Chapter 13

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Chapter 13

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Wir hatten schon längst keine Ahnung mehr wie lange wir hier unten Gefangen waren, geschweige denn ob es Tag oder Nacht ist. Unser Wasservorrat war schon seit einiger Zeit erschöpft. Der Hunger den wir verspürten schien grenzenlos. Endlose Tunnel, haufenweise Gebeine und kein Ausgang in Sicht. Unsere Nerven waren bis aufs Äußerste strapaziert. Wir gerieten immer häufiger aneinander.

Als wir uns erneut dem Ende eines Tunnels näherten, kam Verwesungsgestank auf. Könnte das Joe gewesen sein? Sind wir etwa im Kreis gelaufen? Ich sank auf die Knie und fing an zu flennen “Wir … kommen hier nie  wieder raus ohne eine Karte!” “Halt den Rand und hör auf zu heulen, Flenny!” fuhr sie mich erneut an. “Hey ich heiße immer noch Larry!” erwiderte ich barsch. “Wenn du dich nicht bald mal zusammenreißt, nenne ich dich nur noch Flenny! Ich habe keine Lust mehr dich ständig bemuttern zu müssen. Deine Mama ist nun mal nicht hier und wenn du sie wiedersehen willst, dann REISS DICH GEFÄLLIGST ZUSAMMEN!” brüllte sie mich an.

Ich hatte keine Kraft mehr mich weiter mit ihr anzulegen. “Du hast ja recht, nur …” versuchte ich sie zu beschwichtigen. “Reiß dich einfach zusammen!” beendete sie das Gespräch. Wir gingen weiter den Gang entlang und der Gestank wurde immer widerlicher. Am Ende des Ganges stellten wir fest, dass wir nicht im Kreis gelaufen waren. In der Mitte dieses relativ kleinen Raumes stand eine Statue die mich sehr an einen gewissen Hasen erinnert, der mir diesen ganzen Schlamassel eingebrockt hatte.

“Dieser miese Plüschball!” entfuhr es Vivien. “Warte du kennst den kleinen Hasen auch?” erwiderte ich verblüfft. “Na klar wegen dem kleinen Mistvieh wurde Sam, Joe und ich hier eingesperrt. Hätte Sam doch nur nicht darauf bestanden ihn  zur Strecke zu bringen …” sagte sie zunehmend gedankenversunkener.

“Vivien” holte ich sie in die Gegenwart zurück “Es macht keinen Sinn Tränen über vergossenen Wein zu vergießen.” “Wurde aber auch Zeit, dass mal wieder etwas Vernünftiges aus deinem Mund kommt.” blaffte sie zurück.

Der Grund für den widerwärtigen Gestank waren halb verweste Leichen, welche rund um die Statue verstreut lagen. “Sieht aus, als hätten sie sich gegenseitig umgebracht” stellte ich fest. “Wie kommst du denn darauf, Schlauberger?” “Schau es dir doch mal genau an. Viele haben Stichwaffenverletzung bei ein paar von denen stecken die Messer sogar noch. “Du bist ja doch zu was zu gebrauchen.” Grinste sie mich an. “Lass dich aber nicht täuschen, das heißt aber nicht, dass hier keine Fallen sind …” Augen zu und durch- sagte ich mir und verzichtete auf einen Kommentar der die Streiterei wieder entfacht hätte.

“Warum sind hier so viele Leute zur gleichen Zeit gewesen?” dachte ich laut. “Vielleicht war es eine lustige Gruppe, so wie wir.” Sagte sie zynisch. “Und warum bringen sie sich dann gegenseitig um?” erkundigte ich mich. “Vielleicht war es der Hunger, Streit um Wasser, oder jemand hat sich bei den Vorräten eines anderen bedient. Woher soll ich das wissen?” entgegnete sie genervt.

Verärgert machten wir uns beide daran den Raum zu untersuchen. Sie überprüfte die linke Seite und ich die Rechte. “Hmmm scheint eine Sackgasse zu sein.” Ich ignorierte ihre Zurschaustellung des offensichtlichen und suchte weiter. Plötzlich fiel mir auf, dass eine Fackel immer wieder zwischendurch flackerte. Ein Luftzug? Woher könnte der kommen? Dann fiel mir auf, dass eine Geheimtür geschickt in die Wand eingebaut worden ist. Ich prüfte mit der Fackel die ich dabei hatte und stellte fest, dass der Luftzug von jenseits der Geheimtür.

“Hier ist ne Geheimtür” bemerkte ich stolz. Daraufhin eilte sie gleich zu mir und ich erzählte ihr von dem Luftstrom. Zum ersten Mal sah ich ihre Gesichtszüge nach Sams Tod aufleben. Gleich machten wir uns auf die Suche nach dem Öffnungsmechanismus. Seltsamerweise befanden sich in diesem Raum keinerlei Druckplatten, Schalter oder Hebel. Des Weiteren beschäftigte mich immer noch meine Schuld an Sams Tod, darum Befahl ich Vivien im Gang darauf zu warten, dass ich den Mechanismus finde. So konnte ich relativ sicher sein, dass nicht noch jemand dank meiner Tollpatschigkeit den Tod findet. “Gut” merkte sie an “dann schau ich mal, ob ich vielleicht etwas im Gang finde, das uns weiterhilft.”

Sie schien ein wenig Stolz auf mich zu sein, was mich weiter motivierte unser Problem zu lösen. Doch leider fand ich keinerlei Hinweise darauf, wie man diese Tür öffnen kann. Hunger und Dehydrierung zwangen mich dazu eine Pause zu machen. Vivien stieß wieder zu mir und bestand darauf sich auch noch ein wenig umsehen zu dürfen. Ich stimmte ihr zu und betrachtete dabei mürrisch die Statue des Hasen. Nach einer Weile der gedanklichen Verwünschungen fiel mir auf, dass da wo die Augen des Hasen sein sollten Vertiefungen waren, die darauf hin deuteten, dass dort früher etwas dringesteckt haben musste.

“Dem Hasen fehlen die Augen” merkte ich nachdenklich an. “Ich weiß jetzt warum die Leute sich gegenseitig umgebracht haben” entgegnete Vivien. “Das ist doch jetzt auch egal” sagte ich genervt, denn offensichtlich hatte sie unser Problem aus den Augen verloren um sich mit unwichtigem Kram zu befassen. “Nicht so schnell Larry!” warf sie unbeeindruckt zurück “schau mal hier …”

Sie hielt einen funkelnden Edelstein in die Höhe. “Gut, jetzt wissen wir, dass diese Menschen offensichtlich dumm waren, denn sie konnten den Edelstein weder essen, noch trinken oder bei Irgendeinem Pfandleiher gegen Bares eintauschen.” “Larry manchmal zweifele ich an der Existenz deines Hirns. Das ist offensichtlich eines der ‘Augen’ der Statue!”

Sie hatte Recht … der Edelstein könnte dort hineinpassen … “STOP” rief ich ihr zu, denn sie war gerade dabei, der Statue ihr Auge zurückzugeben. “Geh wieder in den Gang zurück, ich mache das!” “Na schön!” blaffte sie zurück und gab mir den Edelstein auf ihrem Weg zurück zum Gang.

Vorsichtig machte ich mich daran das Auge wieder einzusetzen. Doch nichts passierte. “Na toll wieder ne Sackgasse” meinte ich und versank mal wieder in Agonie. “Na dem Hasen  fehlt offensichtlich noch ein Auge Larry …” drang mir eine wohlbekannte Stimme aus dem Gang ans Ohr. Also machte ich mich auf die Suche nach dem 2. Auge, doch fand es bei keiner der Leichen. Also setzte ich mich wieder vor die Statue und versank in den üblichen Gedankenkreislauf zwischen „Wie kam ich überhaupt auf diese komische Insel“ und „Warum habe ich Sam fallen gelassen.“ Da traf mich plötzlich etwas am Kopf. “Was zum …” entfuhr es mir. “Probier es mal damit, Larry” Sagte Vivien, die hinter mir hockte und mir das zweite Auge des Hasen an den Kopf geworfen hatte.

“Woher …” wollte ich fragen, wurde doch gleich von ihr mit der Antwort unterbrochen: “Der lag im Gang unter einem Schädel und nein ich hab keine Ahnung wie der dahin gekommen ist. Vielleicht hat ihn einer der Männer dort versteckt, oder der Hase selbst – wen interessierts!”

“Zurück in den Gang” forderte ich sie auf. Mit dem gewohnten Trotz schlenderte sie wieder Richtung Gang. Vorsichtig setze ich auch das 2. Auge an seinen Platz. Als es einrastete hörte ich ein Geräusch von sich bewegendem Stein aus Richtung der Geheimtür. Vor Freude strahlend drehte ich mich um nur um zu sehen, dass die Tür noch immer verschlossen war. Sogleich fiel mir die Freude wieder aus dem Gesicht und wurde durch einen üblich gewordenen grimmigen Ausdruck ersetzt.

Ich hatte aber etwas gehört und begann daraufhin die Umgebung der Tür erneut zu untersuchen. “Willst du die Lösung wissen?” wurde vom Gang aus gefragt. “Ne. Ich hätte gern noch ein paar Rätsel bevor wir von hier verschwinden…” erwiderte ich, während sich weiter Zorn in mir aufbaute wegen ihrer nahezu unbeteiligten Reaktionen, dem Hunger und Durst und meiner allgemeinen Frustration.

“Der Stein da unten .. links neben der Tür, der hat sich ein Stück nach oben bewegt.” Lüftete sie das Geheimnis. Sollte ich wirklich drauf drücken? Ist es eine Falle oder vielleicht doch der lang ersehnte Ausweg aus diesem Labyrinth? Mir war beinahe egal ob ich hier sterbe. Also drückte ich den Stein wieder nach unten und langsam mit lautem Getöse öffnete sich die Geheimtür.

Wir beide waren so fasziniert davon, wie sich diese massive Steintür langsam nach oben bewegte, dass uns gar nicht auffiel, dass sich zeitgleich einige Bodenplatten aus dem Boden erhoben. Das erste was ich wahrnahm war die frische Luft die hereinströmte und meine Nase zeitweise von dem Gestank der Leichen erlöste. Auf der anderen Seite sah ich eine lange Treppe die nach oben führte und am Ende konnte ich sogar Tageslicht sehen.

Ich signalisierte Vivien, dass die Luft rein ist und sie schnappte sich Sams Rucksack und machte sich auf ihren Weg in die Freiheit. Leider jedoch war ihr nicht bewusst, dass der zuvor sichere Weg jetzt mit Fallen gespickt war und so kam es wie es kommen musste. Sie trat auf eine Druckplatte, der Boden klappte unter ihr weg und sie fiel mit einem Schrei des Entsetzens in das Loch unter ihr. Mir kam es vor, als passierte alles in Zeitlupe. Ich stand starr vor Entsetzen da und brachte trotz des offenen Munds keinen Ton heraus. Diese Starre musste ein paar Stunden angedauert haben, denn als ich später die Treppe hoch kroch, war es dunkel. Oben angekommen nahm ich gerade noch das Rauschen des Meeres wahr, bevor ich erneut zusammenbrach.

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