Achtzehn

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Die letzten Tagen scheinen im Rückblick nur ein Wimpernschlag. Denn schon am ersten Tag nach dem Angriff wurde das Schloss wieder hergestellt und alle Verletzten versorgt. Am Tag darauf wurde alles für die große Hochzeit geplant und Eilbriefe wurden verschickt. Und heute? Heute ist es schon so weit. Gerade jetzt stehe ich in meinem Brautkleid auf einem Hocker, um mich herum Schneiderinnen die mein Kleid perfektionieren und anpassen. Ich komme mir vor wie eine Puppe in dem ganzen Tüll um mich herum. Meine Gedanken sind das reine Chaos und wirbeln nur so in meinem Kopf herum, es ist als könnten sie sich nicht bündeln und würden keinen Gedanken zu Ende führen können. Es ist ein bisschen so, als wäre ich in einer Blase und alles was um mich geschieht, erreicht mich kaum.

"Scarlett?", ich sehe hoch als der König persönlich durch die Tür kommt und meine gedankliche Blase platzt. Ich lächle, dieses mal nicht aus stumpfer Höflichkeit sondern einfach freundlich, er war mir schon immer sympathisch. "Es ist schade wie das Schicksal sich gewendet hat, du hast meinen Sohn zu einem besseren Menschen gemacht. Es ist beeindruckend welche Macht ihr Frauen über uns Männer habt", in diesem Moment ist er nur wieder der alte freundliche Mann der es schafft zu scherzen und nicht der mächtige König. In diesem Moment fühlt es sich an, als wäre er hier um einen väterlichen Rat zu geben oder mich aufzubauen und dafür bin ich ihm dankbar. Ich lächle leicht über seine Worte, ich wünschte ich hätte diese Macht von der er spricht. Dann würde ich dafür sorgen das Chris mich entführt. Ich weiß das es meine Pflicht ist, Jace zu heiraten, aber meine Träume sehen eben ganz anders aus. In diesem sitze ich hinter Chris auf einem Pferd und halte ihn fest umklammert, während hinter uns das Schloss immer kleiner wird. Nur wird es so nicht kommen, bald bin ich die mächtigste Königin in diesem Land, die mir nichts als Leid zu bescheren scheint.

Denn trotz dieser Macht ist mein Traum nur ein Wolke, unerreichbar und nicht zu greifen. Chris hat die letzten Tage mit einer Adelstochter verbracht. Oft genug hörte ich ihn lachend und flirtend vor meinem Gemach vorbei laufen. Und das Schlimmste daran war, das ich nicht das geringste Recht hatte ihn zu stoppen und die Frau fort zu jagen. Einmal hatte ich die Türklinke schon in den Hand, aber was hätte es geändert? Ich hätte mich lächerlich gemacht und wäre eine Volksverräterin geworden.
Der König, der mein mitgenommenes Gesicht wohl bemerkt hatte, sieht mich mitfühlend an. Schnell wende ich den Blick ab, er weiß genauso gut wie ich, dass ich mir Liebeskummer heute sicher nicht erlauben darf. Genauer gesagt darf ich mir das nie wieder erlauben. Ich schaue wieder in den Spiegel und der König erzählt mir vom geplanten Ablauf. Ich kann nicht verleugnen das ich mir insgeheim wünsche das etwas dazwischen kommt. Ein Angriff, eine Kriegserklärung. In diesem Moment wäre nichts so schlimm wie die bevorstehende Hochzeit.

Innerlich schwöre ich mir, das mein Kind es besser haben wird. Eine Hochzeit aus Liebe und Verantwortung nur so viel, wie es verträgt. Das war zumindest das was ich mir stetig gewünscht habe. Würde ich aus Liebe heiraten, würde da ein anderer Mann am Altar warten und meine Verantwortung wäre geringfügiger als das was mir bald bevorsteht. "Fertig. Sie sehen wunderschön aus", sagt die älteste Schneiderin und bewundert mich in dem weißem Kleid. Ich sehe in den Spiegel, ich sehe wirklich hübscher aus als sonst, weiß ist definitiv eine Farbe die mir steht. Das Kleid ist vorteilhaft geschnitten, betont was schön an mir ist und kaschiert was nicht schön genug ist. Die feinen Applikationen sind ein Traum und ich sollte die Schneiderin loben und vor Freude weinen. Und zum Heulen ist das ganze auch, nur nicht aus Vorfreude, sondern aus Verzweiflung. Ich möchte das hier beenden, mir höchstdramatisch das Kleid vom Leib brenne und wegrennen, doch ich werde es nicht tun. Ich lächle mein Spiegelbild an und stelle fest, wie überzeugend es wirkt, dann schaffe ich diesen Tag wohl auch, ohne das jemand merkt, wie mir das Herz zerbricht. "Das haben Sie wundervoll hinbekommen", lobe ich die Schneiderin und merke wie sehr ihr meine Aufmerksamkeit zu Kopf steigt. Der König führt mich durch den Raum und bewundert dabei wie mein Kleid im unterschiedlichen Licht zur Geltung kommt. Dann lässt er mich stehen und eilt davon.

Unser FluchWo Geschichten leben. Entdecke jetzt