» Die erste Nacht bricht hinein «

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»Man, ich habe einen Bärenhunger!«, Willow drehte einen roten Apfel in ihrer Hand, welche sie in warme Handschuhe eingepackt hatte. »Reich mir mal ein Messer, Felicia.« Widerwillig öffnete ich meine schwarze Regenjacke und übergab ihr eines meiner wertvollen Messer. Mit einem gekonnten Schnitt, schnitt sie den Apfel in zwei Hälften und reichte mir eine davon. »Danke«, ich wischte den Apfelsaft an meinen Hosen ab und verstaute das Messer wieder in meiner Jacke. Ich biss in den süssen, saftigen Apfel hinein und atmete tief aus. Bevor wir am Füllhorn angekommen waren, hatte Flake noch einen Tribute gesichtet und wir mussten dem natürlich über mehrere hundert Meter folgen. Am Ende hatten wir ihn aber trotzdem verloren. Ich streckte die Beine von mir weg und lehnte mich entspannt gegen das Füllhorn. Ich wusste selber nicht genau, warum ich so entspannt war. Eigentlich sollte ich ja vor Angst in die Hosen machen, aber ich fühlte mich so... sicher bei den Karrerios. »Was träumst du?«, lachend musterte mich Willow. Ich zwang mich zu einem grinsen: »Gar nichts. Bin nur ein bisschen müde.« »Es ist aber noch nicht Schlafenszeit«, murmelte Flake und wirbelte sein silbernes Schwert in der Luft herum. »Wenn die Dämmerung eintrifft, werden wir nochmal auf die Jagd gehen.« »Ach, schon wieder?«, sagten Willow und ich wie aus einem Mund und mussten sofort lachen. Irgendwie fand ich Willow total nett und wenn wir nicht in den Spielen wären, würden wir bestimmt gute Freunde sein. »Oh, wie witzig.« Crystal warf ihre Arme theatralisch in die Höhe. »Ich lach mit tot.« »Wäre ein Gegner weniger«, bemerkte ich und zuckte emotionslos mit den Schultern, worauf Willow ihren Kopf in den Nacken warf und laut los lachte. Genervt stöhnte Crystal auf und wand sich an Flake: »Können wir sie nicht beide jetzt umbringen?« Flake zog seine Lippen zu einem arroganten Lächeln. »Nein.«

»Marsch, Karrerios!« Willow grinste breit und hob ihren Speer in die Höhe, als wäre sie die Anführerin einer Armee. »Ai, ai Kaptian«, rief ich lachend und zog ein Messer aus meiner Jacke. »Wir sind hier nicht in einem Film«, Danger verdrehte seine dunklen Augen. »Hier geht es um Leben und Tod.« »Ai, ai Sir«, ich blickte ihn herausfordernd an. Seit wann hatte ich solchen Mut? Er jedoch presste nur seine Lippen aufeinander und blickte mich angewidert an. Ich musste mich zusammen reissen, ihm nicht die Zunge heraus zu strecken. »Halt, seit mal Still!« Willows Stimme war plötzlich sehr angespannt. »Was denn?«, fragte Flake leise. »Hast du was gesehen?« Willow nickte und hielt sich den Zeigefinger auf die Lippe und deutete mit ihrem Speer nach rechts. »Da ist ein Feuer«, bemerkte ich mit zusammen gekniffenen Augen. »Wie dumm muss man sein?«, hörte man Crystal flüstern. »Wer immer es ist, er gehört mir.« Keine Sekunde später spurtete Willow auf das Feuer zu und wir restlichen Karrerios auch. Wir umzingelten das Mädchen mit den blonden, fast weissen Haaren. »Oh, heilige Maria«, stiess sie zwischen den Zähnen hervor, als sie uns erblickte. »Ich sage auch so viel«, sagte ich mit einem ungewohnten arroganten Unterton. Sie schenkte mir einen bösen Blick, bevor sie auf die Füsse kam und laut einen Namen schrie. Ich glaube es war der Name Chris, aber ich war mir nicht sicher, da ich im selben Moment zu Boden gestossen wurde. Auf mir sass ein schwarzhaariger Junge, er sah aus wie ein Asiat. »Mach sie fertig«, das weisshaarige Mädchen zog ein Schwert und stürzte sich mit Gebrüll auf Willow, welche ihren Angriff mit ihren Speer abwehrte. »Du bist doch nicht etwa die berühmte Felicia Miller?«, sagte der Junge auf mir. »Geh runter, die anderen bringe dich und das Mädchen sowieso um«, zischte ich und spuckte ihm ins Gesicht. Mit meiner rechten Hand, versuchte ich mir das Messer zu schnappen, welches ich beim meinem Sturz fallen liess. »dSei dir da nicht so sicher«, knurrte dieser Chris. »Nathalie ist verdammt gut im Schwertkampf.« Doch in dem Moment erklang ein Schrei und Chris' Blick wanderte zu den Karrerios. »Nathalie!«, schrie er und stieg von mir runter. Schneller, als ich es mir zugetraut hatte, schnappte ich mir mein Messer und warf es nach Chris. Dieser schrie auf und glitt zu Boden. Das Messer ragte in seiner Schulter. Boom. Willow sah mit finsterer Mine zu Nathalie, welche einen Speer im Magen hatte. Ich sah wie Chris noch versuchte, sich weg zu schleppen, aber da fiel er wieder keuchend zu Boden. Boom.

Willow schnappte sich einen der schwarzen Schlafsäcke und die anderen taten es ihr gleich. »Ist es wirklich okay für dich, wenn du alleine Wache hältst?«, Willow legte den Schlafsack in die hinterste Ecke des Füllhornes. »Klar«, ich machte eine wegwerfende Handbewegung. »Ich komme schon klar.« Um meine Aussage zu betonen nahm ich ein Messer hervor und liess es in meiner Hand drehen. »Gut, falls was ist, weck uns sofort, klar?«, Flake sah mich ernst an. Seine eisblauen Augen durchbohrten mich, wie er es damals tat, als er mich küsste. Sofort zog sich meine Brust zusammen und es entstand ein Klos in meinem Hals. Ich nickte nur. Die anderen kuschelten sich in ihre Schlafsäcke und ich setze mich mit einer Taschenlampe an die Öffnung des Füllhornes. Doch bevor die anderen wirklich einschliefen, starrten sie alle zum Himmel, wo gerade die Hymne erklang. In Distrikt 1 und 2 lebten natürlich alle noch. In Distrikt 3 starb Brows und ich musste sofort an Drake denken, da dieser ja sein Verbündeter war. Lebte Drake eigentlich noch? Ja, er lebte noch. In Distrikt 5 starb eine kleine Brünette, die Kayla hiess. Distrikt 6. Meine Hand zitterte, als das Bild von der kleinen Zarah erschien. Am liebsten hätte ich das Messer weggeworfen und laut losgeschrien, aber ich konnte mich beherrschen. Distrikt 7... Happy lebte noch, aber ihr Distriktpartner Salim starb. In Distrikt 8 starben beide: Leef und Nathalie. Auch in Distrikt 9 starben beide: Chris und Celine. In Distrikt 10 starb Felix, ein etwa fünfzehn Jähriger. In Distrikt 11 Mara, welche ich auf etwa vierzehn geschätzt hatte. Auch in Distrikt 12 starb eine etwa vierzehn Jährige Namens Pauline.

Alle schliefen. So leise wie ich konnte, schnappte ich mir einen Rucksack und stopfte ihn mit vielen nützlichen Dingen voll. Taschenlampe, Essen, Schlafsack, Wasser, Handschuhe, eine Mütze, Medizin gegen Kopfschmerzen und Fieber und Salbe gegen Schürfwunden und Verbrennungen. Auch zwei Messer steckte ich hinein. Fast hätte ich die Axt vergessen. Gerade als ich sie in den Rucksack stecken wollte, wurde ich zu Boden geschubst. »Wo willst du denn hin?« Ich erblickte Crystals wütendes Gesicht. In der einen Hand hielt sie ein scharfes Messer. Scheisse.

Revenge ~ Das Spiel der Rache [#1]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt