Kapitel 7

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Kameras, Reporter, Journalisten und ihr Team, alle samt haben sie sich um den Unfallort versammelt. Hunderte von Menschen stehen hinter den Absperrungen, schießen Fotos, versuchen irgendetwas zu finden, was sie vor allen anderen online stellen können. Eine vollkommen normale Scene wenn man so will. Keiner von ihnen fragt sich wer alles verletzt oder gestorben ist, es interessiert sie einfach nicht. Nur die Zahlen ihrer Follow liegen ihnen am Herzen. Aber das eine Frau, ein Mann, eine Mutter, ein Vater oder ein Kind gerade erfährt, welches Schicksal seinem Angehörigen widerfahren ist, dafür interessiert sich keiner. Niemand will hören wie es den Verletzen geht, ob sie überhaupt durchkommen. Es ist ein widerwärtiger Anblick und zum ersten Mal, seit ich weiß was ich bin, bin ich froh keine von ihnen zu sein. Niemals würde es mir in den Sinn kommen von den Toten Bilder zu machen und sie auf Facebook, Twitter oder Instagram hochzuladen. Meine Menschenkenntnis ist miserabel, doch selbst ich erkenne, wie sie sind.
Vor zwei Stunden, vielleicht auch mehr, traf ein S.H.I.E.L.D.-Team ein, doch die Reporter waren schon hier. Wie die Geier haben sie sich auf uns gestürzt und uns mit Fragen durchlöchert. Es brauchte sechs Agenten, um sie einigermaßen in den Griff zu bekommen und sie hinter der Absperrung zu halten. Kurz darauf kamen auch schon die ersten Rettungswagen und kümmerten sich um die Opfer. Die meisten schafften es nicht einmal lebend in den Krankenwagen. Nachdem die schlimmsten Fälle gerettet oder beseitigt wurden, widmeten zwei der Notärzte mir ihre Aufmerksamkeit. Hecktisch und unter enormen Druck fummelten sie an mir herum und suchten nach Verletzungen. Im Gegensatz zu den anderen, habe ich kaum etwas abbekommen. Blutergüsse an jeder erdenklichen Stelle, Platzwunden an Stirn und Hinterkopf, Glassplitter in den Armen und Händen und natürlich Kratzer auf meinem ganzen Körper verteilt. Ich sehe schlimm aus, doch immer noch besser als der Mann mit der Kugel in seinem Herzen. Ich musste zusehen wie sie ihn aus seinem Wagen zehrten und versuchten ihm zu helfen, doch nichts und niemand hätte ihm helfen können. Er war nicht einmal Anfang dreißig und musste schon sein Leben lassen. Es war grauenvoll und ich konnte mich kaum auf den Beinen halten, doch meine einzige Sorge gilt Nick. Seit er fliehen konnte habe ich nichts mehr von ihm gehört, kein Anruf nichts. So viel Blut wie ich im Wagen sah, muss er sich schwer verletzt haben und muss umgehend in ein Krankenhaus. Aber ich weiß genau, dass er sich irgendwo versteck hält. Nicht einmal im Traum würde er seine Gesundheit über seine und S.H.I.E.L.D.s Sicherheit stellen. Es mag hart klingen, doch S.H.I.E.L.D. ist das einzige was er hat, seit ich auf Abstand gegangen bin.
„Zoe!", dringt plötzlich eine aufgeregte Stimme aus dem Krach hervor. Ich sehe zur Seite und durch die Menge hindurch.
„Maria!" Schnell springe ich von meinem Platz im Krankenwagen und stoße die Notärzte beiseite. Maria zwängt sich durch die Maße und schlingt ihre Arme um mich als sie endlich bei mir angekommen ist. Ich halte die Luft vor Schmerz an, erwidere ihre Umarmung allerdings trotzdem. Auf Zehenspitzen verweile ich noch eine Weile so, bevor der Schmerz die Überhand gewinnt und ich mich von ihr lösen muss.
„Geht es dir gut, bist du verletzt?", fragt sie hektisch. Bei einem kurzen Blick auch mein Gesicht und meine Arme erübrigt sich jedoch ihre Frage.
„Es geht mir gut", beruhige ich sie schnell.
„Was ist passiert?" Mit einem leichten Druck auf meine Schulter schiebt sie mich abseits des Getümmels um uns herum. Hinter einem Krankenwagen bleiben wir stehen.
„Wir wurden von Polizisten angegriffen. Sie waren auf einmal aus dem Nichts da und haben auf uns geschossen und versucht uns aus dem Wagen zu kriegen. Und dann war da noch..." Ich unterbreche mich kurz um die richtigen Worte zu finden. Soll ich ihr überhaupt von ihm erzählen?
„Ich glaube er war Soldat, oder sowas. Er trug eine Maske von seinen Augen bis zum Kinn und..." Ich sollte keine Geheimnisse vor ihr haben, aber wie soll ich diese Situation beschreiben? Was ist überhaupt vorgefallen, was war das?
„Er hat mich aus dem Auto gezogen und...angesehen. Er hat mich nicht verletzt, einfach nur angesehen. Und dann ist er verschwunden." Unerfreulicher Weise erröten meine Wangen und mein Blut strömt kochend heiß durch meine Adern. Ich kann es mir selbst nicht erklären und habe auch noch nicht wirklich darüber nachgedacht. So zielstrebig wie der Mann auf unseren Wagen zukam, dachte ich eher er hätte vor uns zu töten, Nick zu mindestens. Aber das er mich verschont und sogar gehen lässt, wäre mir im Traum nicht eingefallen. Er sah so aus als hätte er vor mich zu verletzten, aber irgendetwas ist mit ihm passiert, was seine Meinung änderte.
„Ist dir noch etwas aufgefallen?", fragt sie skeptisch nach als sie meine Zurückhaltung bemerkt. Ich schüttle nur still den Kopf. Ich bin keine herausragende Lügnerin und will sie auch gar nicht belügen.
„Wir sollten dich ins Krankenhaus bringen, du könntest eine Gehirnerschütterung haben, wenn ich mir den Wagen so ansehe", wechselt sie das Thema. Wieder nicke ich. Mir geht es zwar gut, aber eine kleine Untersuchung könnte wirklich nicht schaden. Vielleicht schaffe ich es den Arzt zu überreden mir Tabletten zu verschreiben, damit ich ohne Probleme oder verwirrende Träume schlafen kann.

Die letzte Sirene - The Winter SoldierWo Geschichten leben. Entdecke jetzt