Kapitel 2

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„Wenn ich könnte, wäre dieses Schwein schon längst tot!“, maulte Scar neben mir. Ich und alle anderen auch lagen oder knieten erschöpft und völlig außer Atem auf den staubigen Boden und versuchten so viel Sauerstoff wie möglich in uns aufzunehmen. Neben mir hörte ich Hunter würgen. Der arme Kerl hatte drei extra Runden einstecken müssen, für die dummen Sprüche, die er an den Tag gelegt hatte. Nun war er völlig am Ende.

„Nur leider kannst du nicht.“, antwortete ich keuchend und lehnte mich gegen die harte Betonwand unseres Wohnheimes. Wobei man es eher als eine alte Kaserne bezeichnen konnte. Eine eigene Küche gab es nicht, wir bekamen unser Essen und Trinken gebracht und wir mussten uns mit zwanzig Leuten zwei Toiletten teilen. Von den Schlafräumen wollte ich gar nicht erst anfangen.

Ich betastete meine blutigen Füße und zog schmerzerfüllt die Luft ein.

„Du hast es dir ja auch nicht verkneifen können.“, schallte mich Rain, ein weiteres Mädchen und funkelte mich lächelnd mit ihren blauen Augen an. Gerne hätte ich ihr was an den Kopf geworfen, doch sie hatte ja recht. Ich hatte genauso wenig wie Hunter meinen Mund halten können. Und statt Extrarunden, hatte ich meine Schuhe eingebüßt.

„Komm, sei leise, Rain. Ohne uns wäre die heutige Tour nur halb so lustig gewesen.“ Hunter kam zu mir herüber geschlurft und brach neben mit erschöpft zusammen. „Klasse Auftritt, Rattle.“

Ich nickte nur zur Antwort und betastete weiter meine Zehen. Dann seufzte ich und bettete mein Kinn auf meinem Knie. Ich war so unbeschreiblich müde und konnte kaum noch die Augen aufhalten. Und dabei war der Tag erst halb rum. Wir hatten Mittagspause, um etwas zu essen und zu trinken. Dann würde es mit den psychologischen Gesprächen weiter gehen. Und danach noch eine Trainingseinheit.

„Ich glaube, ich hänge mich am nächsten Baum auf.“, klagte ich weiter und schloss die Augen für einen Moment. Die Worte waren natürlich nicht ernst gemeint, doch einen bissigen Kommentar von Scar konnte ich mir nicht ersparen.

„Rede keine Scheiße!“, rief sie und funkelte mich böse an. „Über sowas macht man keine Witze.“

„Komm, gibs zu. Es ist schon ein bisschen lustig. Wir haben ein Camp direkt neben dem Jungel und noch nie ist jemand auf die Idee gekommen, sich an einen der unzähligen Bäume zu erhängen.

Stattdessen haben sie plötzlich irgendwoher ein Messer oder ne Knarre.“

Ich hörte Chokolates tiefes Lachen neben mir und auch Hunter musste grinsen.

„Das ist nicht witzig.“, sagte Scar.

„Oh doch!“

„Nein.“

„Ich kann doch sehen, dass du gleich lachen musst.“ Ich zwinkerte ihr verschwörerisch zu, als ein Grinsen sich auf ihrem Gesicht ausbreitete.

„Rattle!“ Ich zuckte zusammen, als Cheef meinen Namen rief. Oder eher schrie. Ich glaube, der Mann konnte gar nicht in normaler Lautstärke reden. Seufzend setzte ich mich auf und keuchte kurz auf, als es scharf unter meinen Füßen zu pochen anfing.

„Viel Glück. Und lass dich nicht unterkriegen, Süße.“, versuchte mich Scar aufzubauen. Sie wusste von meinen Ängsten vor der Therapeutin. Ich hatte mich geirrt. Nicht das Nichtstun war das Schlimmste hier. Es waren eindeutig die Therapiestunden.

Ich lächelte ihr kurz zu, um mich stumm bei ihr zu bedanken und schlurfte dann langsam und um jeden Schritt bedacht nach drinnen. An den Schlafsälen vorbei, bis zur hintersten Tür. Als ich eintrat, erwartete mich bereits Professor Millicant, auch Prof genannt, mit ihrem scharfen Blick.

„Setz dich.“, sagte sie ruhig und deutete auf den Sessel ihr gegenüber. Dieser Raum, war der einzige im Camp, den man annähernd als schön bezeichnen konnte. Die Wände waren zwar genauso farblos, wie die anderen auch, doch an ihnen hangen Bilder und Fotos. Hier gab es Farbe, das war der Unterschied.

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