Elvira (X)

4.3K 172 106
                                    

Ich wache auf dem kühlen Boden auf, ziehe meine Beine an, zittere stark, spüre noch die Schmerzen von gestern. Mein Gesicht ist verklebt, wegen den Tränen und meiner eigenen Spucke, die sich hinausgewagt haben. Außerdem ist alles angeschwollen. Meine Augen kriege ich schwer auf. Immer und immer wieder fallen sie zu. Irgendwann gebe ich es auf und lasse mich von der Dunkelheit umhüllen. Ich kann meinen Körper nicht bewegen, da ich sonst zu zerbrechen drohe. Alles schmerzt gigantisch und schon wieder kommen mir die Tränen. Ich will schreien, aber es kommt kein einziger Ton aus meiner Kehle hinaus. Ich bin gebrochen.

Er hat einfach nicht aufgehört. Seine Hände waren wie so oft an meinem Hals und bestrafen mich. Schon daran zu denken, bringt mich zum Schwitzen. Mein Körper reagiert heftig auf ihn, nicht nur positiv. Er hat so viel Macht über mich. Er kontrolliert und beherrscht mich regelrecht. Ich bin sein Spielzeug, sein Sklave.

Diese Aktion hat mir gezeigt, dass ich ihn zwar liebe, aber genauso hasse wie die Pest. Wie konnte er es tun? Wie konnte er mir so viele Schmerzen zufügen, wenn er mich angeblich liebt? Wie kann er solche Dinge zu mir sagen und dann erwarten, dass ich ihm noch ins Gesicht blicke? Das funktioniert nicht. Ich habe auch Gefühle. Ich bin ein Mensch. Warum tut er das alles?

Er hat mir die Luft zusammengeschnürt. Fast habe ich die andere unbekannte Seite kennengelernt. Den Tod. Wie kann er so leicht mit dem menschlichen Leben umgehen? Ich habe Mitspracherecht, was mit mir geschieht. Keiner hat das Recht, mir das Leben zu nehmen, mich zu zerstören. Ich habe ihn doch auch nie so angefasst. Ich habe nicht mit seinem Leben gespielt und ihn körperlich verletzt.

Wir können keine Beziehung führen, wenn es so zwischen uns läuft. Es ist unmöglich. Ich kann nicht leben, wenn ich weiß, dass ich nicht die Einzige für ihn bin. Ich werde es nicht ertragen. Lieber würde ich sterben oder das Weite suchen, anstatt bei ihm zu sein und jeden Tag das Gesicht einer anderen Frau zu sehen, die sich mit Andre vergnügt. Das schaffe ich einfach nicht. Dazu bin ich zu schwach...

Er lebt in einer Scheinwelt und in diese will ich nicht hineingeraten.  Ich muss weg, aber gleichzeitig kann ich es nicht. Mein Herz will ihn, mein Körper kann nur mit ihm funktionieren. Ich brauche ihn. Meine Gedanken kreisen um ihn, meine Seele fühlt sich mit ihm verbunden, mein Körper sehnt sich nach ihm. Er kann mich nicht verlassen. Ich ertrage ein Leben ohne ihn nicht. Wie soll ich es ohne ihn schaffen?

Dennoch muss ich aufpassen und die Risiken genau betrachten. Das ist keine richtige Liebe, oder? Ich wollte ihm eine Chance geben, aber so geht es nicht mehr weiter. Warum bricht er mir das Herz, wenn ich gerade dabei bin, ihm zu vertrauen? Warum muss er mir wehtun? Warum hat er so eine Persönlichkeit? Kann er nicht normal sein? Andre soll mich nicht wie Dreck behandeln. Er soll mich  respektieren, mich richtig lieben.

Ich öffne meine Augen, sehe grelles Licht, aber dann erkenne ich eine Gestalt vor mir, die mich liebevoll anlächelt. Andre. Vergessen ist alles, was geschehen ist. Er ist die Liebe meines Lebens. Ich brauche ihn, genau wie er mich braucht. Wir gehören zusammen. Wir sind Eins.

Er bringt mich hinaus, ich denke, weil er sich entschuldigen will. Zuvor im Haus hat er mir jedoch wieder gedroht, dass ich keinen Unsinn bauen soll. Natürlich habe ich ihm versichert, dass ich nichts tun werde und ihm brav folgen werde. So will er es doch.

Wir laufen durch die Straßen, in denen es von vielen Menschen wimmelt. Es fühlt sich toll an, wieder unter anderen Leuten zu sein. Es ist etwas anderes. Ich fühle mich lebendiger und frei. Ich lebe nach so langem wieder. Es ist schön, während des Laufens seine Hand zu halten. Er späht oft zu mir herüber, zwinkert mir zu und gibt mir das größte Lächeln überhaupt. Es wärmt mein Herz. Es fühlt sich großartig an.

Langsam erkenne ich die Gegend und wohin wir gehen wollen. Die Klingel ertönt im Geschäft und wir laufen zu einem freien Tisch am Fenster. Mein Lieblingscafé. Ich freue mich, dass wir hier sind. Das ist eine tolle Überraschung. Andre sieht meine Freude und beugt sich zu mir, um mich dann in einen fesselnden Kuss zu ziehen. Ich schäme mich und werde rot, da auch andere Menschen hier sind und uns bestimmt gesehen haben. Ich werfe ihm scheue Blicke zu und lächle leicht. Es ist mir vor den anderen Kunden peinlich. Was sie wohl von uns denken?

UnheilWo Geschichten leben. Entdecke jetzt