Prolog

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Es war schon spät, doch immer noch saßen alle um die große Tafel versammelt. Es wurde getrunken und gelacht. Es war eine Feier zu Ehren meines siebzehnten Geburtstages und der ganze Adel von Orion war angereist. Ich trug ein nachtschwarzes Kleid, welches mit funkelnden Diamanten besetzt war, meine dunklen Locken waren zu einer komplizierten Frisur hochgesteckt und auf meinem Kopf saß das glitzernde Diadem. Alles war perfekt. Ich genoss diesen Augenblick. Wenn ich mich umsah, konnte ich immer wieder die Blicke einiger Männer auffangen. Ich sah zu meinen Eltern die am Kopf der Tafel saßen. Sie waren jeweils in ein Gespräch mit den Leuten an ihrer Seite vertieft. Auch sie schienen sich zu amüsieren. Doch plötzlich drangen von draußen durch die geöffneten Fenster Schreie. Schüsse fielen und der Klang von aufeinandertreffenden Schwertern war zu hören. Die Saaltüren wurden aufgestoßen und ein Wachmann kam herein gerannt. 'Wir werden angegriffen!', rief er. 'Sie tragen das Wappen von Dametia!' Augenblicklich brach Panik aus. Eine Wache kam zu mir gerannt, packte mich am Arm und zog mich in Richtung einer Tür. 'Ihr müsst sofort in den Westturm! Dort seid ihr in Sicherheit!', erklärte er mir während wir durch den Flur eilten. Als wir an einer Reihe Fenster vorbeikamen, blickte ich hinaus und was ich sah, nahm mir den Atem. Überall sah ich Feuer, Zerstörung, sterbende Menschen und Soldaten die sich bekämpften. Es war grauenvoll. Als wir an der Tür zum Westturm angelangt waren, stieß der Soldat sie auf und schickte mich hinein. Noch bevor er sie wieder geschlossen hatte, rannte ich die Wendeltreppe hinauf. Oben angekommen ging ich zum Fenster und blickte hinunter. Der Kampf war noch immer in vollem Gange. Nach ein paar Minuten ertrug ich den Anblick nicht mehr. Ich ließ mich an der Wand hinabsinken und dachte an meine Familie und Freunde. Ob sie wohl noch am Leben waren? Ich wusste es nicht. Von unten drangen die Schmerzensschreie der Menschen zu mir hinauf. Das alles war so schrecklich! Als wieder Kanonenschüsse ertönten, hörte ich, wie irgendwo Steine bröckelten. Sie mussten die Schlossmauer getroffen haben.
Als es nach einer gefühlten Ewigkeit leiser wurde und ich keine Schüsse und Schwerter mehr hörte stand ich auf und blickte erneut aus dem Turmfenster. Der Schlosshof war mit Leichen und Trümmern übersäht. Überall züngelten kleine Feuer und ein paar Soldaten liefen herum.
Ich lief die Treppe hinunter um nach meinen Eltern zu suchen. Als ich auf den Gang hinaustrat, blieb ich wie angewurzelt stehen. Etliche Bedienstete lagen erstochen auf dem Boden. Ich unterdrückte einen Schrei und eilte in Richtung Thronsaal. Die Türen standen offen, als ich mich nährte und Stimmen drangen zu mir heraus. Ich ging langsamer. 'Fast alle sind tot, eure Hoheit. Der Rest ist geflohen.', sagte eine mir unbekannte Männerstimme. Vorsichtig lugte ich durch den Spalt in der Tür. Zwei Männer standen in der Mitte des Thronsaals. Der eine Mann war in den mittleren Jahren und trug eine Rüstung, der andere war jung, ungefähr in meinem Alter und trug edle Reitkleidung. Auf seine Brust war das Wappen von Dametia gestickt. Das musste Damien Sandorian sein, der König von Dametia. Als ich ein bisschen weiter in den Raum spähte, sah ich, dass hinter den Beiden zwei Menschen mit Schwertern in der Brust auf dem Boden lagen. Ich kniff die Augen zusammen und sah genauer hin. Als ich meinen Vater und meine Mutter erkannte, schlug ich mir die Hand vor den Mund, um meinen Schrei zu ersticken. In diesem Moment fragte Damien 'Und was ist mit Ava Ravender?' 'Wir suchen nach ihr. Sie muss noch im Schloss sein, eure Hoheit.', erwiederte der andere Mann. 'Ich will sie lebend!', befahl Damien. In diesem Moment wurde mir klar, dass ich hier wegmusste. Mit leisen, schnellen Schritten entfernte ich mich von der Tür und als ich sicher war außer Hörweite zu sein, begann ich zu rennen. Ich lief in Richtung der Stallungen. Da ich ein paar äußerst effektive Geheimgänge kannte, begegnete ich auf dem Weg keiner dametrischen Wache. Als ich endlich im Stall ankam, schlich ich mich zum Pferd meines Vaters. Ein großer, schwarzer Hengst. Ohne nachzudenken kletterte ich auf die Boxenwand und glitt von dort aus auf seinen Rücken, wobei ich meine Schuhe abstreifte. Um Sattel und Zaum zu holen war jetzt einfach keine Zeit. Ich strich ihm sanft über den Hals. 'Bring mich so schnell du kannst von hier weg.', flüsterte ich ihm zu und dann rammte ich ihm die Fersen in die Flanken. Der Hengst preschte augenblicklich los und ich suchte Halt in seiner Mähne, die Beine fest an den Bauch des Tieres gepresst. Wir schossen aus dem Stall heraus, direkt auf das offene Haupttor zu. Ich hörte jemanden rufen 'Die Prinzessin! Sie flieht!' Wir waren schon fast am Tor als ich die Stimme des Königs hörte. 'Bringt mir ein Pferd! Schnell!', rief er. Als ich schon gut hundert Meter hinter dem Schlosstor war, vernahm ich Hufgetrappel und als ich den Kopf drehte, sah ich wie mir König Damien auf einem prächtigen Schimmel folgte. Wieder trieb ich den Hengst unter mir. Ich hörte wie der König näher kam. Mein Pferd atmete schwer. Ich flehte, dass wir schnell genug wären, um ihm zu entkommen. Doch es nützte nichts. Er hatte bald schon zu mir aufgeschlossen. Als wir gleich auf waren, sprang er von seinem Schimmel und warf sich gegen mich, so dass wir beide fielen. Die Pferde galloppierten davon, während wir auf den Boden prallten. Das letzte was ich spürte, war wie mein Kopf auf einen Stein schlug. Dann verlor ich das Bewusstsein.

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