Eine kalte Hand berührt sanft meinen Unterarm. Erschrocken zucke ich zusammen und drehe mich schnell zur Seite. Ein stürmisch blauer Ozean kommt mir entgegen und reißt mir für einen Moment den Boden unter den Füßen weg. Wie zu Eis gefroren, stehe ich regungslos vor Steves Krankenbett. Meine Lippen spalten sich, doch meine Stimmbänder geben keinen Ton von sich.
"Bist du okay?", fragt er mit gebrochener Stimme. Mir entkommt ein Lachen als Antwort. Wieder fähig mich zu bewegen, lasse ich mich einfach auf ihn fallen und schlinge meine Arme um seinen Hals. Steve zieht scharf die Luft ein, als ich eine seiner Wunden streife.
"Tut mir leid." Ich stütze mich vorsichtig auf seinem Oberkörper ab. Meine Augen treffen direkt auf seine und lassen uns sinken. Verflucht, sein Ozean lässt mich jedes Mal aufs Neue ertrinken.
"Was ist passiert?", fragt er mit trockener Stimme und richtet sich ein kleines Stückchen auf. Er sieht sich verwirrt im Raum um und blickt schließlich zu den Kabeln und Schläuchen, an die er festgemacht ist.
"Ich habe dich am Ufer gefunden." Damit er richtig atmen kann, setze ich mich neben ihn, lasse meine Hand allerdings zu seiner wandern. Es ist beinahe wie ein Drang, seine Haut auf meiner zu spüren. Irgendwie gibt mir dieses Gefühl Sicherheit und ich kann beruhigt sein, dass es ihm gut geht. "Bucky hat dich dort abgelegt", füge ich mit leiser Stimme hinzu. Eigentlich wollte ich es ihm nicht sagen, aber Steve hat ein Recht darauf. Ich will nicht wie Nick sein und ihn an der Nase herumführen.
"Er hat mich aus dem Wasser gezogen?", hakt er überrascht nach. Steves Augen liegen skeptisch auf meinen und plötzlich verwandelt sich sein Blick in etwas anderes. "Hat er dir etwas getan?" Panisch sucht er meinen Körper nach Verletzungen ab. Ich lächle leicht bei diesem Gedanken. Steve ist knapp mit dem Leben davongekommen und trotzdem sorgt er sich mehr um die anderen.
"Er hat mich nicht angerührt", versichere ich ihm und streiche beruhigend über seinen Handrücken. "Du hast mir schlimmere Schmerzen zugefügt, als er es jemals gekonnt hätte." Seine Augenbrauen schnellen in die Höhe. "Ich sagte keine Opferung." Anklagend betrachte ich ihn. Natürlich bin ich ihm nicht wirklich böse, aber das soll er ruhig glauben, einen Moment lang wenigstens. Es mag zwar seine Persönlichkeit ausmachen, und dass er nicht anders kann, trotzdem kann ich es nicht billigen.
"Ich hatte keine Wahl", murmelt er und sieht auf unsere Hände.
"Natürlich hattest du eine Wahl", gebe ich sanft zurück. "Und ich bin stolz, dass du sie getroffen hast." Überrascht sieht er hoch. "Du bist ein Held, Steve, du konntest nicht anders." Ich lasse ein Grinsen auf meinen Lippen erscheinen. Steve wird von mir angesteckt und grinst nun ebenfalls. Er hebt seine Hand mit meiner an und beugt sich leicht hinunter. Seine Lippen hinterlassen einen sanften Kuss auf meinem Handrücken.
"Ich wollte dir keine Angst machen", meint er mit warmer Stimme. Sein Gesicht ist so voller Emotionen, dass ich kaum hinterherkomme alle zu analysieren.
"Ich weiß." Ob es mir passt oder nicht, ich muss akzeptieren, dass sie alle ihr Leben für den anderen geben würden. Jeder Held auf dieser Welt, will nur das Beste für die Menschheit. Und Steve ist nun mal einer von ihnen. Nur weil es mir Angst macht, wird er nicht damit aufhören Leben zu retten, was ich auch niemals von ihm verlangen würde - von keinem von ihnen.
"Haben sie Bucky mitgenommen?", fragt er mit dicker Sorgenfalte. Aus meinen Gedanken geworfen, sehe ich ihn an, und brauche eine Sekunde, um mich wieder zurecht zu finden.
"Nein, er ist einfach verschwunden. Ich wollte ihn aufhalten, aber du warst mir in diesem Moment wichtiger." Schuldig blicke ich auf die blau gepunktete Decke. Steve wird mir immer wichtiger sein als Bucky. Warum auch nicht, schließlich kenne ich ihn so gut wie gar nicht.
"Hey", sagt er lächelnd und schiebt sachte eine Hand unter mein Kinn. "Ich mache dir deswegen keine Vorwürfe." Seine Hand wandert zu meiner Schulter, woran er mich vorsichtig zu sich zieht. Knapp vor seinem Gesicht lässt er mich los. Er streicht einmal durch mein Haar und lässt seine Hand dann auf meiner Wange ruhen. "Wie könnte ich dir jemals böse sein?", flüstert er so leise, dass ich es beinahe überhört hätte. Seine Augen schließen sich und er kommt mir näher und näher. Wärme breitet sich in mir aus, doch plötzlich durchfährt mich ein grausamer Stich, der mich hastig atmen lässt. Mein Herz drückt sich zu, verkrampft sich beinahe bei Steves näherkommendem Körper. Mein Körper möchte ihn von mir stoßen, doch mein Verstand lässt es nicht zu, hält mich unter Kontrolle. Hinter uns quietscht es laut und wir schrecken hektisch auseinander. Sams neugierige Nase kommt zur Tür herein. Breit grinst er wissend.
"Unser Dornröschen ist also endlich aufgewacht", kommentiert er diesen peinlichen Moment. Hastig richte ich mich auf und entferne mich einen Schritt von Steves Bett. Eigentlich stört es mich nicht, dass er uns erwischt hat, aber es ist die perfekte Gelegenheit um Abstand zu gewinnen. Was war das? Wieso wollte ich ihn auf einmal nicht mehr? Vor dem Kampf hätte ich mir nichts Besseres vorstellen können... doch jetzt? Langsam schleichen sich die Gedanken an meinen Traum zurück in meinen Kopf. War es wirklich wieder nur Einbildung? Hat es etwas mit der Kette zu tun? Habe ich es nur geträumt, weil ich mich schuldig fühlte?
Ein hässliches Stechen breitet sich in meinen Schläfen aus. Das ist alles zu viel auf einmal!
"Ich werde dir ein paar Sachen holen, die brauchst du sicher, bevor du wieder entlassen wirst", unterbreche ich Sam bei seinem Redeschwall. Stolz wie ein kleiner Junge erzählt er Steve wie er gegen Rumlow gekämpft hat und wie wir zusammen in die Tiefe gestürzt sind.
"Warum hast du nichts gesagt, das hätte ich doch auch machen können?", hakt Sam nach.
"Ich muss mich auch mal umziehen und vielleicht duschen", antworte ich so neutral, wie es mir möglich ist. Steves Blick liegt fragend auf mir, doch ich ignoriere es. "Ich bin in zwei Stunden wieder da." Damit Steve sich nicht die nächsten Stunden den Kopf zerbricht, gebe ich ihm einen leichten Kuss auf die Stirn. Alles in mir sträubt sich gegen diese kleine Geste, doch es muss sein.
"Pass auf, dass er liegen bleibt", ordne ich Sam mit gehobenem Finger an, der grinsend nickt.
"Bis später." Ich verschwinde zur Tür hinaus und atme erleichtert auf, als ich allein im Aufzug bin. Was läuft denn nur falsch bei mir? Wieso kann ich keine Entscheidung treffen? Steve oder Loki, Loki oder Steve, was ist daran denn nur so schwer!
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Die letzte Sirene - The Winter Soldier
Hayran KurguNach dem Tod von Loki, schaffte es Zoe nur schwer zurück in den geregelten Alltag. Sie musste einiges ertragen und verarbeiten, doch dank Steve und ihren Freunden schaffte sie es sich aus ihrem Loch zu befreien. Normalität kehrte zurück, wenn auch n...