» Die Interviews «

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»Aaargh!« Kreischend fuchtelte ich mit den Armen herum und krallte mich schnell an dem alten Birkenbaum fest. Flake musste sich vor lachen den Bauch halten. »Wirklich lustig, Daroon«, knurrte ich ihn mit zusammen gekniffenen Augen an. Sein lachen verhallte, aber sein Mund war immer noch zu einem breiten Grinsen gezogen. Ich atmete tief ein, liess den Baum los und versuchte wieder, einige Schritte zu laufen. »Hmpf!« Mit ausgestreckten Armen versuchte ich das Gleichgewicht zu finden, aber ich knickste mit dem rechten Fuss ab und kniff die Augen zusammen. Ich bereitete mich auf den schmerzvollen Aufprall vor, welcher aber nicht kam. Vorsichtig öffnete ich die Augen und sah, dass mich Flake einen halben Meter vor dem Boden aufgefangen hatte. Er grinste mich schief an und ich hatte die Befürchtung, dass er gleich wieder in Gelächter ausbrechen würde. Ich hatte das Gefühl, als würden seine eisblauen Augen meine algengrünen Augen durchbohren. »Du kannst mich jetzt los lassen.« Lächelnd presste ich meine Lippen aufeinander. »Oh, klar.« Er wurde leicht rot und half mir auf die Beine. Seufzend liess ich mich auf die morsche Bank fallen und starrte auf meine Füsse. »Leichte Absätze sind okay, aber das sind Monster«, ich schüttelte stumm den Kopf und streifte mir die dunkelblauen High Heels von den Füssen. Als ich nämlich vorhin zum Mittagessen in unserem Apartment war, drückte mir Marciella diese Schuhe in die Hand und sagte: »Für das Interview. Komm um 16:00 zum meinem Stylingraum, so das wir noch für das Interview proben können. Schliesslich willst du doch hinreissend sein, oder?« Und seit einer ganzen Stunde probierte ich einige Schritte in diesen Schuhen zu laufen. Mein Rekord waren drei Schritte, Applaus. Erleichtert kickte ich die blauen, Samtüberzogenen und nicht gerade billig aussehenden Schuhe weg. Flake liess sich schmunzelnd neben mich fallen und sah sich auf die Hände. »Ist was?«, ich zog fragend die Augenbrauen zusammen und blickte zu ihm. Sein Gesichtsausdruck wirkte auf einmal sehr ernst. »Das Mädchen aus Distrikt 7...« »Happy O'Bennet?« »Ja. Ich habe das Gefühl das ihr gute Freunde seid. Bist du mit ihr Verbündet?« Einen Moment lang dachte ich, das er vielleicht wollte das sie ebenfalls zu den Karrerios kam, schliesslich hatte sie eine acht im Einzeltraining. Aber ich wollte kein Risiko eingehen. »Nein, warum? Ich bin ja bei den Karrerios - bei dir«, log ich und nahm seine warme Hand. Sie war viel grösser als meine. »Ihr«, er blickte gerade aus. »Habt euch bloss so gut verstanden. Ich will bloss nicht verarscht werden, Felicia.« Ich schluckte leicht, ich fühlte mich plötzlich ziemlich mies. »Niemand verarscht dich hier, Flake. Vertrau mir.« Seine Mundwinkel zogen sich in die Höhe: »Ja, war echt blöd von mir, dir zu misstrauen.« Ich lächelte ihn zögerlich an.

»Was zum Teufel hast du mit denen gemacht?«, schimpfte Marciella und hielt die High Heels in die Höhe. »Ich sagte dir, das du üben solltest in denen zu laufen, nicht das du sie zerstören sollt!« Ich musste mir das lachen verkneifen. »Tut mir leid Marciella, aber ich komme mit diesen Schuhen nicht klar. Vielleicht kriege ich ja andere? Mit weniger Absatz?« Etwas flehend blickte ich sie an. »Auf keinen Fall«, rief Marciella. »Zum Glück habe ich noch weitere Paare auf Lager!« Mir fiel der Kinnladen herunter. Nein! Keine hohen Schuhe! Doch bevor ich mich versah, verschwand sie hinter einem Vorhang und kam mit einem genau gleichen Exemplar hervor und hielt sie mir unter die Nase. »Anziehen!«, befahl sie. Ich verdrehte die Augen und riss ihr die Stöckelschuhe aus den Händen und schlüpfte unsicher herein. Verzweifelt versuchte ich etwas elegant zu laufen, was aber kräftig in die Hosen ging. »Mach doch kein solcher Buckel! Elegant ist der Punkt!«, brummte Marciella streng und richtete meinen Körper. Ich versuchte gerade zu laufen, welches mir aber erst nach weiteren tausend Versuchen gelang.

»Mein Name ist Felicia Miller und ich komme aus Distrikt 4. Ich bin selbstbewusst, wunderhübsch und werde alle in der Arena fertig machen. Und jetzt du.« »Was?« »Mein Name ist Fel... « »Nein, ich habe schon verstanden, aber warum sollte ich das sagen?«, fragend blickte ich Marciella an und drehte mich ein weiteres Mal im Kreis und sah in den Spiegel. Ich trug ein knielanges, dunkelblaues Kleid, die blauen Schuhe und eine Kette mit einem grossen, blauen Steinanhänger. »Das stärkt das selbstbewusst sein. Das Kapitol liebt selbstbewusste, hübsche Mädchen mit einem grossen Ehrgeiz«, sie grinste mich an und fuhr durch meine dunkelbrauen Locken. »Du siehst umwerfend aus!« Ein lächeln umspielte meine leicht geschminkten Lippen. Marciella sah auf ihre goldene Armbanduhr. »Oh, oh! Gleich beginnen die Interviews! Na los, komm in die Gänge«, ungeduldig zerrte sie mich aus dem Raum.

Revenge ~ Das Spiel der Rache [#1]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt