Mit ein paar schmerzhaften Stichen hat der Doc meine Stirn wieder zusammengeflickt und mich Maria überlassen. Bisher habe ich noch kein Wort mit ihr gewechselt, oder sie geschweige denn nur angesehen. Sie wusste alles, hat den Anruf inszeniert, mich trauern und im Ungewissen gelassen. Immer wieder frage ich mich, wie viel sie eigentlich noch weiß. Sie ist Nicks engste Vertraute, sogar sehr viel näher als ich, sie muss es wissen. Allein dieser Gedanke lässt meine Wut auf sie noch größer werden. Muss es denn wirklich immer so sein, dass wir uns gegenseitig belügen? Ich will gar nicht wissen, was sie noch alles vor mir verheimlichen. Wahrscheinlich wusste sie auch von Bucky Bescheid. Steve ist auch ein Opfer dieser elenden Lügengeschichten geworden, genauso wie ich. Und dass Nick nichts von Bucky wusste, kann ich mir nicht vorstellen. Er hat mir tagtäglich ins Gesicht gelogen und ich habe nichts gemerkt. Er spielt dieses Spiel schon einfach viel zu lange und merkt es vermutlich nicht einmal mehr selbst. Aber wenigstens jetzt könnte er damit aufhören und auch Maria.
„Zoe es tut mir Leid wegen..."
„Tut es dir nicht", unterbreche ich sie harsch. Wenn sie mich schon alle belügen müssen, können sie wenigstens dazu stehen.
„Es musste echt rüberkommen, ansonsten hätten sie es niemals geglaubt", versucht sie sich verzweifelt zu erklären. Als ob das irgendetwas ändern würde...
„Natürlich, es sind ja nur meine Gefühle, also nichts Wichtiges."
„Zoe so war das..."
„Hör doch einfach auf, Maria!" Vor lauter Wut, werfe ich meinen neuen Pulli zur Seite. „Ich will es nicht hören okay? Ich habe genug davon. Von dir, von Nick, von S.H.I.E.L.D. Ich will nicht mehr!" Als hätte ich ihr einen Ball gegen den Kopf geworfen, sieht sie mich entgeistert an. Ihre Lippen spalten sich, doch es kommt kein Ton von ihr.
„Wenn das heißt, dass wir nicht mehr miteinander sprechen können, nur damit ich keine Lügen mehr hören muss, dann nehme ich das gerne in Kauf." Ich ziehe den Reißverschluss des Anzugs ganz zu und verlasse die Umkleide. Die Sache soll ganz einfach schnell über die Bühne gehen, dann können Steve und ich wieder zurück in unser altes Leben.
Aus der entgegengesetzten Richtung, kommt mir Sam entgegen, der ebenfalls schon seinen „Anzug" trägt. Dieser S.H.I.E.L.D. - Unterschlupf hat zu meinem Glück noch einige Sachen auf Vorrat gehabt, wie zum Beispiel Agentenanzüge und Ausrüstung. Die Hosenenden musste ich ein Stück hochkrempeln, doch sonst passt er beinahe wie angegossen. Schwarz ist zwar nicht gerade eine Farbe, die mir schmeichelt, aber zu einer Stunde wie dieser, sollte man nicht sonderlich wählerisch sein.
„Wir müssen los, Steve wartet wahrscheinlich schon am Treffpunkt", meint Sam und kommt vor mir zum Stehen. Ich stimme ihm mit einem Nicken zu, welches er besorgt zur Kenntnis nimmt.
„Alles okay bei dir?"
„Nein, aber wir haben wichtigeres zu tun." Hinter mir taucht Maria auf, mit noch einer weiteren Person im Schlepptau.
„Ist alles bereit?", fragt Nick mit rauer Stimme. Ich drehe mich zu ihnen um und gehe ein Stück näher zu Sam, um eine größere Distanz zwischen uns zu bringen.
„Sind Sie sicher, dass Sie dabei sein sollten?" Unkraut vergeht nicht, denke ich mir bei dieser Frage nur, verkneife mir aber diesen abfälligen Kommentar.
„So schnell bringt mich nichts um." Nicks Blick ruht für einige Sekunden auf mir. Zu sagen, dass er sich schuldig fühlt, wäre wohl etwas übertrieben. Aber er weiß definitiv, dass er etwas falsch gemacht hat. Eine Entschuldigung wird ihm aber trotzdem nicht über die Lippen kommen, das weiß ich jetzt schon - für so etwas ist er viel zu stolz.
„Können wir dann los, wir verschwenden Zeit", maule ich den beiden entgegen und setzte mich ohne zu warten in Bewegung. Steve holt wahrscheinlich gerade erst seine Uniform, aber trotzdem ist es besser zu früh, als zu spät zu kommen. Erst recht, da Insight in weniger als drei Stunden startet. Und ich muss sicher nicht erwähnen, was passiert, wenn wir HYDRA nicht aufhalten können. Millionen von Tote werden unsere Schuld sein und damit könnte keiner von uns leben. Selbst Nick und Maria nicht.Mit schnellen Schritten, stapfen wir durch das Laub des Waldes. Zum Glück ist der Unterschlupf nur wenige Kilometer von der Stadt entfernt, sodass wir gerade noch genug Zeit haben dürften um Pierce aufzuhalten.
„Du solltest dich mit ihm versöhnen", meint Sam, wie schon wenige Minuten zuvor. Seit einer halben Stunde versucht er schon auf mich einzureden, als wäre ich ein kleines Kind. Wollen sie es denn alle nicht verstehen? Ja, ich hatte schreckliche Gewissensbisse, weil ich mich vor „Nicks Tod" nicht mit ihm ausgesprochen habe, aber allein schon aus Prinzip werde ich nicht bei ihm angekrochen kommen. Er hat mich belogen und das nicht nur einmal. Wenn sich jemand entschuldigen sollte, dann er. Schließlich war er es, der seinen Tod vorgetäuscht hat und mich beinahe in den Abgrund zurück getrieben hätte.
„Nein. Ich bin ihm keine Rechenschaft schuldig, er hat es verbockt, nicht ich", beharre ich auf meiner Meinung und verschränke bockig die Arme vor meiner Brust.
„Er hat es getan um dich zu beschützen, nicht um dir wehzutun." Sams belehrender Blick sticht mir so tief in den Rücken, dass ich beinahe glaube er würde mir wirklich mit einem Schraubenzieher Vernunft einstechen wollen.
„Damit ist er aber zu weit gegangen. Hast du eine Ahnung wie es ist jemanden wie ihn zu verlieren?" Ungewollt erlangt meine Stimme Stärke. „Ich musste jeden Tag meines Lebens damit zu Recht kommen, dass er von seinem nächsten Einsatz nicht mehr zurückkommen könnte. Er war die einzige Person die damals für mich wirklich gezählt hat, die jeden Tag bei mir war. Und ausgerechnet er ist es, der mich belügt und betrügt. Es ist mein gutes Recht sauer auf ihn zu sein."
„Und was ist, wenn der Tag heute anders endet als wir es uns wünschen?" Mit zusammengezogenen Augenbrauen bleibe ich abrupt stehen. Sam kann mir gerade noch ausweichen, bevor er in mich hineingelaufen wäre. Ich will etwas erwidern, doch Steve kommt mir dazwischen. Hinter einer Ecke taucht er neu eingekleidet auf und stellt sich zu uns.
„Seid ihr alle bereit?", fragt er in seinem Kommandoton, den er immer bekommt, wenn ein Kampf bevorsteht. Nick scheint die neue Rollenverteilung wenig zu schmecken, doch die Pille muss er nun schlucken, wenn er nicht alles verlieren will.
„Alle bereit, Cap", antwortet Sam und stellt sich aufrecht hin, ganz wie der Soldat, der er ist. Steve sieht mich als letztes an und nähert sich mir ein paar Schritte.
„Ich halte deinen Plan immer noch für eine schlechte Idee", sagt er frei heraus mit einer Hand an meiner Wange. Ich schmiege mich an seine heiße Haut und lächle leicht.
„Mir tut er nichts, warum auch immer. Ich werde ihn von euch ablenken, dann habt ihr eine bessere Chance." Selbst aus dem Augenwinkel, entgeht mir Nicks scharfer Blick nicht, mit dem er uns aufmerksam betrachtet.
„Halte dich bitte trotzdem zurück", drängt er, bevor er mir einen Kuss auf die Stirn gibt und zurück auf seinen Posten tritt.
„Jeder kennt seine Aufgaben?" Alle nicken. Demonstrativ hält Steve seinen Schild an die Brust und gibt uns ein Zeichen. Wir setzen unseren Weg fort und kommen wenige Schritte später am Ufer zur Stadt an. Das S.H.I.E.L.D.-Gebäude ragt wie ein Mammutbaum aus der Skyline heraus. Und genau das, müssen wir nun kaputt machen. Oder zu mindestens unschädlich. Obwohl Steves Ansage gegenüber Nick klar und deutlich war. Er will alles beseitigen, wobei ich ihn vollkommen unterstütze. S.H.I.E.L.D. mag zwar unendlich viele Leben gerettet haben, aber dafür droht es jetzt genauso viele auszulöschen. HYDRA und S.H.I.E.L.D. Es gab nie einen Unterschied. Beide sind eins und waren schon immer miteinander verbunden. Zwei Organisationen, wie Zwillinge. Ihre Ansichten mögen sich zwar unterscheiden, aber die eine wird von der anderen ständig untergraben. Abwechselnd drängen sie sich an die Oberfläche, einmal der, das nächste Mal der andere. Sie sind wie ein Rad, das sich ständig dreht und alle anderen unter ihnen zermalmt. Das muss aufhören, es muss vernichtet werden.
DU LIEST GERADE
Die letzte Sirene - The Winter Soldier
FanfictionNach dem Tod von Loki, schaffte es Zoe nur schwer zurück in den geregelten Alltag. Sie musste einiges ertragen und verarbeiten, doch dank Steve und ihren Freunden schaffte sie es sich aus ihrem Loch zu befreien. Normalität kehrte zurück, wenn auch n...