23 - never give up

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Ich habe mit Dämonen gekämpft, die mich nicht schlafen lassen. Und ich werde nicht zulassen, dass sie mich unterdrücken
Ich werde wieder aufstehen, wenn ich am Boden bin.
Ich werde einen Weg finden, meinen Weg nach Hause finden.
Und ich werde niemals aufgeben, nein –
Sia, nevergive up (siehe oben)

>>> ich wechsle hier öfters die Sichten, um die Gefühle klarer zu machen.

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Phoebe

Als ich wach wurde, brauchte ich einige Sekunden, um mich zu orientieren. Sobald ich registriert hatte, dass ich in einem Krankenhaus lag, fiel mir die letzte Nacht wieder ein und Panik wallte in mir auf. Ich hatte keine Luft mehr bekommen und unter anderem solch Schmerzen beim Husten gehabt, dass mir die Tränen kamen und die Panik immer mehr wurde – besonders dann, als ich das Blut gesehen hatte. Doch was bedeutete das? Wieso kam das so plötzlich? Warum war es so stark gewesen, dass mir die Lunge und der komplette Brustkorb so wehgetan hatte?
Ich runzelte die Stirn und richtete mich etwas im Bett auf, blickte mich um und betrachtete die Schläuche und die Monitore, fasste den Schlauch an meiner Nase an und spürte, wie ich zu zittern anfing.
»Phoebe?«
Erschrocken wandte ich mich zur Seite und entdeckte Elliot um eine Ecke kommen. Er sah völlig fertig aus; hatte dunkle Ringe unter den geröteten Augen, war blass und wirkte total müde.
Er kam auf mich zu und nahm meine zitternde Hand in seine, musterte mich und setzte sich auf die Bettkante. »Wie geht es dir?«
Ich runzelte die Stirn noch mehr. »Ich weiß es nicht genau«, murmelte ich irritiert, denn das Ganze verwirrte mich so sehr. »El, was ist passiert? Wieso die ganzen Schläuche?« Ich sah die ganzen Nadeln in mir an, dann wieder Elliot. Er seufzte schwer, und mir wurde umgehend schlecht. »Elliot?«
»Dir ging es nicht gut, Babe, deshalb haben wir den Krankenwagen gerufen«, erklärte er, woraufhin ich nickte. Daran konnte ich mich noch erinnern. »Und dann?«
»Phoebe ...« Er hielt inne und betrachtete mich mit wehleidiger Miene. »Unsere Eltern sind auch hier – lass uns am besten auf sie warten, ja?«
Ich fixierte ihn und wusste, dass er mir etwas verheimlichte. »El«, hauchte ich traurig. »Wieso sagst du mir nicht, was los ist?«
Er schüttelte den Kopf, bevor er ihn abwandte und sich auf die Lippe biss. Dann hörte ich, wie er bebend Luft holte und erkannte auch die Tränen in seinen Augenwinkeln. Ich schluckte schwer und verspürte selbst Tränen hinter meinen Lidern brennen. »El?«, krächzte ich.
Elliot sah mich an, während ihm eine Träne über die Wange rollte. »Ich ... ich kann es dir nicht sagen, Phoebe. Bitte mich nicht drum.«
»Warum nicht, verdammt?«, schrie ich schluchzend und spürte die Angst in mir aufsteigen.
»Weil ich nicht kann. Weil ich es nicht aussprechen kann«, flüsterte er, und ich stieß ein leises Keuchen aus. Es musste schlimm sein und ich hatte keine Ahnung, wie schlimmes war oder was es war.
Elliot sah mich schweigend an und zog mich plötzlich an sich, umarmte mich fest und presste seine Lippen auf mein Haar. Ich krallte mich unwillkürlich an ihm fest und fing aus Angst an zu weinen – aus Angst, was mit mir los ist, was man mir sagen wird und davor, dass es mich so sehr erschüttern wird, dass ich darunter zusammenbreche.

Elliot

Ich konnte es ihr nicht sagen, selbst dann, wenn sie mich darum gebeten hätte. Ich konnte es nicht aussprechen, wollte es nicht wahr haben und auch nicht derjenige sein, der ihre Welt zum Einsturz brächte. Ihre Angst stand ihr in den Augen, die Verunsicherung flackerte dahinter und die Panik war ihr ins Gesicht geschrieben – und mir ging es nicht anders. Ich hatte Angst, dass wir es nicht schaffen würden ... dass Phoebe es nicht schaffen würde.
Panik davor, dass ich sie verlieren würde.
Verunsicherung, wie ich mit allem umgehen sollte – sollte ich trauern? Sollte ich ihr Gutes einreden? Sollte ich ausrasten, weil mich der Druck innerlich zerfraß?
Doch nichts von dem tat ich. Ich saß bei ihr, hielt sie in den Armen, schwieg und weinte. Weinte um sie, um uns und um die Umstände.
HIV und Krebs. Umstände, die kein Mensch erleben sollte.
»El?«, wisperte sie, und ich sah zu ihr hinunter, trocknete ihre Wangen und sah sie an. »Sag mir nur, dass wir es gemeinsam schaffen werden, egal was es ist.«
Ich schluckte mühsam gegen den dicken Kloß in meiner Kehle an. Wie sollte ich ihr das sagen, wenn ich doch selbst nicht wusste, ob wir es diesmal schaffen? Wie konnte ich die Hoffnung in ihrem Blick zerstören, ohne sie nicht auch anzulügen?
»Das werden wir, Babe«, sagte ich leise und gab ihr einen Kuss auf die trockenen Lippen. Sie seufzte wohlig und schmiegte sich an mich, sodass es einen Moment lang so wirkte, als wäre alles in Ordnung. Doch die Realität sah anders aus.
Die Tür wurde geöffnet und unsere Eltern kamen mit Kaffee und Sandwiches herein, während ich mich von Phoebe löste und zu meiner Mum schaute. Sie war ebenso müde wie wir alle – niemand hatte richtig geschlafen, jeder war hier geblieben und hatte darauf gewartet, dass Phoebe wach werden würde. Alle hatten gehofft, dass es ihr wieder gut ginge, aber niemand hatte daran gedacht, wer es ihr sagen würde ...
»Phoebe!«, rief Olivia erfreut, stürmte auf ihre Tochter zu und nahm sie in eine innige Umarmung. »Wie geht es dir, Schätzchen?«
Phoebe zuckte die Achseln. »Soweit ganz gut, bloß tun mir die Rippen weh und dass ich verwirrt bin – Mum, was ist los? Wieso haben mich die Ärzte hier behalten?«
Daraufhin sah Olivia zu Anthony. Beide brauchten eine Sekunde, bis sie Phoebe wieder ansahen und man die Sorge in deren Gesichtern erkennen konnte.
Nun würde Phoebe es erfahren und mir würde erneut bewusst werden, in welch einer Lage wir steckten.
»Schätzchen ...«, begann Olivia, ehe ihre Stimme brach und Anthony zu seiner Tochter herantrat. »Die Ärzte haben gestern einige Untersuchungen gemacht und dabei sind ihnen Flecken auf deiner Lunge aufgefallen ... Sie haben weitere Untersuchungen gemacht, bei denen sie festgestellt haben, dass du ...« Er stoppte, als Phoebe aufkeuchte und uns alle geschockt ansah. Ich biss die Zähne zusammen und spürte, wie mein Herz in dem Moment zersprang, als ihr Dad weitersprach. »Du hast Lungenkrebs im fortgeschrittenem Stadium«, sagte Antohny heiser und kämpfte selbst mit der Beherrschung, damit er nicht vor seiner Tochter zusammenbrechen würde, so wie Olivia, die neben ihm in Tränen ausbrach.
Selbst meine Eltern weinten leise im Hintergrund, da unsere Familien schon immer eine Verbindung hatten, die uns zusammenhielt – das eine Kind war für die andere Familie wie das eigene Kind.
»Nein«, stieß Phoebe krächzend hervor. Sie schüttelte den Kopf und weinte dabei immer lauter. »Nein«, wiederholte sie und sah mich an, als würde ich ihr etwas anderes sagen können. Doch das konnte ich nicht, weshalb ich mit verschwommener Sicht den Blick senkte und ihre Hand in meine nahm. Phoebe zitterte und schluchzte auf – ein Geräusch, das mir unter die Haut ging und meine Brust zerriss.

till the Death - gemeinsam krank, gemeinsam sterbenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt