Kapitel 24

11.5K 330 8
                                    

Am späten Nachmittag brachte Jason mich, auf meinen Wunsch hin, nach Hause.
Ich gab ihm zu Abschied einen Kuss auf die Wange.
Er sah mich verschmitzt an und zog mich zu einem richtigen Kuss an sich.
Mein Blut pulsierte bei der kleinsten Berührung von ihm und ich konnte einfach nicht genug von ihm bekommen.
Dennoch löste ich mich von dem Mann meiner Träume und ging in meine kleine Wohnung.
Sie kam mir im Vergleich zu Jasons Villa so schäbig vor.
Was wollte ein Mann wie er von einer wie mir?
Ich war nicht mehr als durchschnittlich und auch nicht reich oder sonderlich beliebt.
Was sah er nur in mir?

Ich sprang unter die Dusche und machte mich auf den Weg zum Bahnhof.
Heute war Amys letzter Tag zuhause, bevor sie ihr Studium begann und in die große weite Welt verschwinden würde.
Das musste natürlich gebührend gefeiert werden und so stieg ich in die Bahn und sah aus dem Fenster.
Die Umgebung erinnerte mich an meine erste Begegnung mit Amanda, Jasons Großmutter.
Ich hatte ihr von meinen Problemen in der Firma und meinem 'eiskalten, arroganten' Chef berichtet.
Und sie hatte sich um ihren ständig arbeitenden Enkel, der keine Freundin hatte und sich in seiner Arbeit vergrub, gesorgt.
Was sich seitdem nicht alles verändert hatte...
In wenigen Monaten hatte sich der arrogante, unberechenbare Eisprinz in den Mann meiner Träume verwandelt.
Ich war von Charles erpresst worden und nun war ich in etwa mit Jason zusammen.
Was Amanda wohl von unserer Beziehung halten würde?
Der Zug fuhr in den nächsten Bahnhof ein und ich musste aussteigen.
Fröhlich watschelte ich die von Bäumen gesäumte Allee entlang und blieb vor einem großen weißen Haus stehen.
Ich öffnete die Tür und mein geliebtes Fellknäuel sprang mir entgegen und leckte mir über die Wange.
Igitt, Hundesabber.
"Annie! Da bist du ja wieder."
Annie gab ein fröhliches Bellen von sich, was meine Großmutter an die Tür können ließ.
"Lynn. Da bist du ja wieder."
Moment, hatte ich das Selbe nicht gerade zu Annie gesagt?
Na, super, meine Oma redete mit mir wie ich mit einem Hund.
Sollte ich jetzt etwa auch noch bellen?
Bevor ich auf dumme Gedanken kommen konnte, zog Grandma mich in eine feste Umarmung.
"Ich hab' dich vermisst, Kleines."
Ich gab ihr einen Kuss auf die Wange.
"Ich dich auch."
Wir gingen nach drinnen, wo auch Amy mir um den Hals fiel.
"Na. Schwesterherz. Morgen geht's los," neckte ich sie.
Sie begann aus Vorfreude zu Strahlen, wie ein Honigkuchenpferd.
"Kommt, Kinder. Ich hab' Kuchen und Plätzchen gebacken."
Okay. Weihnachten war erst in einem Monat, aber man konnte ja nie früh genug anfangen.
Also begaben wir uns ins Esszimmer und setzen uns hin.
"Lynn. Du siehst so glücklich aus," begann meine Oma das Gespräch.
Amy beugte sich verschwörerisch nach vorne und zog eine Augenbraue hoch.
"Hast du uns etwas zu sagen?"
Ich wurde rot und begann zu grinsen.
Ertappt!
Ich dachte an das, was ich vor wenigen Stunden noch mit Jason getan hatte und musste noch mehr grinsen.
"Ähm.... also.."
Amy ergriff meine Hand.
"Raus mit der Sprache. Ich will alles wissen! Wer ist es, wo kommt er her, wie habt ihr euch kennengelernt?"
"Immer ruhig mit den jungen Pferden.
Also ehrlich gesagt ist es etwas kompliziert."
"Kompliziert ist gut, dann wird es dir wenigstens nicht langweilig," warf meine Schwester ein.
Kurz und schmerzlos brachte ich die Sache auf den Punkt.
"Seid jetzt nicht sauer, aber er ist mein Chef."
Betretenes Schweigen.
Alle Augen waren auf mich gerichtet.
"Der, den du vor wenigen Wochen noch als herzlos, arrogant und eiskalt bezeichnet hast?" Fragte meine Großmutter.
Ich drehte verlegen an meinen Haaren herum.
"Ähm. Ja, genau der. Aber er ist ganz anders als ich dachte. Er ist so liebevoll, besorgt und zuvorkommend. Er ist mein Held."
Sie sahen mich immer noch an.
"Du musst ihn uns unbedingt vorstellen!" Rief Amy aus.
Meine Großmutter sah mich immer noch unsicher an.
"Du magst ihn wirklich, nicht wahr?"
Sie konnte mich so leicht durchschauen.
"Ja," seufzte ich.
Sie ergriff nun ebenfalls meine Hand.
"Ich freue mich für dich. Es ist ein Wunder, dass du seit letztem mal wieder einen an dich herangelassen hast."
Sie hatte recht.
Seit mich mein Ex-Freund betrogen hatte, hatte ich mir geschworen, mich nie wieder zu verlieben. Und nun war ich Jason hoffnungslos erlegen."
Grandma lächelte.
"Ihr beide seit an Weihnachten herzlich eingeladen. Schließlich will ich den Mann, der meine Enkelin datet, mal genauer unter die Lupe nehmen."
Hatte meine 76 Jahre alte Großmutter gerade ernsthaft daten gesagt?
Ich musste schmunzeln.
Jason tat mir jetzt schon leid, denn ich wusste, wie es war, wenn Oma einen unserer neuen Freunde unter die Lupe nahm.
Dennoch sagte ich zu.
"Ich weiß noch nicht, ob er Zeit hat, aber ansonsten gerne."
Wir redeten noch weitere zwei Stunden über dieses und jenes und kamen von Hölzchen auf Stöckchen, bis ich zum Bahnhof musste, um den letzten Zug zu bekommen.
Es war schön, noch einmal mit meiner Familie zusammen zu sein.
In dem ganzen Arbeitstrubel hatte ich kaum Zeit für sie gehabt und auch nur hin und wieder mit ihnen telefoniert.
Meiner besten Freundin, Meg und meinem besten Kumpel, Dave,  hatte ich heute natürlich sofort von Jason berichtet, nachdem ich aus der Dusche kam.
Sie wollten ihn auch unbedingt kennenlernen, aber das konnten sie ja auch noch.
Es war mittlerweile schon Tradition, dass sie an Heiligabend mit uns zusammen feierten.
Das würde ein harter Tag für Jason werden, doch ich war mir sicher, dass er ihn mit Bravour meistern würde.
Er war der erste Mann, den zu lieben ich voll und ganz und bedingungslos bereit war.
Ich vertraute ihm.
Er hatte mich mit seinem Wesen vollkommen ins Herz getroffen.
Schon vom ersten Moment an wusste ich, dass er anders war.
Nicht nur auf das Eine aus.
Ich wusste nicht, was in seiner Vergangenheit geschehen war, damit er allen anderen misstraute, aber ich liebte ihn.
Ich liebte ihn so sehr, dass es wehtat.
Er war mein Stern.
Wenn ich morgens im Bus zur Arbeit fuhr, dachte ich an sein Lächeln.
Wenn ich seine Stimme hörte, wollte ich ihren Klang für alle Ewigkeit festhalten.
Und wenn ich in seine wundervollen, eisblauen Augen sah, stand die Zeit still und ich verlor mich in den endlosen Weiten dieses Ozeans.
Ich war das Schiff und er war mein Hafen.
Wenn er mich küsste, tobte ein Sturm in mir und ich war überzeugt, zu träumen.
Doch es war kein Traum.
Dieses Wunder von einem Mann war real und ich wusste nicht, womit ich ihn verdient hatte.
Doch vielleicht war mein Leben momentan ja ein endlos währender Traum und irgendwann würde ich aufwachen und immer noch in diesem Loch festhängen.
Ich kniff mich in den Arm, doch ich wachte nicht auf.
Ich war wach und dies war die Realität.
Das Leben hatte auch seine schönen Seiten und er war mein Stern.
Mein Licht in der Dunkelheit, das mir den Weg wies und mich vor Irrwegen beschützten sollte.
Er war ein Wunder und ich konnte es immer noch nicht glauben.
Ich liebte ihn.
Ja, ich liebte ihn so sehr!

Love the Boss or not Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt