Sein Mädchen?

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Ich öffnete vorsichtig die Pizzaschachtel, welche mir Ben liebevoll auf den Schoß gelegt hatte, während er seine eigene Schachtel öffnete.

Er musste gespürt haben, dass ich eine eigen Pizza bevorzugte, oder er war einfach typisch unromantisch, was das Thema Essen anging.

Ich schob mir ein Stück Pizza zwischen die Zähne. Das war sogar besser so, denn ich gab nie gern Essen ab, schon gar nicht Pizza.

Ben hatte meinen Wunsch, den ich nicht mal geäußert hatte, einfach erfüllt.
Wie von den Lippen abgelesen.
Eine perfekte Grundlage für eine Beziehung.

Warte, kam mir gerade, der Gedanke, dass Ben ein potenzieller Freund für mich war?

Ich hörte sofort mit dem Kauen meiner Pizza auf.

"Stimmt was nicht?", fragte er und legte sein Stück Pizza ab.

Die Pizza schmeckte irgendwie seltsam.

Oder war es der Gedanke, mit Ben eine Beziehung zu führen? Oder, dass ich eigentlich mal in Julian "verliebt" war?
Oder, dass Julian Bens bester Freund war und gar nicht wusste, welches Drama sich kurz vor unserem Kennenlernen abspielte?

Mein Kopf explodierte.

"Sorry, ich muss kurz auf die Toilette."
Ich legte super schnell die Pizzaschachtel beiseite, stand auf und ging mit schnellen Schritten, ins Bad, wo ich mich ersteinmal einschloss.

Musste ich mich übergeben?
Schon hing ich über der Toilette.

Jap- ich musste mich übergeben.

"November? Alles okay?"
Ben war an die Badezimmertür gekommen und klopfte.
Doch ich brachte kein Wort heraus.
"Hast du dich übergeben?"
Wieder gab ich keine Antwort.
"November...?"
"Ja."
Ich schleppte mich zur Tür und öffnete sie.
"November du bist leichenblass."
"Tut mir leid. Ich verderbe das ganze Date."
"November solang du hier bei mir bist, bin ich schon glücklich, verstehst du das?"

Ich lächelte.
Klar verstand ich ihn, sehr gut sogar.

"Ich fahr dich heim oder? Du bist total krank.", stellter er fest, als er eine Hand an meine Stirn legte.

Ich hasse mich und meine dumme Anfälligkeit für Krankheiten.

"Ich will nicht.", meinte ich und bereute einerseits meine Aussage sofort, da sie unheimlich egoistisch war, andererseits zeigte ich ihm, irgendwie, dass mir nichts peinlich vor ihm war.

Bei Julian, wäre ich heim gefahren.
Julian hätte mich nur wieder nervig genannt.

Ich knischte mit den Zähnen.

"Erlaubt dir dein Vater hier zu schlafen?"
"Hm... Vielleicht. Ich sollte ihm lieber sagen, dass ich bei meiner besten Freundin übernachte. Ashley heißt sie. Könntest du sie anschreiben, oder sogar anrufen? Ich will jetzt nicht telefonieren..."

Er nahm meine Hand in seine, drückte sie kurz und fragte nach meinem Handy.
Ohne zu zögern gab ich es ihm und sagte ihm, dass er auch meinen Vater anschreiben soll.

"Du kannst übrigens bei mir schlafen, wenn du willst."
Ich nickte und ließ mich in sein Bett fallen.
Allein der Gedanke an ihn, gab mir ein mollig warmes Gefühl im Bauch.

Doch Julian zerstörte solche Momente, er brachte mich einfach durcheinander. Wieso musste ich ständig an ihn denken?

Ich stellte mir diese Frage immer und immer wieder und kam einfach nicht auf den Grund.
Liebe, war es nicht. Das konnte nicht sein.
Wenn überhaupt Hassliebe.

Traurig schaute ich aus dem Fenster neben Bens Bett.
Ich wollte Julian einfach nur hassen. Doch jedes Mal, wenn ich ihn sah, oder an ihn dachte tauchten vor mir die Momente auf, in denen wir uns küssten, beziehungsweise er mich.

Eigentlich war ich Schuld. Ich hatte ihn angeschrien, ihm eine Szene gemacht. Er hat nur daraut reagiert, wenn auch ziemlich unpassend, wie ich finde.
Aber es ging stets nach dem Prinzip 'Aktion => Reaktion'.

Und Ben? Ben liebte mich wirklich. Das spürte ich. Aber liebte ich ihn auch? Ich meine, ich wollte ihn küssen, wirklich. Aber, eher um mir selbst weniger zu schaden, denn Julian zerstört mich. Er behandelt mich nicht gut. Er hasst mich, was nützt mir meine Liebe zu ihm? Ben trug mich auf Händen. Hält mich fest, wiegt mich in Sicherheit.
Egal wie ich es drehe, Ben hat bessere Karten und mit ihm konnte ich mir tatsächlich meinen Alltag vorstellen. Mit Julian... irgendwie nicht.

"Ich komm gleich zu dir.", sagte er mit ruhiger Stimme und tippte auf meinem Handy eine Nachricht.

Jap, Ben war definitiv, das was ich gerade brauchte.

~

Es war zirka 1:10 Uhr als ich aufwachte und feststellte, dass ich eingekuschelt in Bens Armen lag. Ich wand meinen Kopf um nach meinem Handy zu suchen, welches er nach dem er fertig war auf sein Nachtschränkchen neben seinem Bett abgelegt hatte.
Ich bewegte mich ein bisschen um mein Handy zu greifen und schaute nach Nachrichten.
Eine von Papa.
"Macht euch einen gemütlichen Abend du und Ashley. Ich erwarte dich dann morgen zum Mittagessen. Kuss Papa"

Ben hatte meinen Vater, also so wie gewollt angelogen. Ich atmete zufrieden ein und legte mein Handy wieder weg um mich wieder ordentlich in Bens Arme einzukuscheln.

"November...?", ertönte Bens verschlafene Stimme in meinem Ohr.
Sein Atem, kitzelte leicht in meinem Nacken, was zu meiner Überraschung, unheimlich angenehm war.
Ich schüttelte den Kopf leicht um ihm mitzuteilen, dass er wieder schlafen konnte doch er flüsterte etwas ganz leise in mein Ohr:
"Bist du mein Mädchen?"
Ich nickte.
"Ich bin dein Mädchen."
Und ich meinte es auch so.
Zumindest für diesen Augenblick, ich wusste nicht wie lang unsere Beziehung halten würde, doch fürs erste war ich mit meiner Entscheidung glücklick.

Ich war Bens Mädchen.

Am Morgen danach fühlte ich mich wie ein neuer Mensch. Total ausgeruht, zufrieden und ich glaube sogar gesund.

Es duftete nach Spiegeleiern!

Mein Essens-Peilsender war geweckt worden und wie ein Zombie stand ich auf um dem Geruch nachzugehen, doch ohne drauf zu achten wem ich begegnen konnte, prallte ich gegen einen Mann, und nein, es war nicht Ben.

Leicht verängstigt und auch ein bisschen beschämt schaute ich nach oben in ein älteres Gesicht, was Ben ziemlich ähnlich sah und sofort erkannte ich ihn wieder. Er war auf einem von Bens Fotos. Es war sein Vater.

Ich war einfach so in Bens Vater reingelaufen, in einem mir viel zu großen T-Shirt, ohne Hose.

Ich hab schon echt Glück, hm.

"Entschuldigung.", piepste ich leise und wollte schon wieder Rückwärts in Bens Zimmer verschwinden, als Ben uns entgegen kam.

"Oh, eh ja. November, das ist mein Vater."

Ich verzog mein Gesicht zu einem Lächeln und schüttelte Bens Vater die Hand. Anschließend warf ich Ben verzweifelte Blicke zu, der mir aber ebenfalls nur total überforderte und verzweifelte Blicke zurück gab.

"Freut mich dich kennenzulernen..."

Wie war das? Bens Eltern sind aus? Wieo steh ich dann halb nackt vor Bens Vater?



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