Ich weiß nicht was in dem Moment passierte, in dem ich meinen Gegnern das erste Mal gegenüber stand. Den Mördern eines Kammeraden von mir. Eines Mannes, der sein Leben für millionen Andere gelebt hatte und nun einen so ungnädigen Todes sterben musste.
Doch in diesem Moment waren mir diese Informationen egal. Ich sah ein anderes Gesicht in ihm und dieses Gesicht ließ etwas in mir erbeben und herausbrechen, dass ich zuvor noch nicht gekannt hatte.
War ich bis eben noch hysterisch und am ganzen Leibe am zittern, so war ich nun umso ruhiger und gelassener. Ich spürte den seichten Wind in meinem Gesicht nicht mehr und auch meine Tränen waren bis auf Weiteres versiegt. Ich dachte nicht mehr. Ich fühlte nicht mehr. Ich konnte nur noch registrieren, dass dort die Mörder einer Person waren, die mir etwas bedeutet hatte. Auch wenn sie zu fünft waren und mindestens zwei von Ihnen ein Messer hatten, so empfand ich in diesem Moment keine Angst.
Hass, war das Wort, das heiß und vibrierend durch meine Adern floss und mich zu den schlimmsten Gedanken trieb. Schlimmer als das, was sie meinem Kammeraden angetan hatten.
„Ein junges Mädchen wie du sollte sich nicht alleine so tief in den Wald wagen.“, kam eine raue Stimme mit russischem Akzent zu mir herüber geschwappt. Ich ignorierte seine Worte und ballte stattdessen die Hände zu Fäusten. „Hast du dich verlaufen?“
Ich drehte mich langsam einmal im Kreis und bedachte jeden der Männer mit einem forschen Blick. Wichtigste Informationen hatte ich binnen Sekunden über jeden gesammelt und vermerkt. Der Mann mit der Zahnlücke war unbewaffnet wie es aussah, war jedoch körperlich durchtrainiert und auch die Art wie er ging ließ mich daraus schließen, dass er sehr gut wusste, wie man sich verteidigte. Der junge, dunkelhaarige Typ hatte bereits sein Messer gezückt und auf seinem Gesicht lag etwas gieriges, als könne er es kaum erwarten drauf los zu stechen. Er würde nicht taktisch denken, sondern einfach drauf los stürmen. Um ihn brauchte ich mir also keine so großen Sorgen zu machen.
Links von ihm stand der Mann, der mich angesprochen hatte. Er war hochgewachsen, eher schlaksig aber auch nicht dumm, was wohl das Entscheidende an ihm war. Er schien der Führer der Mannschaft zu sein. Sein Messer steckte noch in der Gürtelschnalle.
Die letzten Beiden waren Zwillinge. Eineiig, denn sie glichen sich bis ins kleinste Detail. So würden sie wahrscheinlich auch angreifen. Im Teamwork. Bei der genauen Musterung des einen konnte ich Blut an der Messerklinge erkennen, die er in seiner linken Hand hielt. Also war er der Mörder.
Also musste er am Meisten leiden…
So stand ich auf der Lichtung. Hinter mir die tote Hülle eines Freundes, dessen Leben aus purem Hass geraubt worden war. Doch sogar dieses wichtige Detail schien allmählig aus meinen Gedanken zu verschwinden. Ich nahm alles um mich herum in Sekundenschnelle war. Das Fallen eines Blattes auf den tauenden Boden. Das Knirschen der Steine, wenn ich mein Gewicht verlagerte und ich Angriffshaltung ging. Sogar die rauen Atemzüge der Männer schallten beinahe dröhnend zu mir herüber. Und es fachte mich auf grauenvolle Weise an, erregte jede Zelle meines Körpers und brachte sie zum Schwingen.
Ich ließ ihnen keine Zeit mehr noch etwas zu sagen oder nutzte gar die Gelegenheit Fragen zu stellen. Dazu war mein Verstand zu benebelt von der Lust auf Gewalt. Ich stürmte vor. Einfach auf die erste Person die ich sah und bevor diese überhaupt reagieren konnte, hatte ich ihr meinen Ellbogen in den Bauch gerammt und ihm mit meiner flachen Hand die Nase mit einem geübten Schlag gebrochen. Ich sah Blut über sein Gesicht laufen und spürte, wie mein Herz noch schneller Schlug vor Aufregung. Seine weit ausgeholter Schlag in meine Seite nahm ich kaum wahr, sondern zog ihm stattdessen die Beine unter dem Körper weg.
Sein Blick war orientierungslos, als er hart mit dem Kopf auf dem Boden aufschlug und jegliche Luft aus seinen Lungen entwich. Er schien nicht verstehen zu können, was soeben mit ihm geschah. Ich hielt nur eine Sekunde inne um ihn betrachten zu können. Erst dann trat ich ihm mit voller Wucht gegen den Kopf, an diesem bestimmten Winkel. Knochen brachen und das Geräusch trieb mir eine Gänsehaut über den Rücken. Schlaff blieb er liegen. Wie eine Puppe. Es war der jüngste, dunkelhaarige gewesen.
Etwas in mir wünschte sich genau in diesem Moment bereuen zu können, was ich soeben getan hatte. Doch nichts in mir war dazu fähig und auch die leise Stimme wurde binnen Sekunden zum Schweigen gebracht.
Du Wutschreie der anderen drei Männer gingen an mir vorbei und als ich ihre verzerrten Gesichter sah, musste ich lächeln. Ja, ihre Wut bereitete mir Freude.
Der Mann mit der Zahnlücke und der Anführer gingen mit einem Mal auf mich los. Ich geriet jedoch nicht in Panik sondern war voller Erwartungen und beugte mich kurz zum Leichnam herunter, um ihn das Messer aus der starren Hand zu nehmen. Schläge, Sticke und Tritte verteilte ich mühelos, auch wenn ich selbst einiges einstecken musste. Meine Verletzungen waren mir momentan noch egal. Solange sie mich nicht am Kämpfen hinderten standen sie hinten an.
Ich wich einem weiten Hieb des Anführers aus indem ich mich duckte und landete so einen gezielten Stich in die Bauchgegend. Sekundenschnelle zog ich das Messer wieder aus der Wunde und wehrte damit die Waffe des Anderen ab. Es klirrte und etwas schnitt mir tief in die Hand, doch dann war mein Gegner es, dessen Waffe zu Boden fiel. Sein Todesurteil, das wussten wir beide. Erneut schlich sich ein Lächeln auf meine Lippen, als ich mich aufrichtete und erst den Anführer einen Tritt ins Gesicht versetzte und dann in einer fließenden Bewegung mich umdrehte und seinem Kollegen den Hals aufschlitzte. Er brach sofort in sich zusammen und war tot.
Rasselnd ging die Luft durch meine Lungen und erneut formte sich ein Lächeln auf meinen Lippen. Das Gefühl der Unbesiegbarkeit war besser als jede Droge und ich war bereits ihrem Rausch ergeben.
Nur noch die beiden Zwillinge waren übrig. Die Sahne auf dem Eis. Nur noch die Leben der Beiden fehlten mir zu meiner völligen Befriedigung. Ich wollte mich auf sie stürzen und endlich die Rache nehmen, die ich so sehr brauchte. Doch obwohl mein Verstand darauf brannte, bewegten sich meine Beine kein Stück. Ich konnte nicht einmal mit dem großen Zeh wackeln.
Als ich versuchte, meinen Arm zu heben, versagte auch das. Mein Kopf bewegte sich kein Stück. Nicht mal meine Augen waren fähig von rechts nach links zu blicken.
Mein Ende…, dachte ich noch und machte mich mit ernster Miene daran in Gedanken Gott um Verzeihung zu bitten. Ich sah die beiden Männer auf mich zulaufen, jeden Schritt etwas schneller als der davor. Sah die Wut in ihren Gesichtern, die meine nicht einmal annähernd wiederspiegelte.
Ich fühlte mich wie ein wildes Tier. Eingepfercht in einen viel zu kleinen Käfig. Erregt von spitzen Stöcken, die man mir aus Spaß in die Seite rammte, um mich zu provozieren. In meinem Kopf brüllte und schrie ich, während ein anderer Teil von mir Genugtuung verspürte. Wenigstens hatte ich noch andere mit in den Tod reißen können.
Sie waren so nah. Ich roch ihren widerlichen Schweißgeruch. Sah den Speichel in ihren Mundwinkeln. Nun war es endgültig vorbei…
Es wurde schwarz um mich herum.

DU LIEST GERADE
Bootcamp (Arbeitstitel)
AdventureLanie führte ein ganz anderes Leben als so viel Mädchen in ihrem Alter. Schon seid ihrer Geburt nimmt sie die Welt anders war und gerät schnell auf die schiefe Bahn. Doch all die Fehler, die sie eben gemacht oder nicht gemacht hat führen sie in das...