Kapitel 8

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Es war der vorletzte Abend vor meiner Geschäftsreise. Ich musste meinen Kopf frei bekommen.
Frei von den aufdringelichen Annäherungsversuchen von Charles. 
Frei von Jason.
Frei von der Angst etwas falsch zu machen, alles zu zerstören und schlichtweg das ganze Gebäude abzufackeln.

"Hey, Süße." Meine beste Freundin Meg begrüßte mich mit einer stürmischen Umarmung. Wir hatten uns lange nicht gesehen, da ich immer so lange arbeiten musste. Ich vermisste sie.      
Gleich darauf klingelte es an der Tür. Mein bester Freund Dave trat ein. Er war mit seinen braunen Haaren und schokobraunen Augen ein echtes Sahneschnittchen, jedoch stockschwul. Ich liebte ihn dafür, dass er war, wie er war.
"Lynn. Du stehst echt heiß aus!"
"Danke. Meg hat mich aufgestylt."
Ich trug ein knielanges, weirotes Kleid, weiße Pumps und eine Kette mit einem weißen, glitzernden Stein. Mein Makeup bestand aus Lidstrich, Glitzerlidschatten, weinrotem Lippenstift und Ohrringen, die zu meiner Kette passten.
Meiner Meinung nach war mein Kleid schon fast zu aufreizend, da es ziemlich eng anlag und jede meiner Kurven betonte.
"Hopp. Hopp. Los gehts Mädels."
Dave klatschte in die Hände und machte eine scheuchende Handbewegung. Wir stiegen in sein Auto und fuhren ins Dance, eine Bar am Rande der Stadt. Schon draußen konnte ich das Dröhnen der Musik hören. Der Türsteher kannte uns mittlerweile schon und wunk uns durch. Wir betraten den mit Menschen gefüllten Club und nahmen erst einmal an der Bar Platz. Der Barkeeper kam und nahm unsere Bestellung auf. Nachdem wir einige Gläser Cocktail und weitere alkoholische Köstlichkeiten intus hatten, war auch ich endlich mutiger und wir begaben uns zur Tanzfläche.
Zuerst tanzten wir drei zusammen, doch schon bald zog sich Meg mit einem Typen zurück und ließ uns auf der Tanzfläche stehen. Eine halbe Stunde später hatte auch Dave eine Bekanntschaft gemacht und von jetzt auf gleich stand ich allein da.
Der Alkohol breitete seine Wirkung aus und ich kam langsam in Fahrt. Ich tanzte eine weitere halbe Stunde oder länger mit ziemlich süßen Zwillingen, die mich mit ihren blauen Augen etwas an Jason erinnerten, jedoch waren ihre Haare heller als Jasons.
Als ich genug hatte vom Tanzen hatte, ging ich zur Bar, um mir einen weiteren Cocktail zu besorgen. Ich nahm ihn entgegen, bezahlte und drehte mich mit dem Glas in der Hand um und prallte gegen eine Person. Mein gesamter orangener Cocktail ergoss sich über das weiße Hemd der Person und hinterließ einen riesigen Fleck. Das Glas zerschellte auf dem Boden. Typisch, Lynn. Kaum gibt man dir Alkohol, stellst du schon wieder peinliche Sachen an, obwohl ich das, wenn ich einmal genauer überlegte, ständig machte. Ich war vom Pech verfolgt.
"Oh. Entschuldigung. Das tut mir Leid."
Ich blickte auf.
"Mist... Ist nicht so schlimm. Kann man ja waschen." Sagte mein Cocktailopfer. "Lynn?"
Was? Woher kannte er meinen Namen? Ich hob den Blick und stand vor Jason. Na super. Der schon wieder.
Ich war geschockt. Mit ihm hatte ich hier am allerwenigsten gerechnet.
"Mister Clark?"
Ich wusste nicht, was ich sonst hätte sagen sollen, also sagte ich: "Ähmm. Ich muss dann mal nach Hause. Tut mir Leid."
Dann ging ich schnurstracks auf den Ausgang zu. Ich trat durch die Tür und ein Schwall Luft kam mir entgegen. Ich taumelte leicht. Es war wie ein Schlag ins Gesicht, doch nach kurzer Unsicherheit ging ich weiter. Ich sah mich um und bemerkte, dass ich eigentlich gar nicht wusste, wie ich nach Hause kommen sollte. Gerade als ich mein Handy aus der Tasche kramte und mir ein Taxi rufen wollte, stellte sich Jason neben mich.
"Komm. Ich fahr dich. Du solltest so spät nicht alleine hier draußen sein."
Er packte meinen Arm und zog mich zu seinem Auto. Ich wollte erst widersprechen, doch ehrlich gesagt hatte ich keine Lust, auf ein Taxi zu warten. Also stiegen wir in seinen Wagen, wobei er mir ganz gentlemanlike die Tür aufhielt. Das wurde wohl langsam zur Gewohnheit. Während der Fahrt erzählte er mir, was für unsere Geschäftsreise geplant war. Anscheinend wusste er ebensowenig wie ich, was er sagen sollte. Ich blickte aus dem Fenster und sah den Straßenlichtern hinterher. Alles wirkte ein wenig verzerrt. Ich hatte wohl etwas zu viel getrunken, doch richtig betrunken war ich nicht. Schade eigentlich, sonst hätte ich mich einfach zu Jason hinüberlehnen und ihn küssen können und dann sagen, ich sei betrunken.
"Lynn?..... Lynn?..... Lynn hörst du mir überhaupt zu?"
Ich blinzelte.
"Ja natürlich. Das ist eine großartige Idee."
Ich konnte ihm ja wohl schlecht sagen. Sorry ich hab dir nicht zugehört, sondern davon geträumt, dich zu küssen.
"Ich hab dich gefragt, ob ich dich zur richtigen Adresse gebracht habe." Jason lächelte. Ich wurde rot. Ups. Erwischt.
"Ja. Danke fürs Fahren. Wenn Sie mitkommen, kann ich ihren Fleck beseitigen." Ich wusste nicht, warum ich das sagte, wahrscheinlich wollte ich so die Cocktailsache wieder gutmachen.
"Okay." Der Eisprinz stieg tatsächlich aus und folgte mir in meine kleine Wohnung. Wir gingen ins Bad, wo ich einen Waschlappen nahm, unter den aufgedrehten Wasserhahn hielt und damit begann über sein Hemd zu rubbeln. Es war erbärmlich.
"Es würde einfacher gehen, wenn Sie ihr Hemd ausziehen und mir geben würden. Dann könnte ich es schnell von Hand waschen. Es sei denn ich soll Sie mit ins Waschbecken tunken."
Jason lachte und ich stimmte mit ein. Die Vorstellung von meinem Chef als Miniaturausgabe in meinem kleinen Waschbecken war einfach zu absurd.
Er knöpfte sein Hemd auf und ich erhaschte einen Blick auf sein atemberaubendes Sixpack. Jeder Muskel seiner goldbraunen Haut war perfekt definiert. Wenn er, wie alle sagten, nie mit einer Frau gesehen wurde, war er bestimmt tatsächlich schwul. Das war die einzig plausible Erklärung, warum so ein Mann nicht an jedem Finger eine andere hatte.
Er sah mich mit hochgezogenen Augenbrauen an. Anscheinend hatte ich zu lange seinen Body bestaunt.
Ich sah, dass er mir das nun ausgezogene Hemd entgegenhielt.
Verwirrt schüttelte ich den Kopf. Normalerweise brachte mich ein Mann nicht so einfach aus dem Konzept, da konnte er noch so gut aussehen.
"Sie können sich in die Küche setzten, bis ich fertig bin. Wenn Sie wollen, koch ich gleich einen Kaffee."
Wie ich gesagt hatte ging Jason in die Küche und wartete.
Den von mir verursachten Fleck bekam ich glücklicherweise weg. Ich warf das Hemd in meinen Trockner und ging in die Küche.

"Kaffe?"
"Gerne"
Also ging ich zur Kaffeemaschine, füllte Wasser und Kaffeepulver ein und drückte den roten Knopf.
Während der Kaffee durchlief ging ich zu Jason und setzte mich.
"Sie sollten nicht so viel trinken." Tadelte er mich etwa gerade? Er war auch erst 28. Okay, ich war immer noch 7 Jahre jünger aber dennoch erwachsen genug, um zu entscheiden, wann und wie viel ich trank.
"Ich musste mal den Kopf freibekommen."
Irgendwie hatte ich trotzdem das Bedürfnis, mich zu rechtfertigen.
Jasons Blick wanderte über meinen Körper und ein wohliger Schauer lief mir über den Rücken.
"Okay.... Lassen Sie es mich anders ausdrücken.... Sie sollten nicht so viel trinken, wenn sie so gut aussehen. Das könnte einige Männer auf dumme Gedanken bringen."
Einige Männer oder ihn? Ich stellte mir vor, wie er mich einfach packte und leidenschaftlich küsste. Wie er mich hochhob und ins Schlafzimmer trug. Wie ich über seine wohlgeformten Muskeln strich und mich voll und ganz fallen ließ.
Klack. Ich wurde aus meinen Tag- oder eher gesagt Nachtträumen gerissen. Jason war anscheinend aufgestanden und hatte uns Kaffee eingegossen. Die Tassen hatte ich vorher schon neben der Kaffeemaschine bereitgestellt.
Er setzte sich wieder und seine Nähe verzauberte mich aufs neue. Der Alkohol war mir wohl zu Kopf gestiegen. Ich konnte mich nicht in meinen Boss verliebt haben. Das ging nicht. Mein Körper spielte mir nur einen Streich.
Wir tranken genüsslich unseren Kaffee, redeten und er zog sich sein nun trockenes Hemd wieder an.
Er war wirklich sympathisch. Als hätte ich das nicht schon vorher gewusst, -doch in der Firma wechselte seine Laune von jetzt auf gleich.
Heute Abend war er einfach nur Jason. Nicht der millionenschwere Sohn von Edward Clark. Nicht der Neffe von Charles Clark. Nicht der Chef einer großen Firma. Einfach nur Jason.
Und das gefiel mir. Ich erzählte ihm von meiner Kindheit, dem Tod meiner Eltern, meiner Schulzeit und er erzählte von seiner Kindheit, seinem toten Vater, der anscheinend ein viel besserer Mann als Charles gewesen war, von seinem ersten Tag bei der Firma, von seiner Mutter und seiner Großmutter, deren Meinung ihm schon immer viel bedeutet hatte.
Ich hätte noch Stunden hier sitzen können, doch um 6 Uhr am nächsten morgen musste Jason nach Hause. Immerhin flogen wir Montags und mussten noch unsere Koffer packen. Wie die Reise wohl werden würde? Welche Seite ich von Jason wohl zur Schau gestellt bekommen würde? Den netten jungen Mann oder den kalten Eisprinzen.

Love the Boss or not Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt