Kapitel 13

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Gemeinsam betraten wir den für unsere Konferenzen gemieteten Raum. Sofort richteten sich alle Augen auf uns. Eine Blondine mit Modelmaßen sprang von ihrem Platz auf und rannte auf uns zu. Oder eher auf Jason. Sie fiel ihm geradezu um den Hals und gab ihm einen Kuss auf die Wange.
Igitt. Wie aufdringlich konnte man bitte sein. Sie hätte sich auch gleich ein Schild mit der Aufschrift 'Jason nimm mich' umhängen können.
Und er erwiderte tatsächlich ihre Umarmung, wenn er auch etwas kühl wirkte.
"Jasmin. Schön dich zu sehen."
Schleimer!
"Jason. Ich hab dich so vermisst. Gehen wir heute Abend aus?"
Ich wurde nun doch ein wenig eifersüchtig. Okay, in Wahrheit hätte ich Blondie am liebsten erwürgt. Aber nur ein ganz kleines bisschen.
Jason sah mich hilfesuchend an. Wollte er etwa nicht mit Jasmin ausgehen? Wie schade für ihn.
"Jasmin, das ist übrigens Lynn." Er sah mich bittend an. Was zur Hölle wollte er jetzt von mir. "Meine Freundin."
Das hatte er jetzt nicht getan! Er benutzte mich nicht als Schutzschild vor Jasmin. War doch sein Problem, wenn er was mit Blondie hatte und sie dann nicht loswurde.
Ich verschluckte mich an meiner eigenen Spucke und begann heftig zu husten. Blondie sah mich mit einem abwertenden Blick an. Tja, ich entsprach wohl nicht ihren Vorstellungen einer Frau, die Jasons würdig wäre.
Am liebsten hätte ich Jason in das kleine Aquarium geworfen, welches neben uns auf einer Vitrine stand, aber die Fische taten mir leid. Stattdessen starrte ich Jason liebreizend an und sagte:
"Schatz. Können wir uns bitte mal kurz unterhalten?"
Er sah mich mit seinem undurchdringlichen Blick an.
"Sicher, Schatz."
Ich marschierte los in Richtung Toilette und sah nicht einmal nach, ob er mir folgte. Einzig das Geräusch seiner Schritte bestätigte mir, dass er mir hinterherdackelte. Ich öffnete die Toilettentür und er trat hinter mir hinein. Warum schloss er denn ab? Egal. Ich war zu wütend.
Mit meinem Killerblick drehte ich mich an das Waschbecken gelehnt um.
Sein Gesicht bekam einen entschuldigenden Ausdruck, doch bevor er auch nur den Mund aufmachen konnte, ergriff ich das Wort.
"Was zur Hölle sollte das?!? Ich bin nicht Ihr verdammtes Schutzschild! Wenn Sie was mit Blondie anfangen, dann sollten Sie auch genug Eier in der Hose haben, um ihr zu sagen, dass Sie keine Lust mehr auf Ihr Spielzeug haben und mich da raushalten. Ich mag vielleicht als Mädchen für alles eingestellt worden sein, aber um ihre Affären zu beenden bin ich mir dann doch zu schade! Ich dachte, Sie wären anders, nicht so ein Ekelpaket wie Ihr Onkel, aber ich habe mich anscheinend in Ihnen geirrt. Es tut mir leid, wie ich mit Ihnen geredet habe, aber ich habe doch noch meinen Stolz!"
Die Mimik meines Bosses wurde steinhart.
"Verdammt, Lynn! Diese Frau da draußen," er deutete durch die Tür, "war nicht mein, sondern Charles Betthäschen. Seit Charles sein Spielzeug nicht mehr wollte, schmeißt sie sich an mich ran! Und Sie haben Recht, Sie sind mehr wert, als für so etwas geschmackloses benutzt zu werden. Ich weiß auch nicht, was ich mir dabei gedacht habe und ich kann verstehen, wenn Sie bei der ganzen Sache nicht mitmachen wollen, aber diese Frau nervt mich schon seit Monaten. Sie ist wie eine Zecke, die ich einfach nicht loswerde."
Verzweifelt sah er mich an. Er rang seine Hände und ich hatte das Bedürfnis, ihn in den Arm zu nehmen. Ich trat einen Schritt vor und ergriff seine Hände, damit er mir in die Augen sah.
Verzaubert von diesem strahlenden Blau flüsterte ich:
"Ich machs."
Seine Augen sahen mich ungläubig an.
Ich wusste selbst nicht, warum ich dies tat.
"Echt?"
Ich lächelte.
"Echt."
Er sah mich mit einem Ausdruck der Bewunderung an.
"Lynn, Sie sind viel zu gut für mich."
Wie gerne hätte ich gewusst, was gerade in seinem Kopf vorging...
"Es tut mir Leid, dass ich Sie mit Charles verglichen habe. Sie sind nicht wie er, Sie sind für mich zwar unergründlich, aber ich glaube, dass Sie tief da drin," ich deutete auf seine Brust, "ein Herz haben."
Er sah mir in die Augen und die Welt hörte auf, sich zu drehen.
Er räusperte sich, setzte sein Pokerface auf und fragte:
"Können wir dann?"
"Sicher."
Er schloss die Tür auf und wir traten auf den Flur, der zum Konferenzraum führte. Kurz vor der Tür ergriff mein Boss meine Hand und flüsterte mir ins Ohr:
"Ich glaube, es wäre nun angebracht, wenn wir uns duzen. Das hätten wir schon viel früher machen sollen."
Ich war immer noch leicht verunsichert. Seine Nähe machte mir Angst, vor allem da ich das Gefühl hatte unter Strom zu stehen, wenn er mich berührte. Es war ein angenehmes kribbeln, das ich einfach nicht abstellen konnte.
"Okay." Antwortete ich heiser.
Wir betraten zum zweiten Mal den Raum und wieder richteten sich alle Augen auf uns.
Mrs Collins sprang diesmal auf und eilte auf mich zu:
"Lynn. Warum haben Sie denn nicht zugegeben, dass Sie und Mister Clark ein Paar sind, als ich Sie gefragt habe. Und dann dem armen Harvey falsche Hoffnungen zu machen, war wirklich nicht nett."
Na super, jetzt war ich auch noch die Böse. Außerdem tat mir Harvey, alias die Fressmaschine, definitiv nicht Leid.
Das konnte der Eisprinz nun selber wieder geradebiegen, deshalb sah ich ihn herausfordernd an, doch er gab keinen Ton von sich.
"Ähm... Also das ist ein bisschen kompliziert...," stammelte ich herum.
"Misses Collins. Es ist so, dass wir uns unsere Gefühle erst gestern Abend ,nach Harveys Ausbruch, eingestanden haben. Wir konnten und wollten unsere Gefühle für einander nicht weiterhin zurückhalten. Lynn ist etwas ganz besonderes und ich weiß, dass sie zu gut für mich ist, aber dennoch bin ich nicht in der Lage, mich von ihr fernzuhalten. Ich liebe diese Frau mehr als alles andere auf der Welt und selbst wenn die Welt aufhört sich zu drehen, wird meine Liebe zu ihr immer noch bestehen."
Ich hatte Tränen in den Augen. Noch nie hatte ein Mann so etwas schönes gesagt, nur leider war alles gelogen. Ich setzte mein Standardlächeln auf und gab Jason einen Kuss auf die Wange.
"Süß von dir, Schatz."
Und ich musste zugeben, er war wirklich ziemlich weich und auch in nüchternen Zustand fragte ich mich, ob dieses Bild von einem Mann echt sein konnte.
Misses Collins hielt sich die Hand aufs Herz und trällerte:
"Das ist ja so romantisch! Wenn ich nicht verheiratet wäre, würde ich Sie gleich heiraten!"
Meins! Schrie mein Herz.
Halt's Maul! Antwortete mein Kopf.
Jason legte den Arm um mich und zog mich näher an sich heran. Mein Herz klopfte wie verrückt, es war unmöglich, dass er es nicht spürte. Lächelte er mich etwa deshalb an? Fand er es lustig, wie er mein Blut in Wallungen brachte?
"Entschuldigung, Misses Collins, aber mein Herz gehört nur einer Person."
Er lächelte mich an und gab mir tatsächlich einen Kuss auf die Stirn. Ich errötete und versuchte meine Verlegenheit zu überspielen.
Ich boxte ihm spielerisch in die Schulter und sagte:
"Du alter Charmeur!"
Er lächelte und zusammen setzten wir uns an den Tisch. Es fiel mir nicht schwer, ihn anzuhimmeln, denn tief in meinem Inneren wusste  ich, dass ich mein Herz schon längst an ihn verloren hatte.
Den Rest des Vormittags wurden weitere Dinge geplant. Es wurden Gespräche und Telefonate geführt und generell alles mögliche gemacht, nur dass ich diesmal mit am Tisch saß und jemand anderes die Getränke servierte. Ich dachte daran, wie es wäre, wenn wir wieder im Verlag wären. Dann würde wieder alles beim Alten sein. Mandy würde auf meinem Selbstwertgefühl herumtrampeln, wie auf einer lästigen Fliege und mich herumscheuchen. Charles würde mich vollsabbern. Und Jason würde kaum Kenntnis von mir nehmen. Ich war nichts Besonderes, ich war nur ein unbedeutender Punkt in der großen weiten Welt und das Leben war nicht fair. Es fiel mir nur so verdammt schwer, daran zu denken, dass der Mann neben mir in einigen Tagen wieder der knallharte Geschäftsmann sein würde.

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