» Der grosse Tag «

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Nachdenklich starrte ich an die graue Decke. Meine dünnen Arme hatte ich hinter meinem Kopf verschränkt. Ich musste mich zusammen reissen, dass ich nun nicht einfach anfing zu heulen. Ohne Grund. Oder war Flake der Grund dafür, dass ich am liebsten aus dem Fenster springen wollte oder das ich einfach einschlafen und nie wieder erwachen wollte? »Ja. Crystal. Ich mag sie. Sehr.«, hatte er gesagt. Er hatte nicht meinen Namen genannt. Aber wenige Stunden zuvor, wollte er mich noch küssen und trotzdem hatte er mich so schnell ersetzt? Ich blinzelte die Tränen aus meinen Augen und presste meine Lippen zu einer schmalen Linie zusammen. Ich musste ihn einfach vergessen und an meinen Plan denken. Müde schlossen sich meine Augenlider und ich glitt in das Land der Träume.

»Felicia, Felicia, Felicia!« Ich fuhr herum. Ich befand mich auf einer Wiese. Ich kannte diese Wiese nur zu gut, hier wurde nämlich mein Bruder getötet. »Felicia, warum hörst du mir nicht zu?« Vor mir tauchte Finnley auf. Er hatte dunkle Augenringe und sein Gesicht was Blut überströmt. »Finnley«, hauchte ich verwundert und wollte ihn Umarmen. Doch er stiess mich zurück. »Felicia, hör mir zu. Hör mir zu, ja?«, seine Atem ging schwer, als wäre er mehrere Kilometer gerannt. Verwirrt blickte ich ihn an. »Du musst ein Karrerio bleiben, sonst wird das ganze ein schlimmes Ende haben. Hilf deiner Freundin, aber verlass die Karrerios nicht!« Er legte seine warme Hand an meine Wange. »Und du musst stark bleiben. Felicia, hast du verstanden?« Ich wollte nicken und etwas erwidern, aber da stürzte auch schon Thélmo mit erhobenem Schwert aus dem Gebüsch und stiess Finnley zu Boden...

Mit weit aufgerissenen Augen schreckte ich aus meinem Traum. Was zum Teufel war das? Ich zitterte an meinem ganzen Körper. Ich hatte heiss und kalt zur selben Zeit. Vorsichtig rieb mir über die feuchte Wange und warf die Bettdecke zurück. Ruhe bewahren, Felicia, ruhe bewahren. Ich streckte mich und lief zu meinem Schrank. In dem fand ich eine braune Lederjacke, welche ich auch sofort heraus nahm und anzog. Aus meinen tausenden von Schuhen suchte ich mir irgendwelche Stiefel heraus, die innen mit Fell ausgestattet waren. Leise schlich ich mich aus dem Apartment zum Aufzug, wo ich auch gleich in den 11. Stock fuhr. Dort angekommen, stiess ich vorsichtig die »Betreten Verboten« Türe auf und trat in die kühle Nachtluft. Ich wollte mich auf die Bank setzen, als ich einen Umriss eines Menschen am Balkongeländer entdeckte. Die blonden Haare flogen wild durch die Luft, da der Wind wehte. »Flake?«, fragte ich vorsichtig aber mit einem wütenden Unterton. Ohne das sich die Person umdrehte sage sie: »Nein. Thélmo.« Der Name liess mich zusammenzucken und ich musste an die Situation im Aufzug denken. »Hallo, ich dachte du seiest Flake«, seufzte angespannt ich und lehnte mich ebenfalls ans Geländer. Von hier sah man auf perfekt auf das Kapitol. »Am liebsten würde ich hier hinunter springen«, gab ich frustriert zu. »Nicht. « Thélmos Stimme klang so ruhig, so als hätte er mir die Sache im Aufzug verziehen. »Da hat es ein Kraftfeld und du würdest zurück geschleudert werden.« Ich biss mir auf die Unterlippe und sah zu Thélmo, welcher einfach auf das Kapitol runter starrte. »Warum schaust du so? Willst du vielleicht ein Foto?« Sofort sah ich weg und errötete. Ich hörte wie er leicht lachte. Er hatte dasselbe Lachen wie sein Bruder. »Ich habe geträumt - von dir.« Ich wusste selber nicht, warum ich ihm das erzählte. »Aha«, er zog eine Augenbraue in die Höhe. «Warum das?« »Du hast meinen Bruder getötet, in Distrikt 4 träume ich ständ..« Thélmo legte seinen Zeigefinger auf meine Lippe und schüttelte den Kopf. Er sah traurig aus und seine Augen schimmerten. »Tut mir leid, ich wollte dich nicht...« Ich wusste nicht genau was ich sagen wollte, deshalb blickte ich danach wieder auf das Kapitol hinunter. Eigentlich sollte ich ihm an die Kehle springen und ihn umbringen, aber ehrlich gesagt hatte ich keine Lust dazu, oder war zu müde. Und er war eigentlich ein ganz normaler Mensch mit viel Geld und einigen Leben auf dem Gewissen. »Er liebt dich.« Mit zusammen gezogenen Augenbrauen blickte ich zu Thélmo. »Wer?« »Flake.« Ich wusste nicht ob ich lachen oder weinen sollte. Deshalb blieb es bei einem emotionslosen: »Nein.« »Er will dich schützen, Felicia.« Ich strich mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht: »Nenn mich Feli, ich habe es langsam satt, das mich alle Felicia nennen. Und von wem sollte er mich schützen?« »Na gut, Feli«, er lächelte schief. »Er will ich von Crystal schützen. Mit der Frau ist nicht zu Spassen.« »Sie hat eine 10 und ich eine elf.« »Aber sie hat ihr Leben lang trainiert, okay?«, er klang plötzlich so ernst, fast verzweifelt. »Du wirst sicherlich zögern, wenn du jemanden umbringen willst. Sie nicht!« Das machte Sinn. Langsam nickte ich und bekam es mit der Angst zu tun. Was wenn Crystal sie morgen beim Füllhorn doch sofort Umbringen wollte?

Mein Atem ging unruhig und mein ganzer Körper zitterte. »Alles in Ordnung, Felicia?«, Kellie blickte mich besorgt an. »Du kannst jetzt nicht einfach umkippen.« »Ich weiss«, stammelte ich leise vor mich hin. »Felicia?« Vorsichtig hob ich den Kopf und blickte in die mandelbraunen Augen von Kellie: »Ja?« »Du packst das schon, verstanden? Vertrau nur am Anfang den Karrerios, später nicht mehr, denn dann werden sie zu kaltblütigen Killer und bringen auch ihre Verbündeten ohne mit der Wimper zu zucken um.« Ich nickte leicht. »Verstanden.« Der Aufzug ging auf und sofort wurde ich von der Sonne geblendet. Ich hielt meine Hand schützend vor mein Gesicht und trat hinaus. Vor mir stand ein Hovercraft. Diese Dinger waren grösser, als ich es mir je vorgestellt hatte. »Beeindruckend, nicht wahr?«, Kellie lächelte schief. Ich presste die Lippen aufeinander. »Du schaffst das, Felicia. Ich glaub an dich und ich werde dich unterstützen, wo ich kann. Wir sehen uns.« Sie legte ihre Arme um meinen zierlichen Körper und zog mich an sich. »Danke, für alles.« Dann wurde ich von Friedenswächter abgeholt, die mich zum Hovercraft brachten.

Ich war der einzige Karrerio in dem Hovercraft und zu meinem Glück wurde ich neben Happy gesetzt. Die anderen Tribute musterten mich ängstlich, wahrscheinlich waren sie überrascht über meine elf. »Dein Arm, bitte.« Ein Friedenswächter riss meinen Arm in die Höhe und steckte die grosse Spritze in meinen Arm. Es schmerzte fürchterlich und ich musste die Tränen unterdrücken. Dann ging der Friedenswächter zu Happy weiter, die einen lauten Schrei von sich gab. Nachdem das Hovercraft sich bewegte, lehnte ich mich zu Happy hinüber und legte meine Lippen an ihr Ohr. »Vergiss nicht. Such dir ein Versteck in der Nähe vom Füllhorn, es muss aber ein gutes sein. Und wenn du merkst, das ich dich suche, komm auf mich zu, ja? Pass gut auf dich auf.« »Verstanden, Feli.« Ihre Stimme klang ängstlich. Ich nahm ihre Hand und drückte sie: »Wir schaffen das schon.«

Revenge ~ Das Spiel der Rache [#1]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt