24 - Grenzen und Zeiten

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Du bist das Leben in meinem Körper. Der Atem in meinen Lungen. Die Freude in meinem Lachen. Und die Lieben in meinem Herzen.
Wie soll ich also ohne all das Leben? Ohne Glaube, ohne Hoffnung. Ohne dich?

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Elliot

Ich beobachtete Phoebe beim Schlafen und strich ihr eine Strähne aus dem Gesicht. Dabei berührte ich sanft ihre Wange und genoss es, wie weich ihre Haut war.
Schon seit gestern lagen wir bei mir im Bett und schwänzten die Uni, da wir die Zeit lieber zusammen verbringen wollten - besonders nach unserem gestrigen Streit. Noch nie hatte mir etwas so wehgetan wie die Worte von Phoebe, als sie sagte, dass wir es nicht schaffen würden und es ein Fehler von uns war, zusammen zu kommen. Natürlich war mir klar, dass sie es nicht ernst meinte, denn ich wusste, wie sehr sie mich liebte; hatte es bei jedem Kuss und in jeder Nacht gespürt, jedes Mal, wenn ich in ihr war. Und trotzdem zerriss sie mir in diesem Moment das Herz.
Doch egal was sie noch versuchen würde, um mich von sich zu stoßen, ich würde nicht aufgeben und für sie sowie uns kämpfen. Denn auch wenn Phoebe ihre Hoffnung verloren hatte, so würde ich an meiner festhalten und sie immer wieder von Neuem ermutigen weiterzumachen. Schließlich meinte ich ernst: Ich liebte Phoebe und bereute unsere Entscheidung zusammen zu kommen nicht, egal ob es die Folge von Krankheit und Leid hatte – dafür war mir das Glück und die Liebe zu wertvoll, die wir in der Zwischenzeit hatten. Und noch haben werden.

***

Heute würde Phoebe ihre erste Chemo bekommen, weshalb sie ziemlich nervös war, ebenso wie wir alle. Unsere Eltern hatten uns begleitet und warteten mit mir draußen vor dem Zimmer, während Phoebe drinnen war und vor lauter Überwindung weinen musste. Ich hatte sie beruhigt und ihre Hand genommen, als ich sie zu Dr. Gordon und Dr. Smith geführt hatte, sie dann aber losgelassen, als die beiden Ärzte sie für die Behandlung vorbereiteten. Es fiel mir unheimlich schwer sie loszulassen und ihr Schluchzen zu ignorieren, doch blieb mir nichts anderes übrig. Ich durfte nicht dabei sein. Aus diesem Grund wartete ich nun mit unseren Eltern vor der Tür und lief unruhig auf und ab. So lange, bis die Tür nach einer Weile wieder aufging und Phoebe herauskam.
Angespannt musterte ich sie, wartete auf eine Reaktion, die allerdings nicht kam. Sie war still, blass und total verängstigt.
»El?«, murmelte sie, und ich lief gleich auf sie zu und nahm sie in die Arme. »Wie war es, Babe?«
Schniefend zuckte sie die Achseln. »Nicht so schlimm, wie ich gedacht hatte.« Sie löste sich von mir und sah zu ihren Eltern. »In vier Wochen ist die nächste Behandlung. Bis dahin soll die Chemo erst einmal wirken.«
Olivia nickte hektisch. »Okay, und was haben die Ärzte noch gesagt?«
»Dass Nebenwirkungen höchstwahrscheinlich auftreten werden und wir noch abwarten müssen, wie ich die Chemo verkrafte. Danach würden die nächsten in einem zweiwöchigen Rhythmus stattfinden«, erklärte Phoebe mit schwacher Stimme, wodurch ich erkennen konnte, welch große Angst sie in Wirklichkeit hatte.
»Darfst du denn schon nach Hause?«, fragte Olivia besorgt.
»Ja.« Phoebe stieß tief den Atem aus. »Ich würde jetzt auch gern gehen.«
»Natürlich.«
Zusammen verließen wir das Krankenhaus, wobei Phoebe von der Chemo erzählte, die nichts anderes war, als ein Serum, das ihr gespritzt wurde. Sie musste danach aber noch etwas liegen bleiben, damit die Ärzte ihre Werte kontrollieren konnten und sie keine Kreislaufprobleme bekäme. Anscheinend gab es mehrere Therapiemaßnahmen: Tabletten, Serum oder Infusion, manche davon mussten über mehrere Tage eingenommen werden und stationär behandelt werden. Bei Phoebe reichten allerdings die Tabletten nicht und die Infusion würde erst dann eingesetzt werden, wenn ihr Immunsystem die Chemo auch vertragen würde. Diese Infusion würde den ganzen Tag lang dauern, wofür sie dann auch die anschließende Nacht im Krankenhaus bleiben müsste. Heute jedoch sollte das Serum erst mal ein Test sein, um zu erfahren, wie die Behandlung bei Phoebe anschlug.
Wir hofften alle das Beste ...
... ohne Erfolg.
Die Nebenwirkungen waren heftig und traten erst in der Nacht auf, sodass Phoebe sich immer wieder übergeben musste und zittrig im Bett lag, ohne Schlaf zu finden. Ich half ihr jedes Mal, wenn sie zur Toilette stürmte, blieb mit ihr wach und beobachtete sie sorgenvoll.
Betete, dass es besser werden würde.
Am nächsten Tag riefen wir Dr. Gordon an, der uns erklärte, dass diese Nebenwirkungen nicht die einzigen bleiben würden, denn auch Haarausfall gehörte dazu, so wie auch eine Veränderung der Nägel und Schleimhautprobleme. Demnach mussten wir abwarten und hoffen, dass es nicht zu weiteren Nebenwirkungen kommen würde.

till the Death - gemeinsam krank, gemeinsam sterbenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt