Der Wein war inzwischen leer und keiner von uns hatte noch ein Wort von sich gegeben. Dennoch hatte ich das Gefühl alles aus mir raus lassen zu müssen,alles zu sagen was mir nur in den Kopf kam. Ohne Grenzen.
Mein Kopf fühlte sich benebelt an und meine Hemmschwelle war nun nicht mehr so hoch wie im nüchternen Zustand. Ich trank normalerweise nie, zumindest nicht in diesen Maßen.
"Chace...", murmelte ich. Er legte mir den Zeigefinger auf die Lippen und ließ ein leises 'pschhht' von sich.
Perplex blickte ich ihn an. Diese Situation war komisch.
"Was willst du einmal werden?" Er nahm seinen Finger von meinen Lippen und blickte mir tief in die Augen.
"Ärztin."
"Warum?"
Von Minute zu Minute wurde es immer kälter und somit wickelte ich die Decke fester um mich.
"Weil ich Menschen helfen kann ihr Glück wiederzufinden. Weil ich etwas tun kann für diese Welt, inder so viel schlimmes passiert, verstehst du? Wir brauchen mehr Menschen die Anderen helfen."
Er nickte.
Und für einen kurzen Moment empfand ich Freude auf mein Studium, Freude, weil ich wahrscheinlich wirklich einmal dabei helfen würde Glück wiederzufinden. Doch dann fiel mir wieder ein, warum ich eigentlich hier draußen saß.
Ich umgriff den Flaschenhals immer fester. "Aber ich werde niemals so ein Mensch sein, weil mein Vater uns seine Schul..." Mein Gehirn begann zu arbeiten. Es warnte mich vor dieser Person, die neben mir saß. Vor diesem Jungen, den ich nicht kannte. "Verdammt!", rief ich wütend und schmiss die Flasche, mit voller Wucht, die Wedeltreppe hinunter.
Die Flasche zerbrach in viele, einzelne Teile und es schepperte laut. Ich erschrack. Vor mir selbst. Was war bloß los mit mir?
Sein verwirrter Blick streifte meinen, als ich meinen Kopf beschämend in seine Richtung drehte. "Entschuldigung."
Er zog die Augenbrauen zusammen.
"Malía, entschuldige dich niemals wieder bei irgendwem für deine Gefühle."
Ich lächelte leicht. Seine Worte erfüllten mich in irgendeiner unbekannten Weise.
"Und du? Was willst du einmal werden?"
Er überlegte und fuhr sich dabei immer wieder den Oberarm auf und ab.
"Weißt du, ich will mich nicht binden. An nichts und Niemanden. Nicht an einen Job, nicht an die Familie und nicht an irgendwelche Freunde. Ich möchte frei sein, neues Sehen und alles Kennenlernen was mir bisher noch unbekannt ist. Vielleicht ist das egoistisch, aber ich will einfach mein Leben auskosten. In jeder menschenmöglichen Weise."
Unsere Blicke trafen sich erneut und diesmal wendete keiner von uns diesen ab. Seine Augen glänzten unter dem Licht des Mondes. Immer wieder ging ich seine Worte im Kopf durch und mit der Zeit wurde mir klar, dass genau das, alles war was ich wollte.
Frei sein.
"Ich wünschte ich könnte frei sein", murmelte ich, so leise, dass er es eigentlich garnicht gehört haben konnte.
"Wie fühlt sich deine Seele an, Malía?"
Ich hatte keine Ahnung von was er sprach, was das für eine Frage sein sollte.
"Wie meinst du das?"
Plötzlich ergriff er meine Hand und drückte sie an seine Brust. Ich spürte seinen regelmäßigen Herzschlag. Mir schossen die Tränen in die Augen. Das taten sie immer. Immer wenn ich einen Herzschlag spüren konnte. Einfach, weil es mich so sehr faszinierte und es mich daran erinnerte, das man am leben war.
"Meine Seele fühlt sich an, als würde sie jede Sekunde zerbrößeln. Stück für Stück. Sekunde für Sekunde. Sie fühlt sich an, als würde sie brennen, aber ich kann nichts tun um das Feuer zu löschen. Wenn ich sie sehen könnte, wäre sie sicherlich grau. Nicht bunt und voller Facetten, wie es eigentlich sein sollte."
Seine Worte trafen mich mitten ins Herz. Ich hatte das Gefühl, seine Seele bahnte sich in die meine, nur durch den Kontakt mit seiner linken Brust, und obwohl ich nicht einen Schimmer hatte was es mit einer Seele überhaupt auf sich hatte.
"Warum fühlst du soetwas?"
Er schüttelte traurig den Kopf und wendete seinen Blick ab. Ich nahm meine Hand von seiner Brust und aufeinmal wurde mir wieder kalt. Es war, als hätte man ein Band, das und verbund, durchgeschnitten, um die Kälte wieder in unserer beider Körper hineinzulassen.
"Chace, ich-... ich weiß nicht einmal was eine Seele überhaupt ist."
Er hob den Kopf erneut und musterte mich schmunzelnd.
"Das musst du auch garnicht, denn sie existiert nicht. Du musst sie dir selbst formen. Auf deine Art und Weise."
"Und wie soll ich das hinbekommen?" Ich strich mir die Haare hinter meine Ohren und ließ meinen Blick zum Himmel gleiten. Die schwarzen Wolken waren längst verschwunden und wie ich gehofft hatte, war jetzt ein klarer Sternenhimmel zu sehen. Ich holte tief Luft, schloss für einen kurzen Moment die Augen und genoss seinen Blick der auf mir lag.
"Du musst garnichts hinbekommen. Leb' dein Leben, Malía, in vollen Zügen, und irgendwann, früher oder später ,wirst du merken, dass sie sich von ganz alleine geformt hat."
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Our Souls
RomantikZwei Sichtweisen. Zwei Leben. Zwei Menschen. Zwei Seelen. "Ist dir bewusst warum Stürme nach Menschen benannt wurden, Malía?" Ich vergrub meine Füße weiter in den kalten Sand hinein und schüttelte den Kopf. Sein Blick war starr auf das toben...