Kapitel 17

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Ich saß schon seit einer gefühlten halben Stunde im Wohnzimmer und starrte auf meine Füße, während Nicole mir etwas erklärte. Als sie meinte, sie würden die Adoption annullieren und ich jederzeit zu meiner Familie zurück könnte, natürlich nur um sie zu besuchen, hatte mein Gehirn auf Durchzug geschaltet. Ich konnte meine Eltern nicht sehen; jedenfalls noch nicht jetzt. Ich war noch nicht bereit dazu, denn ich musste erstmal mein jetziges Leben auf die Reihe bekommen, um dann mit dem Alten abschließen zu können. Ich musste etwas haben, was mir Sicherheit bot und musste mir dies aufbauen. Das musste ich Nicole auch sagen. Sie redete zwar gerade, aber ich hörte ihr ja sowieso nicht zu.

"Nicole, nimms mir nicht übel, aber ich kann meine Familie noch nicht sehen. Das ist Unmöglich!", unterbrach ich ihre Rede. Zuerst schien sie einbisschen überrascht darüber, dass ich meine Stimme wiedergefunden hatte. Dann aber lächelte sie mich liebevoll an, kniete sich vor mich und nahm meine kalten Hände in ihre warmen.

"Ich bin dir überhaupt nicht böse, meine Süße. Wie könnte ich? Es ist alles so viel zu viel für dich, wie könntest du denn jetzt auch noch mit deinen Eltern umgehen?". Sie war so verständnisvoll, das hatte ich gar nicht verdient. Der Schmerz, den meine Eltern verursacht hatten, saß noch viel zu tief. Ich fragte mich, wie ich ihnen überhaupt noch unter die Augen treten könnte.

"Möchtest du mit mir ins Kino?", fragte Valentin, der am anderen Ende des Raumes am Türrahnen angelehnt stand und meine Mimik zu deuten schien. Ich schenkte ihm ein leichtes, dankendes Lächeln, da er versuchte die bedrückte Stimmung ein wenig aufzulockern.

"Liebend gern!", stimmte ich ein und bedankte mich bei Nicole mit einer Umarmung, in die ich all meine Dankbarkeit herein legte. Zum Glück war von Konrad weit und breit nichts zu sehen oder zu hören. Wäre er da gewesen, hätte ich nicht einen Ton rausbringen können.

Das Verhältnis zwischen mir und Valentin hatte sich verbessert in den wenigen Stunden, worüber ich richtig froh war, immerhin war ich ja diejenige, die Alles vergessen wollte. Als wir in Valentins Auto saßen, schaute er mich nachdenklich an.

"Ist was?", fragte ich deshalb. Es war mir wirklich unangenehm, wenn er mich so anschaute, als ob er alles in mir sehen würde. Nicht nur meine Gefühle oder äußerliche Merkmale. Er sah mich so an, als ob er alle Antworten auf seine Fragen in mir sah. Als ob ich die Lösung zu all seinen Problemen wäre.

Valentin legte seinen Kopf leicht schief und räusperte sich. Sein Blick verwandelte sich von durchdringend zu neutral und dieser Vorhang, der ihn von allem abschirmte legte sich wieder auf sein Gesicht. Ich hasste es, wenn er das tat. Ich wollte wissen, wie er sich fühlt und was er denkt.

"Nein, es ist nichts". Er lächelte leicht und startete den Motor. "Ich habe mich nur gefragt, in welchen Film wir jetzt gehen, es ist schon 22 Uhr. Da kommen nur noch so Thriller oder Horrorfilme. Und ich weiß wie sehr du solche Filme hasst", meinte er. Und deswegen hat er mich so druchdringend angeschaut? Weil er wusste, wie sehr ich Horrorfilme hasste? Obwohl ich ihm kein Wort abkaufte, wollte ich nicht schon wieder eine Diskussion mit ihm führen.

"Egal welchen du wählst, ich komme mit", erklärte ich ihm lächelnd. Es brachte mich zum Lächeln, dass er diese winzige, unbedeutende Sache von mir wusste, obwohl ich mich nicht daran erinnern konnte, es ihm gesagt zu haben.

"Ich habe echt riesiges Glück dass du so unkompliziert bist", grinste er über beide Ohren.

"Ich und unkompliziert?!", fragte ich ungläubig. Valentin schien darüber nachzudenken, wie er mir das wohl am Besten erklären sollte. Ohne mich zu verletzen, wohlbemerkt.

"Raus damit, du kannst meinen Stolz nicht kränken", sagte ich und piekte ihm mit dem Zeigefinger in die Seite. Er lachte kurz und grinste mir zu, bevor er seinen Blick wieder der Straße widmete.

No LightWo Geschichten leben. Entdecke jetzt