Kapitel 2

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Immer noch in der Toilette eingeschlossen, badete ich im Selbstmitleid. Dumm, Dümmer, Lynn. Wie konnte mir nicht auffallen, dass er mein Chef war. Naja, er hatte schließlich keinen Zettel auf der Stirn mit der Aufschrift: Vorsicht, ich bin hier der Boss. Seinen Nachnamen hatte er auch nicht gesagt. Ich meine, welcher Chef stellt sich einer offensichtlich gerade erst Eingestellten mit seinem Vornamen vor. Es war noch nicht einmal 9 Uhr und ich war schon in mein erstes fettes Fettnäpfchen getreten. Es klopfte an der Tür. "Frau Hoover, machen Sie bitte die Tür auf." Oh nein, da war er. "Kommen Sie schon. Ich beiße nicht, auch wenn sie das gerade denken." Okay, Augen zu und durch. Ich öffnete die Tür und fing, wie so oft, einfach an zu brabbeln. "Es tut mir wirklich leid, ich wollte sie mit Sicherheit nicht beleidigen. Ich kann es nachvollziehen, wenn sie mich jetzt rausschmeißen, aber ich brauche diesen Job echt dringend." Mir standen immer noch die Tränen in den Augen. "Wie können Sie nur denken, ich würde sie wegen so etwas feuern. Sie haben ja nur gefragt, ob das Gerücht stimmt und wussten nicht, wer ich bin. Und das war auch gut so. Ich konnte sie so kennenlernen, wie sie wirklich sind. Oder hätten sie sich etwa genau so verhalten, wenn sie gewusst hätten, dass mein Nachname Clark ist?" Er grinste und ich schüttelte den Kopf. Er trat einen Schritt näher. Mein Herzschlag setzte einen Moment aus und begann dann noch heftiger zu pochen. Was hatte er vor? Mir stieg die Röte ins Gesicht und ein Schauer lief mir über den Rücken. Ich konnte nur in sein Gesicht sehen. Diese stahlblauen Augen und diese vollen roten Lippen brachten mich aus dem Konzept. Zu sehr für meinen Geschmack, immerhin war er mein Chef. Er hob seine Hand und wischte mir eine Träne weg, die sich unbemerkt ihren Weg über meine Wange gestohlen hatte. "Sie machen sich zu viele Gedanken. Es tut gut, jemanden hier zu haben, der natürlich ist und sich nicht verstellt. Sie sind eine nette, lustige, attraktive junge Frau und lassen sie sich ja nichts anderes einreden." Er legte mir seine Hand auf die Schulter und schaute mir tief in die Augen. Ich war wie gefangen in diesem Meer aus blau, ich wagte es noch nicht einmal zu atmen. Er wirkte gar nicht herzlos. "Herr Clark, würden sie bitte kommen. Hier ist ein wichtiges Gespräch für sie." Wir zuckten beide gleichermaßen ertappt zusammen. Püppchen stand, die Hände in die Hüften gestemmt, wie aus dem Nichts hinter uns. "Sicher, Frau Palmer." Antwortete er kalt. Wie konnte es sein, dass er mir gegenüber so nett war, jetzt aber wieder der knallharte Geschäftsmann. Er wandte sich mir zu. "Auf Wiedersehen, Frau Hoover." Er lächelte und zwinkerte mir zu. Was für ein verwirrender Mann...
"Los, an die Arbeit. Du hast noch Akten zu vernichten." Mandy sah mich wütend an. Ich folgte ihr. Sie drückte mir 5 volle Ordner in die Hand. Bevor ich mich vom Acker machen konnte, zischte sie mir ins Ohr. "Finger weg. Der gehört mir. Du denkst doch nicht wirklich, dass so etwas durchschnittliches wie du eine Chance bei ihm hätte. Sieh mich an und dann dich, du wirst schon verstehen." Nur weil du dich hochgeschlafen hast, muss ich das noch lange nicht tun. Dennoch sagte ich. "Mein Interesse an Herrn Clark besteht ausschließlich auf beruflicher Ebene." Ohne ihre Antwort abzuwarten, machte ich hoch erhobenen Hauptes kehrt und ging in mein Büro. Siehst du Püppchen, was du kannst, kann ich schon lange.
Blatt um Blatt jagte ich durch den Aktenvernichter. Es wollten einfach nicht weniger werden. Die Zeit kroch schleichend dahin und meine Mordpläne an Mandy wurden immer ausgefallener. Ich würde zwar niemals jemanden umbringen, dennoch tat es einfach gut sie in Gedanken tausend Tode sterben zu lassen. Ich spürte Blicke auf mir und eine unheimliche Wärme kroch von meinem Rücken bis hin zu meinem Nacken herauf. Ich hob meinen Kopf und blickte in stahlblaue Augen. Jason blickte ziemlich ertappt drein und entfernte sich peinlich berührt mit schnellen, aber bestimmten Schritten von meiner Tür. Hatte ich gerade meinen Boss dabei erwischt, wie er mich anstarrte oder wollte er nur kontrollieren, ob ich auch meinen Job richtig machte. Ich tippte auf letzteres. Wie lange hatte er wohl dort am Türrahmen gelehnt und mich beobachtet? Oder hatte ich mittlerweile doch einen Pickel auf der Stirn. Eilig lief ich zur Toilette und blieb vor dem Spiegel stehen. Ich hatte glücklicherweise immer noch nichts leuchtendes im Gesicht, abgesehen von meinen grünen Augen. Und von meiner Heulattacke heute morgen war auch nichts mehr zu sehen. Ich wusste eh nicht, was mit mir los war. Normalerweise brach ich nicht einfach in Tränen aus. Seit dem Tod meiner Eltern war ich hart im Nehmen und schlug mich allein über die Runden. Ich vermisste sie, aber ich musste stark sein. Für mich und für meine kleine Schwester, die bei unserer Großmutter lebte. Sie wurde in 2 Wochen 18. Als unsere Eltern starben, war sie gerade einmal 5 Jahre alt und ich 8. Es war schwer für uns aber sie hatte es definitiv besser überwunden, als ich. Ein weiterer kurzer Blick in den Spiegel zeigte, dass sich meine Haare wieder einmal ungewollt kringelten, doch das war mir gerade so ziemlich egal. Mit Püppchen konnte ich eh nicht mithalten. Ich öffnete die Tür und betrat wieder den Flur. Jason und ein älterer Mann kamen mir entgegen. Sie blieben stehen. "Na, wer ist denn das?" Fragte der Ältere und ließ seinen Blick mehrmals von Kopf bis Fuß über meinen Körper wandern. Mit stellten sich die Härchen auf, leider eher im negative Sinne. Er war die Art von Mann, die eine Frau im Kopf schon auszogen und einen wie ein Stück Frischfleisch anschauen. Er war mir zuwider. Jason spürte anscheinend mein Unbehagen. "Charles, das ist unsere neue Mitarbeiterin Lynn Hoover." "Sehr erfreut Lynn. Ich bin Charles Clark." Charles leckte sich über seine schwülstigen Lippen und lächelte schief. Igitt. Am liebsten würde ich mich unter dem Teppich verstecken. Dennoch reichte ich ihm meine Hand und sagte: "Nett, Sie kennenzulernen." Da war er also der Senior-Chef und Jasons Onkel. Bekannt dafür, dass er "offen für alles war" und seine Jobs gerne für anderweitige Dienstleistungen vergab. Jason sah mich an und versuchte mir mit den Augen zu signalisieren, dass ich keine Angst haben müsse. Beruhigen tat es mich allerdings nicht. Charles Handy klingelte und er nahm ab. Endlich entfernte er sich und hörte auf mich zu scannen. Erleichtert stieß ich einen Seufzer aus. Jason trat neben mich. "Hab keine Angst, ich pass auf dich auf. Bald findet er jemand anderes, dem er hinterherhechelt." Flüsterte er. Dann ging auch er in die selbe Richtung wie Charles Clark.
Zurück an meinem Arbeitsplatz machte ich dort weiter, wo ich aufgehört hatte und war um 19 Uhr endlich fertig. Ich stieg in den Bus und fiel zu Hause platt wie ein Stein in mein Bett und schlief sofort ein. Ich hatte nicht gedacht, dass Akten vernichten so anstrengend sein konnte. Hoffentlich würde ich meinen beiden Bossen aus dem Weg gehen können und hätte meine Ruhe. Der eine verwirrte mich mit seiner wechselnden Laune und der andere war einfach nur ein ekelhafter Mann.

Love the Boss or not Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt