schaffe es ernst zu klingen. "Womit aufhören? Es gefällt dir.", sagt er und sieht mich eindringlich an, so ist es unmöglich das zu leugnen. "Es ist falsch. Wir dürfen uns nicht lieben. Was immer das zwischen uns ist..", ich sehe ernst an und verberge meine Trauer und meinen Slebsthass, ziehe meine Hände aus seinen. "... es ist endgültig vorbei. Küss' mich nie wieder. Sieh mich nicht so an und--", doch weiter kam ich gar nicht da er mich leidenschaftlich und drängend küsste. Nur kurz, denn dann zog er sich vollständig zurück und steht auf. "Ich liebe dich, Scarlett." Sprachlos sehe ich ihm nach als er mit hastigen Schritten das Zimmer verlässt und die Tür zuknallt.
"Ich liebe dich auch, Chris.", flüstere ich in die Stille. "Immer."

~ K

Unser FluchWo Geschichten leben. Entdecke jetzt