Es war mitten in einer dieser stundenlangen Basteleien gewesen, bei der er bis zu den Schultern im Kabelsalat gesteckt hatte, um die Schaltkreise der TARDIS zu warten, als er sie sah, direkt vor seinen Augen, wie in einem Tagtraum. Rose hatte ein verweintes Gesicht und schluchzte heftig, und ihre Stimme füllte seinen Geist.
„Doktor... Hilf mir... Er ist außer Kontrolle... Rette uns..."
Sie war enervierend lebensecht, diese Vision, so greifbar, wie real. Geschockt hielt er für einen langen Augenblick inne, dann kämpfte er sich aus dem Gewirr der Kabel heraus und starrte blicklos vor sich hin. Was bei allen Kindern Rassilons hatte dies zu bedeuten?
Die Stimme war abrupt verstummt, die Bilder in seinem Kopf hatten sich aufgelöst und plötzlich fragte er sich, ob er einfach geträumt hatte, so wie die Male zuvor, als er diffuse Albträume von Rose gehabt hatte. Abwesend griff er sich mit einer Hand an den Kragen und lockerte die Krawatte, als ob er an akuter Atemnot litt. Dann holte er tief Luft und trat an die Konsole - er würde die Sache überprüfen müssen.
Als er die Finger an die Tastatur setzte, bemerkte er das Zittern, das seine Hände erfasst hatte. Kaum konnte er die Eingaben machen und nur langsam schaffte er es, die relevanten Informationen abzurufen. Kurz schloss er seine Augen, versuchte sich zu beruhigen, sich mental zu entspannen, doch es gelang ihm nur mit großer Mühe.
Die TARDIS zeigte keinerlei Unregelmäßigkeiten an, die Atmosphäre war wie immer, ohne irgendwelche Spuren von äußeren Einflüssen. Er war somit keiner bewusstseinstrübenden Droge ausgesetzt, auch befand er sich zur Zeit geparkt im Gravitationsfeld der Erde des frühen 21. Jahrhunderts, in einer Umlaufbahn, die weit genug entfernt war von jeglicher irdischer Einflussnahme.Nein, er konnte diesmal nicht einfach geträumt haben, dafür war seine rein körperliche Reaktion viel zu heftig gewesen. Mit jeder Faser seiner selbst hatte er diese Vision empfangen und erlebt, es war definitiv echt. Nervös fuhr er sich über seine Haare, es entstanden Szenarien vor seinem inneren Auge, die beunruhigender nicht sein konnten. Sie implizierten Ereignisse, die nie sein würden - aber auch welche, die hingegen sehr wahrscheinlich waren. Ihm wurde übel.
Lang verdrängte Überlegungen, verleugnetes Wissen um unangenehme Fakten, von ihm bequem in die hinterste Ecke seines Hirns verschobene Wahrheiten kamen mit einem Male an die Oberfläche zurück. Am liebsten wollte er sich verstecken, wollte rennen, soweit er konnte und es ignorieren, wollte so tun, als ob nichts sei. Doch das bedeutete, er ließ sie im Stich, ließ sie allein in einer Hölle, die er - und nur er allein - zu verantworten hatte.
So dumm war er gewesen! Dumm und einfältig. Wie konnte er nur denken, dass alles prima war, als er Rose mit seinem menschlichen Ebenbild am Strand zurückgelassen hatte! Wie hatte er nur annehmen können, dass der als Mensch erschaffene Metakrisen-Klon, seiner TARDIS und der Möglichkeit beraubt, endlos durch die Zeit zu reisen, einfach stillhielt und mit dem simplen Leben zufrieden war. Er hätte es besser wissen müssen - denn er kannte sich selbst viel zu genau, um so naiv zu sein.
Der Doktor wusste um seine eigene dunkle Seite. Und er hatte seine geliebte Rose dieser dunklen Macht hilflos ausgeliefert, sie in große Gefahr gebracht, nur weil er innerlich die Hoffnung hegte, ihr ein realistisches Leben mit „ihm" zu ermöglichen.Wie romantisch und wie dumm.
Nun würde er eingreifen und sie retten müssen. Wenn es denn so einfach war - denn die Koordinaten der TARDIS konnten nicht mal eben so auf jenes Paralleluniversum ausgerichtet werden, das er vor langer Zeit süffisant „Petes Welt" getauft hatte. Hierzu musste er tricksen, doch er hatte einen Plan...
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Dunkle Seele
FanfictionEnde der 4. Staffel: Alpträume verfolgen den Doktor, er hat Visionen von Rose, wie sie nach ihm um Hilfe ruft. Eigentlich sollte sie ein erfülltes Leben zu zweit in der Parallelwelt führen. Da er jedoch befürchtet, dass sein menschlicher Zwilling di...