6 - schlaflose Nächte

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Es sind die Augen, die den Einblick in unsere Seele, unsere Gefühle und Emotionen, preisgeben.

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Phoebe

Man denkt immer, dass es solche Freundschaften nicht gäbe – zusammen das Bett teilen, die Zeit gemeinsam verbringen und sich nahe sein, ohne darin mehr zu sehen.
Aber doch, die gab es. Denn wenn man von klein auf aneinander gewöhnt war, konnte man ohne diese Person nicht mehr.
Als Kinder sehen wir diese Dinge nicht so ernst, sehen es mit unseren Augen anders, als Erwachsene. Wir genießen einfach alles ohne Bedenken. Dadurch entsteht diese Gewohnheit und Verbindung zu einem Menschen viel schneller und einfacher – bei mir war dieser Mensch Elliot.
Als wir noch klein waren, spielten wir jeden Tag zusammen, er beschützte mich oder tröstete mich, schlief bei mir oder ich bei ihm. Statt bei den Eltern im Bett zu schlafen, wenn man angst hatte oder nicht allein sein wollte, schliefen wir halt zusammen in einem Bett und gaben uns die gewünschte Nähe, damit man sich geborgen fühlte.
So war es bis heute noch, denn sobald der andere nicht da war, fühlte man sich leer. Schließlich waren zwanzig Jahre eine lange Zeit. Viele Menschen gewöhnten sich bereits in Monaten an einen anderen Menschen, wodurch diese Zahl mehr als nur eine Zahl war– sie war unser Leben.
Also ja, es gibt solche Freundschaften. Und deswegen tat dieser Moment so schrecklich weh, als ich ohne Elliot zum ersten Mal einschlafen musste, obwohl ich wusste, dass er genau gegenüber von mir war – ebenso allein.
Er fehlte mir, seine Wärme und Nähe fehlte mir, mein Gute Nacht Kuss fehlte mir sowie seine Arme, die mich jede Nacht festhielten. Insgesamt fehlte mir sein vertrauter Körper, der mich jede Nacht beruhigte.
Seufzend und mit den Gedanken bei ihm, drehte ich mich auf die leere Seite und verfluchte Elliot innerlich, dass er sich wie ein Arschloch verhielt. Seit Tagen war er launisch und ließ das seine Mitmenschen spüren. Keine Ahnung wieso, nur war es so, und ich würde das nicht mitmachen, auch wenn ich ihn mir gerade hier her wünschte.
Als in diesem Moment mein Handy summte, wusste ich, dass er es war und griff sofort danach, ehe ich seine Nachricht öffnete:

Kann nicht schlafen.

Ich entschied mich dazu, ihm nicht zu antworten und so zu tun, als würde ich schlafen, was allerdings nur dazu führte, dass er erneut schrieb:

Ich weiß, dass du es auch nicht kannst, Babe.

Grummelnd biss ich mir auf die Lippe, weil ich einfach nicht lächeln wollte.

Komm schon, Phoebe, antworte mir.

Nun grinste ich doch, da ich wusste, wie sehr ihn das störte. Aber das geschah ihm recht, schließlich war er ja die letzten Tage derjenige, der sich so komisch verhielt – also, durfte ich das jetzt auch.

...?

Lachend verdrehte ich die Augen und schrieb ihm kurz und knapp zurück, dass er mich endlich schlafen lassen sollte, da ich es im Gegensatz zu ihm könnte – Lüge!

Du lügst!

Verdammt.

Ich komme jetzt rüber, mir egal was du sagst. Ich brauche meinen Schlaf.

Hektisch sprang ich daraufhin aus dem Bett, rannte durch die Wohnung, stieß mir dabei gefühlte hundert Male den Fuß irgendwo an, als ich schon das Schloss hörte und Elliot vor mir stehen sah. Ruckartig stoppte ich in meiner Bewegung.
»Ich dachte du schläfst«, meinte er grinsend.
»Ja, bis du mich geweckt hast!«
Lachend schüttelte er den Kopf. »Bestimmt nicht, außerdem, was machst du hier im Flur?«
»Ich wollte den Schlüssel ins Schloss stecken, damit du nicht rein kommst.«
Mit großen Augen starrte er mich an, ehe sich sein Gesichtsausdruck änderte, und ich diesen noch nicht kannte. »Ich meinte... ich...«
»Soll ich gehen, Phoebe?«, fragte Elliot plötzlich ernst, wodurch ich zu Boden schaute und den Kopf schüttelte. »Nein.«
Er nickte und lief an mir vorbei, geradewegs in mein Zimmer, zog sich anschließend vor meinem Bett aus. Ich sah ihm dabei zu und musterte seine Tattoos, die Muskeln sowie die breiten Schultern, und errötete ein wenig, als Elliot mich dabei erwischte. Er lag bereits im Bett, schaute abwartend zu mir, sodass ich zu ihm tapste und vor dem Bett stehen blieb. Langsam wanderte sein Blick an mir herauf, musterte jeden kleinen Makel an mir, ehe sein Blick den meinen traf. Abermals stieg mir die Röte ins Gesicht und aus welchem Grund auch immer, fühlte ich mich in diesem Moment unbehaglich. Irgendwie versuchte ich diese Tatsache mit einem Lächeln zu überspielen, worauf Elliot eine Braue hob, und ich das tat, was ich immer tat - ich quälte ihn, machte einen Satz und ließ mich auf ihn fallen. Zischend stieß er die Luft aus. »Verdammt, Phoebe!«
Ich lachte. »Sorry, aber das musste sein, wenigstens das hast du verdient«, kicherte ich immer noch und wurde abrupt herumgedreht. Erschrocken quiekte ich auf und sah atemlos zu Elliot hinauf, der sich über mich beugte und mich mit seinen funkelnden Augen fixierte. Mit hämmerndem Herzen schluckte ich einmal schwer und bemerkte wie mein Grinsen erstarb, als mir auch schon auffiel, wie nahe wir uns gerade waren.
»Tut mir leid, dass ich die Tage so schlechte Laune hatte«, raunte er leise und sah mich dabei immer noch unverwandt an. Ich nickte zaghaft und zuckte innerlich zusammen, als er sich plötzlich zu mir hinunter beugte. Prompt beschleunigte sich mein Puls und mein Herz machte einen unsicheren Hüpfer, bevor ich seine weichen Lippen schon auf meiner Stirn spürte. Wie erstarrt, schloss ich die Lider, atmete automatisch seinen Geruch ein und bekam eine prickelnde Gänsehaut. Sogleich richtete Elliot sich schon wieder auf und legte sich zurück ins Kissen, zog mich an sich und schlang die Arme um mich.
Mit einem angenehmen Gefühl im Bauch legte ich mich auf seine Brust, worunter ich das schnell schlagende Herz hörte und die warme Haut an meiner spürte. Es war ein vertrautes Gefühl, das mich beruhigte und ich mich irgendwann wieder entspannen konnte.
»Ich konnte auch nicht schlafen«, gab ich dann leise zu, was Elliot lachen ließ. »Ich weiß, Babe.«
Schmunzelnd kuschelte ich mich enger an ihn und schlang mein Bein um seines. »Willst du mir jetzt vielleicht sagen, wieso du so mies drauf warst?«
Er holte einmal Luft und verneinte es. »Ein anderes Mal, jetzt will ich einfach nur schlafen.«
»Okay, damit kann ich leben.« Und wie ich damit leben konnte, denn schließlich hatte ich meine Kuschelecke wieder und konnte zufrieden einschlafen.

till the Death - gemeinsam krank, gemeinsam sterbenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt