Ich lebte. Ohne über Folgen nachzudenken. Ohne über die Zukunft nachzudenken. Denn ich hatte alles. Eine Familie. Freunde. Ich verspürte Glück. Ich lachte. Aber ich schätzte mein Leben nicht. Ich wusste das es mein Leben war und es nur eins davon gab, aber trotzdem fing ich nichts damit an.
Meine Folgen überschlugen sich. Meine Zukunft verschlechterte sich rapide. Ich hatte nichts. Freunde waren keine echten Freunde. Die Familie zerbrach. Ich verspürte Trauer. Mein Lachen erlisch.
Was ist Glück?
Ich lebe. Versuche über die Folgen nachzudenken. Sorge für meine Zukunft vor. Habe eine zerbrochene Familie. Ich mache das beste daraus.
Freunde hab ich keine mehr. Denn vielleicht- ja vielleicht gibt es sowas wie Glück ja garnicht.
Sondern nur diese Momente. Diese Glücksmomente, die unsere Seele erfüllen.
Wo beginnt ein Glücksmoment?Inzwischen war es Mittwoch und ich war gerade mit meiner Schicht in der Eisdiele fertig. Ich hasste diese Eisdiele. Mein Chef und alle Mitarbeiter waren furchtbar unfreundlich zu mir, scheuchten mich durch den ganzen Laden und ließen mich die ganze Drecksarbeit machen. Aber trotz allem konnte und würde ich nie und nimmer kündigen. Unserer Schulden willen.
Heute war wieder einer dieser Tage, an dem ich meine Mum aus dem Haus brachte. Alleine tat sie das ja nicht.
Gegen 17Uhr betrat ich das Haus und rief nach ihr. Sie sollte wissen, das ich wieder daheim sei. Seid mein Dad verschwunden war, war sie viel schreckhafter geworden. Am Anfang hat sie bei jedem Geräusch, das nur dem Aufgehen einer Türe ähnelte, gehofft es sei Dad und immer wenn sie dann bemerkte, dass er es nicht war, fing sie bitterlich an zu weinen und das stundenlang. Mum dachte es sei ihre Schuld und diese Schuld konnte ich ihr einfach nicht nehmen, obwohl ich alles dafür gab. Sie war einfach nicht mehr die Mum, die sie vor ein paar Monaten war.Ich betrat ihr Zimmer mit einem lächeln, weil ich immer hoffte, das würde sie aufmuntern.
Meine Vorstellung beinhaltete sie, auf ihrem Bett, in ihrem karierten Schlafanzug, mit einer Tasse Tee.
Doch dieses Mal zersprang diese vertraute Vorstellung in Tausend Teile. Sie war nicht da.
Nicht in ihrem Bett. Der Fernseher lief nicht.
Ich hielt inne. Ihre Teetasse lag kaputt auf dem Teppichboden und hinterließ einen Geruch nach Kamille in ihrem Zimmer.
Als mir bewusst wurde, was ich vor mir sah und meine Mum wie vom Erdboden verschluckt war, begann ich ihren Namen zu rufen. So laut ich konnte. Durch das ganze Haus. Ich stürmte in jedes einzelne Zimmer, suchte im Garten und auf der Terasse, doch ich konnte sie nirgends finden.
Plötzlich überkam mich die blanke Panik. Was, wenn sie auch abgehauen ist? Was, wenn irgendetwas passiert ist? Was, wenn sie sich was angetan hat?
Meine Brust fühlte sich an als hätte man sie zugeschnürt. Mein Herz begann etwas zu verlieren. Etwas, dass ich schon längst verloren hatte, nachdem Dad verschwunden war.
Ich spürte wie meine Augen anfingen zu jucken, wie meine Tränen sich aus meinen Tränenkanälen herausbahnten und wie ich langsam den Verstand verlor.
Etwas an mir hatte sich geändert.
Ich hatte Angst. Angst davor, Jemanden zu verlieren-noch Jemanden den ich liebte, denn davor nahm ich alles so selbstverständlich und schehrte mich nicht darum was in der Zukunft passieren könnte. Vielleicht tat das Niemand, aber manchmal sollte man einfach darüber nachdenken. Ich war daran gewöhnt alle Menschen die ich liebte um mich zu haben und für mich gab es da nichts worüber ich mir Sorgen hätte machen müssen.
Ich wimmerte. "Nicht noch du, Mum. Bitte nicht noch du."
Plötzlich hörte ich die Türe und Hoffnung überkam mich.
"Malía?! Bist du da?"
Ich rannte die Holztreppen hinunter.
Mein Atem ging schwer und ich stolperte beinahe.
Alles um mich herum war wie verschommen. Nur diese Stimme zählte. Ich fixierte mich nur auf sie.
Diese Stimme, die ich schon Monate nicht mehr gehört hatte.Also stand ich plötzlich da. Dort im Wohnzimmer. Mit ihr. Mit meiner Mum.
Ich konnte mich nicht bewegen, nichts sagen. Nur meine Gedanken überschlugen sich, wie die Reifen eines Rennautos.
"Hallo Liebes, hast du Hunger? Soll ich dir was kochen?"
Ihre, sonst so liebevolle Stimme, fühlte sich an wie eine Nadel, die sich direkt in mein Herz bohrte. Verdammt! Was, hatte sie da gerade gesagt?
"D-du? H-hier? D-du redest? Stehst? Lebst?", stotterte ich und fuchtelte wie eine Verrückte mit meinen Händen in der Luft herum. Ich versuchte die Reifen in meinem Kopf lahm zu legen. Versuchte alles zu begreifen.
Sie stand wirklich da. Vor mir. In ihrem Marineblauen Kleid und einem schüchternen Lächeln im Gesicht. Sie hatte sogar eingekauft. Ich träume. Das kann nicht wahr sein.
Einige würden jetzt vielleicht meinen ich übertreibe, doch stellt euch einmal vor, eure Mutter redet 4Monate kaum ein Wort mit euch, sie geht nicht raus, sie will nichts Essen und Trinken, sie ist ein Wrack. Und dann... wie aus dem Nichts, steht sie plötzlich in einem ihrer besten Kleider vor euch und tut so als wäre nichts gewesen. Als wäre sie immer da gewesen, obwohl das nicht der Fall war.
Wärt ihr wütend? Erfreut? Erleichtert? Enttäuscht?
Ich dachte immer ich würde mich Freuen, wie ein Kind an Weihnachten, aber an diesem Mittwoch war genau das Gegenteil der Fall. Mich überkam Wut. Wut, weil sie mich so lange Zeit warten lassen hat, weil sie nicht da war als es auch uns schlecht ging, weil sie uns nicht geholfen hatte mit den Schulden und weil sie jetzt so tat als wäre sie nie nicht meine Mum gewesen."Was soll das, Mum?", fragte ich gereitzt und betonte das Wort 'Mum' abwertend. Ich hatte immer verstanden, dass es schlimm für sie gewesen sein musste, ihre große Liebe zu verlieren, doch in diesem Moment wendete sich das Blatt in meinem Kopf und ich konnte es wirklich nicht nachvollziehen. Mich überkam einfach dieses Gefühl. Ich liebte meine Mum, wirklich- mit meiner ganzen Seele, aber es machte mich fertig, dass sie einfach das tat was sie immer tat, obwohl garnichts mehr so war wie es immer war.
Ihr Lächeln erstarrte.
"Was hast du denn, Liebes?""Was ich habe?! Verdammt nochmal, was ich habe?! Ist das dein Ernst?!"
Ich starrte sie an. Wartete bis sie mir eine Antwort gab, auf eine Frage, auf die ich nicht mal eine Antwort brauchte.
Sie seufzte. "Liebes..."
"Nein, Mum, nenn mich nicht so! Was soll das? Du kommst hier rein, tust so als sei nichts gewesen, obwohl beschissene 4Monate vorbei sind? 4 verdammte Monate, in denen du einfach nicht Mum warst, obwohl wir-besonders ich dich so gebraucht hab."
Ich begann zu zittern und wollte einfach nur wegrennen. Ich hatte mir diesen Moment niemals so vorgestellt und irgendwie verfluchte ich ihn. Denn ich wollte nicht so reagieren. Ich wollte in ihre Arme laufen, mit ihr Zeit verbringen, ihren Nähe spüren, doch irgendetwas hielt mich zurück.Plötzlich kam sie auf mich zu und breitete ihre Arme aus. Ich wollte mich wegdrehen, doch sie hielt mich fest. So fest.
Ich versuchte mich zu wehren, sie wegzudrücken, doch sie ließ mich nicht los. Ein Schluchzen verließ meinen Mund. Ich erschlaffte unter ihr und begann zu Weinen. Aber diesmal aus Erleichterung. Weil sie wieder da war. Weil meine Mum wieder meine Mum war und weil sie mich in ihren Armen hielt. Glücksmoment.
![](https://img.wattpad.com/cover/82476700-288-k660646.jpg)
DU LIEST GERADE
Our Souls
RomanceZwei Sichtweisen. Zwei Leben. Zwei Menschen. Zwei Seelen. "Ist dir bewusst warum Stürme nach Menschen benannt wurden, Malía?" Ich vergrub meine Füße weiter in den kalten Sand hinein und schüttelte den Kopf. Sein Blick war starr auf das toben...