18 - gemeinsam ...

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Wir werden das gemeinsam überstehen. Denn nur gemeinsam sind wir stark.

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Phoebe

Seit mehreren Tagen fühlte ich mich unwohl: Nachts schlief ich schlecht und tagsüber war ich völlig ausgelaugt. Außerdem tat mir der Rachen weh und ich hatte Fieber bekommen, weshalb ich heute zum Arzt wollte. Wahrscheinlich war es keine gute Idee gewesen, nackt im Schwimmbad herumzurennen, ohne mir was angezogen zu haben.
Ich seufzte kläglich.
»Phoebe, bist du soweit?«, rief meine Mum, die mich zum Hausarzt fahren wollte. Zwar hatte Elliot vorgeschlagen, dass er mich fahren würde, aber hatte ich abgelehnt, damit wenigstens er nicht die Vorlesung verpassen würde.
»Ja.« Ich lief die Treppen hinunter, wobei mir jeder Gang in den Gelenken wehtat und ich zu fluchen begann. Scheiß Grippe.
Meine Mum musterte mich, als ich vor ihr stehen blieb. »Hoffentlich steckst du deinen Vater nicht an, der ist dann immer so wehleidig.«
Ich verdrehte die Augen und ging nach draußen, stieg in den Wagen ein und starrte müde aus dem Fenster.
»Eigentlich hättest du schon viel früher zum Arzt gehen sollen«, predigte Mum, nachdem sie eingestiegen war und losfuhr. »Ihr wart vor über einer Woche schwimmen und deine Grippe hält sich jetzt schon viel zu lange!«
»Ich hatte auch nicht gedacht, dass es gleich so schlimm ausbricht«, murmelte ich.
Mum seufzte und bog in die Straße ein, wo sich unser Hausarzt Dr. Houghton befand.
»Soll ich noch mit reinkommen?«
»Nein, brauchst du nicht«, sagte ich und stieg aus.
»Okay, dann schreib mir, wenn ich dich abholen soll, ja? Ich bleibe in der Nähe und schaue, was ich zum Mittag einkaufen kann.«
Ich nickte und ging in die Praxis, in der ich eine halbe Stunde warten musste, bis ich dran kam.
»Ms. Reynolds, was kann ich für Sie tun?«, begrüßte Mr. Houghton mich.
»Ich bin schon seit mehreren Tagen krank und habe auch erhöhte Temperatur.«
»Wie lange genau?«, wollte er wissen, während er sich Einweghandschuhe anzog und sich vor mich hinsetzte.
»Äh, seit knapp einer Woche?« Ich war mir nicht ganz sicher, wann es angefangen hatte.
»Sie hätten früher vorbei kommen sollen«, meinte Mr. Houghton und betastete meine Lymphknoten, wonach er auch in meinen Rachen schaute und die Stirn runzelte. »Sie haben eine Entzündung im Rachenraum sowie auch ihre Lymphknoten etwas geschwollen sind.«
Okay, klang schon mal nicht toll.
»Haben Sie noch andere Symptome?«
»Na ja, ich bin müde und kann auch nicht mehr gut schlafen, außerdem habe ich immer weniger Hunger«, erklärte ich.
»Durchfall oder Schweißausbrüche? Vielleicht Juckreiz?«
»Nein.«
Der Arzt nickte und notierte sich was in einer Akte. »Gut, ich würde gerne noch etwas Blut abnehmen. Setzen Sie sich bitte noch mal ins Wartezimmer?«
Ich trottete zurück, ehe ich von einer Arzthelferin aufgerufen wurde, damit diese mir Blut abnehmen konnte.
»Geht es Ihnen gut?«, erkundigte sie sich.
»Mhm.«
Anschließend wurde ich wieder zum Arzt hinein gerufen, von dem ich mehrere Rezepte bekam und er mich mit den Worten entließ: »Wir melden uns, wenn wir die Ergebnisse haben. Das wird wahrscheinlich morgen schon sein.«
Ich nickte wortlos und verließ die Praxis, wovor Mum bereits wartete. Wir fuhren noch zu einer Apotheke und dann nach Hause, sodass ich endlich wieder schlafen konnte.
Gegen Nachmittag kam Elliot vorbei und fragte direkt, was Mr. Houghton gesagt hätte.
»Nichts, er will morgen noch mal anrufen«, sagte ich und legte mich in seine Arme. Gott, ich war so müde.
»Phoebe, geht es dir wirklich gut?«
»Ja, jetzt schon«, murmelte ich und kuschelte mich enger an ihn. Elliot schloss daraufhin die Arme noch fester um mich und blieb mit mir den restlichen Tag im Bett liegen.
Am nächsten Tag bekam ich den Anruf von meiner Arztpraxis.
»Ms. Reynolds? Ich müsste Sie bitten, noch heute vorbei zu kommen«, teilte die Arzthelferin mir mit.
»Stimmt etwas nicht mit meinen Ergebnissen?«, fragte ich unsicher, da ich wusste, dass man nicht grundlos zu einem Termin gebeten wurde.
»Dr. Houghton möchte gerne mit Ihnen sprechen.«
»Okay, reicht es, wenn ich in einer Stunde da bin?«
»Ja«, bestätigte sie und legte danach auf.
Ich ging zu meiner Mum, die mich wieder zur Praxis fuhr und diesmal mit reinkam.
»Hallo, Dr. Houghton«, begrüßte sie unseren Arzt, der nicht erfreut aussah – weshalb ich ein mulmiges Gefühl verspürte.
»Äh, was ist denn nun mit meinen Ergebnissen?«, wollte ich ungeduldig wissen.
Mr. Houghton wandte sich zu mir und bat mich, Platz zu nehmen. »Ms. Reynolds, wir haben keine gute Nachrichten«, begann er und stockte. »Wir haben die Tests mehrmals wiederholt, um wirklich sicher sein zu können ... Doch waren die Ergebnisse immer dieselben.«
Mein Herz klopfte immer heftiger gegen meine Rippen, und ich war mir sicher, dass ich mittlerweile immer blasser wurde. So was sagte ein Arzt doch nicht, wenn es nicht wirklich ernst wäre, oder?
Auch meine Mum wirkte nun angespannt. »Was hat meine Tochter?«
Mr. Houghton stieß die Luft aus und sah mich mit einem solch mitfühlenden Blick an, dass mir ganz schlecht wurde.
»Sie haben Aids, Ms. Reynolds. Es tut mir leid, Ihnen das mitteilen zu müssen«, sagte er leise, wonach sich eine Stille im Raum ausbreitete, die beinahe tödlich war und ich hören konnte, wie in diesem Moment mein Herz still stand.
Meine Mum schnappte nach Luft, ehe sie aufschluchzte.
Ich hingegen saß reglos da und starrte geradeaus, versuchte diese Information zu verarbeiten und hatte nur noch eines im Kopf: Ich müsste es sofort Elliot sagen!
»Sind Sie sich auch zu hundert Prozent sicher?«, fragte meine Mum schniefend, wobei sie mich so traurig ansah, mit Tränen, die über ihre Wangen strömten, dass es mir das Herz zerriss.
»Ja, Mrs. Reynolds, wir sind uns sicher. Wir können gerne noch mal einen Test machen, der besonders auf HIV spezialisiert ist, jedoch kann ich Ihnen nicht viel Hoffnung versprechen«, erklärte Mr. Houghton und sah zu mir. »Sinnvoll wäre es aber, wenn wir sofort mit einer Therapie beginnen würden.«
Ich antwortete nicht - war viel zu geschockt, um nur einen Ton herauszubekommen.
»Oh Gott, Phoebe.« Meine Mum schluchzte auf und griff nach meiner Hand. Sie zitterte sowie auch ihre.
»Was können wir dagegen machen, Dr. Houghton?«, fragte sie. »Und ... wird meine Tochter ... wird sie überleben?
Als ich meine Mum in Tränen ausbrechen sah, sammelten sich auch bei mir welche. Bloß verließen sie meine Augen nicht – sie sammelten sich darin und brannten. Aber ich weinte nicht.
»Die Chancen sind hoch, dass Ihre Tochter das schaffen kann. Es gibt Medikamente, mit denen es schon viele Menschen überlebt haben. Heutzutage ist es also nicht dieRegel, dass man daran verstirbt.«
»Im Grunde genommen bedeutet das, dass ich nicht sterbe - WENN ich Glück habe, aber auch keine Kinder bekommen kann, ohne es weiterzuvererben«, hauchte ich und sprach das aus, was Mr. Houghton nicht konnte. Ich werde niemals gesunde Kinder bekommen, obwohl ich gern welche gehabt hätte. Mit Elliot.
Lautlos schluchzte ich auf. Elliot. Er wäre auch krank und das nur wegen mir.
»Das ist leider wahr. Der Virus bleibt, auch wenn Sie Medikamente dagegen nehmen, da man den Virus nur in Schach halten kann und nicht ganz besiegt. Bei Aids geht es auch mehr um die Folgen, statt um die Ursache, das heißt, dass Menschen nicht durch den direkten Virus sterben, sondern an seinen Folgen, die durch eine Immunschwäche hervorgerufen werden. Der Körper ist so gesehen ohne jegliche Schutzschilder, womit er rund um die Uhr für jede Krankheit angreifbar ist – sei es ein Husten oder ein Schnupfen. Oft überleben die Patienten, bei denen der Virus schon weiter ausgebreitet ist, eine Grippe oder Erkältung nicht«, informierte uns der Arzt. »Deshalb ist es wichtig, dass Sie die Medikamente regelmäßig einnehmen, Ms. Reynolds. Sonst ist die Gefahr groß, dass das schwache Immunsystem von Ihnen zusammenbricht und die Zellen in Ihrem Körper keinen Schutz mehr gegen das Virus haben.«
Wie in Trance nickte ich.
In den nächsten zehn Minuten erklärte uns Mr. Houghton noch weitere Folgen sowie Therapiemaßnahmen, ebenso wie die Risiken und Erfolgschancen.
»Ms. Reynolds, ich muss Sie das leider fragen«, sagte er mit bedrückter Miene. »Hatten Sie in letzter Zeit Geschlechtsverkehr?«Neue Tränen brannten hinter meinen Lidern, als ich langsam nickte.
»Elliot«, hauchte Mum. Ich zuckte bei seinem Namen zusammen und schlug mir die Hände vor's Gesicht, weil ich das nicht glauben wollte, weil ich es nicht hören wollte, nicht mal daran denken wollte.
»Nun, es wäre gut, wenn Sie mit Ihrem Freund für einen Test in die Praxis kommen. Außerdem muss ich Sie auch warnen, dass die nächsten Wochen nicht einfach werden. Sie können noch weitere Krankheitssymptome wie Durchfall, Nachtschweiß, Hautausschläge oder Atemnot bekommen. Leider ist das nicht zu vermeiden, da die Therapie erst richtig anschlagen muss, ehe sie wirkt«, fügte Mr. Houghton hinzu.
Abermals nickte ich, wonach ich mich erhob und mit meiner Mum die Praxis verließ. Schweigend fuhren wir nach Hause, wo Elliot bereits auf mich wartete, und ich sofort zu ihm rannte.
Er stand vom Bett auf und sah mich besorgt an. »Was ist passiert. Was hat er gesagt?«
Ohne eine Antwort ließ ich mich in seine Arme fallen und fing in dem Augenblick an zu weinen, als er mich fest an sich drückte.
»Phoebe ... «
Ich schluchzte, bebte überall und weinte immer stärker, ließ all den Schmerz und die Angst von vorhin heraus.
»Scheiße, Phoebe, du machst mir Angst. Was ist passiert?«
»Ich habe Aids«, hauchte ich und konnte spüren, wie er sich abrupt anspannte. »Du musst dich sofort untersuchen lassen. Elliot, du musst dich untersuchen lassen, wir ... wir haben nicht verhütet.« Nun sah ich ihn an, traute mich endlich in seine Augen zu schauen, in denen so viel Schmerz stand, dass ich erneut in Tränen ausbrach.
»Elliot«, wimmerte ich.
»Ich weiß – ich bin hier.« Er strich mir über das Haar und wischte mir die Tränen fort, beugte sich zu mir runter und küsste mich sanft. Schluchzend krallte ich meine Finger in sein Shirt und weinte in den Kuss hinein. Er drückte mich fester an sich, ehe er sich von mir löste und seine Stirn an meine legte. »Dann werden wir auch das gemeinsam schaffen.«
»Du meinst gemeinsam sterben?«
Er lächelte gequält. »Lieber mit dir zusammen sterben, als ohne dich zu leben.«
Ich sah, wie auch in ihm die Tränen aufstiegen, er jedoch stark für uns sein wollte und dagegen ankämpfte.
In diesem Moment wusste ich, dass es eigentlich hoffnungslos war, nur konnte ich meine Hoffnung einfach nicht loslassen und betete, dass es nur ein Traum wäre oder ein Fehler, doch der Arzt zerstörte am nächsten Tag meinen Hoffnungsschimmer, wie eine platzende Seifenblase.
»Mr. Dexter, ich muss Ihre Vermutung leider bestätigen. Sie haben Aids, sowie auch ihre Freundin.«
Elliot nickte. Er hatte es so wie ich auf Anhieb gewusst, als ich die Nachricht bekommen hatte.
Mr. Houghton erklärte auch ihm alles rund um das Thema, woraufhin er ihm ebenfalls ein paar Infobroschüren mitgab, sodass Elliot sich erkundigen könnte, welche Therapie er anfangen wollte.
»Danke, Mr. Houghton«, sagte er.
Als wir Zuhause waren, begann ich mir alles von der Seele zu weinen, wodurch Elliot mich fest in seine Arme schloss.
»Ich habe dich angesteckt«, flüsterte ich und spürte plötzlich seine warme Hand auf meiner Wange. »Oder ich dich«, entgegnete er leise.
Ich sah ihm in die Augen und wusste in dem Moment, dass ich keine Angst haben bräuchte, denn egal wie schwer es werden würde – ich hatte Elliot bei mir.


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Tja, jetzt ist das schon mal raus.

Sorry, Leute, dass ich das Tempo jetzt ranziehe, aber ich will die Geschichte gerne noch dieses Jahr beenden. Deshalb können jetzt öfters Doppelupdates kommen.
Anzahl der Kapitel werden wohl 30 sein.















till the Death - gemeinsam krank, gemeinsam sterbenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt