06/ Wiedererkennungswert

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Jeder Mensch hat doch etwas an sich. Etwas, das Andere erinnern lässt. Der Eine riecht vielleicht besonders gut oder hat einen bestimmten Kleidungsstil und der Andere kann einen am besten zum Lachen bringen. Wir alle haben mindestens eine Eigenschaft, die von Menschen, die uns umgeben, geschätzt wird. Unbewusst oder Bewusst, Menschen erinnern sich, auch wenn sie manchmal nicht wissen wegen was sie sich erinnern.
Jeder von uns hat diesen bestimmten Wiedererkennungswert.

Mir rutschte das Herz in die Hose und ich verfluchte mich, als ich sah in was für ein Auto ich da reingerast war. Ein Mercedes der ganz teuren Sorte. Ich hätte am liebsten angefangen zu heulen, denn die einzigen Wörter die die ganze Zeit in meinem Kopf herumschwirrten, waren : Geld und Schulden.
Jane ging mit schnellen Schritten auf das Auto zu, dessen Fahrer immernoch nicht ausgestiegen war. Man konnte nicht erkennen wer darin saß, denn die Scheiben waren abgedunkelt.
Sie klopfte ein paar Mal aggressiv auf das Dach und rief: "Steig aus du Vollidiot!"
Im nächsten Moment ging auch schon die Türe auf und ich konnte die Umrisse eines männlichen Wesens erkennen. Irgendwie kam er mir ziemlich reich vor, auch des Autos wegen.
Als dann die flackernde Laterne ihn beleuchtete, fiel mir beinahe die Kinnlade auf den asphaltierten Boden. Oh nein.
Seinem Gesichtsausdruck zu urteilen, schien er verängstigt. Seine Augen glänzten und es schien als hätte er Tränen in den Augen.
"Verdammte Scheisse!", rief er frustriert und fuhr sich durch die Haare. Ich schreckte auf als er gegen das Auto trat. Er lief auf und ab und begann immer mal wieder etwas vor sich hin zu fluchen. Jane und Ich bewegten uns nicht.
Keinen Augenblick später änderte sich plötzlich seine gesamte Aura. Er blieb stehen und blickte uns abwechselnd tief in die Augen, dabei war sein Kiefer angespannt und seine Hände zu Fäusten geballt. Er sah so verdammt wütend aus und mir fiel nichts ein, dass ich hätte sagen können um ihn zu beruhigen.
Ich stand nur da, geschockt vom Anblick der sich mir bot. Ich hatte keine Ahnung, wie er von einer Sekunde auf die Andere plötzlich zwei so starke Gefühle ausstrahlen konnte. Von Angst zu Wut. Seine Wut konnte ich in gewisser weise nachvollziehen, aber warum hatte er Angst?
"Wie wärs mit aufpassen?! Dieses scheiss Auto ist mehr wert als ihr Beide zusammen.", zischte er.  Ich bekam Angst vor ihm.
Angst vor dem jungen aus dem Museum.

Jane funkelte ihn böse an und ging drohend auf ihn zu. "Was...", sie bohrte ihren Zeigefinger in seine Brust, "können wir dafür, wenn du wie ein Irrer über diesen scheiss Parkplatz wuselst?! Nur weil du vielleicht Geld hast, kannst du dir sicherlich nicht alles erlauben!"
Sie ließ aus, das ich ausversehen volle Kanne aufs Gas getreten hatte, aber das war mir dann auch egal. Ich war einfach nur froh das sie mich beschützte.
Der Junge verfiel in schallendes Gelächter und langsam verwandelte sich mein Angst in Wut um.
"Was fällt dir eigentlich ein so blöd zu Lachen?! Das ist ganz und gar nicht witzig!"
In dieser Sekunde war sein Lachen überhaupt nicht mehr so wie damals im Museum. Es klang eher wie das eines Teufels, in meinen Ohren.
Er zog seine Augenbrauen zusammen. "Keine Angst, Kleines. Du wirst schon nicht an deinen Schulden ersticken, wenn du das hier...", er zeigte auf die Delle in der Wagentür und grinste, "bezahlen wirst."
Jane blickte mich geschockt an. Daran hatte sie wahrscheinlich garnicht mehr gedacht.
Die Verzweiflung nisteste sich langsam bei Jane und mir ein und wir sagten einfach garnichts mehr.
"Okay, ich denke mal ihr habt jetzt lange genug gehofft, das hier weare nie passiert, also brauche ich jetzt eure Namen."
Er zwang uns wirklich in die Knie. Normalerweise waren Jane und Ich ein abartig starkes Team. Wir zwangen alle in die Knie. Aber dieses Mal fühlten wir uns beide wie zwei nutzlose Kirchenmäuse.
"Jane", nuschelte sie peinlich berührt.
"Malía", tat ich es ihr gleich.
Und plötzlich fiel mir auf, dass er mich garnicht erkannt hatte. Dass er garnicht wusste wer ich war, obwohl ich so dicht vor ihm stand, das alles erst mehr als eine Woche her war und er nun sogar meinen Namen wusste.
"Aha", gab er als Kommentar ab und schrieb es sich auf. Dabei sah er genauso aus wie am Tag, als er die Skulptur abgezeichnet hatte. Beinahe hätte ich angefangen zu Lachen, als mir wieder einfiel wie sein Endergebnis aussah, doch dann überkam mich wieder sowas wie Enttäuschung, weil er nicht mehr wusste wer ich war, obwohl er meinen Namen doch so schön fand.
Ich ließ den Kopf hängen. Dieser Typ vor uns war mindestens 2 Jahre jünger als Jane und trotzdem hegte sie Angst vor ihm.
"Und, an wen von euch zwei Süßen kann ich mich wenden, wenn wir besprechen müssen wie es weitergeht?"
Ich verspürte das dringende Gefühl ihn durchzuschütteln um den Jungen im Museum wieder hervorzuholen, denn er war zum größten Kotzbrocken mutiert.
Ich riss ihm das Blatt aus den Händen und kritzelte meine Handynummer drauf. Als ich es ihm gleich danach wieder zurück gab, blickte ich ihm für einige Sekunden tief in die Augen, mit der Hoffnung er würde sich vielleicht doch noch erinnern, aber sein kalter Blick verriet mir das es nicht der Fall war.

"Oh mein Gott, was für ein Arschloch", rief Jade aufgebracht und lies sich in den, jetzt verbeulten, Käfer fallen.
Ich starrte durch das Fenster und wiederholte das Szenario immer und immer wieder. Ich versuchte herauszufinden warum er sich so unfreundlich gab, obwohl er doch ganz anders zu sein schien.
"Hey, alles okay mit dir?", fragte Jane vorsichtig und strich mir über den Arm. Ich sagte nichts.
"Mach dir keine Sorgen, wir kriegen das mit den Kosten schon hin. Ich weiß zwar noch nicht wie, aber wir schaffen das." Sie versuchte aufmunternd zu wirken, aber sie versagte kläglich. Diese Situation konnten wir einfach nicht durchstehen. Nicht mit Dads Schulden. Aber es war nunmal passiert und wir konnten es in keinster Weise rückgängig machen.

"Kanntest du den Typ? Du sahst so geschockt aus ,als er ausgestiegen ist."

"Jane, es war der Typ aus dem Museum."

Ihre Augen weiteten sich.

"Oh Gott."

Ich verstand diesen Tag nicht.
Wie konnte er seine Gefühle so schnell ändern? Warum wirkte er anfangs so ängstlich? Wieso schien er mich nicht zu erkennen?
Hatte ich denn wirklich keinen Wiedererkennungswert?

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