kapitel 12

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Da war sie wieder. Diese berauschende Stille in meinem Kopf, die sich in meinem ganzen Körper ausbreitete. Eine selige Ruhe nahm von mir Besitz und löste meine verkrampften Muskeln, glättete die Zornesfalten auf meiner Stirn. Endlich konnte ich wieder frei atmen ohne das Gefühl zu haben zu ersticken.

Ich wusste zwar, was gerade passiert war, doch ich schloss diesen Gedanken ab und wollte mich nicht weiter damit beschäftigen. Denn dies war ein zu heikles Thema, was mich immer wieder aus der Fassung brachte. Ich hielt einfach die Augenlieder geschlossen und erlaubte mir, mich zu erinnern. Einzutauchen in meine Vergangenheit, mit der ich noch nicht wirklich abgeschlossen hatte.

„Ich hätte so gerne solche langen Wimpern wie du.“, sagte Susanna und schaute grübelnd vom Ledersofa mir gegenüber in mein Gesicht.

Wir waren in einen Club gegangen, von dem Michelle schon seit Wochen geschwärmt hatte und hatten uns an einen Tisch nahe am Eingang gesetzt, damit uns auch ja jeder Typ sah, der den Laden betrat. Natürlich war uns dreien bewusst, dass wir eigentlich noch viel zu jung für diesen Club waren, doch durch Michelles Schwester, die regelmäßig hier kellnerte hatten wir ein Schlupfloch gefunden.

Es hatte nicht lange gedauert bis sich die ersten Jungs zu uns gesellt hatten.

„Ach Susy, du bist wohl die aller Letzte, die sich über ihr Aussehen beschweren darf!“ Ich grinste meine Freundin an, mir völlig bewusst, dass Kai, ein schnuckeliges Kerlchen mit zerzausten Haaren, jede Bewegung von mir verfolgte. Dieses Wissen verlieh mir ein gewisses berauschendes Gefühl.

„Einigen wir uns doch einfach darauf, dass ihr alle drei einfach bombig ausseht, Mädels.“ Bei Kais Kompliment musste ich lachen und nahm mir noch einen kleinen Schluck der Diätcola. Er zwinkerte mir zu, als er versuchte in seinem angetrunkenen Zustand ganz unauffällig näher an mich heran zu rücken.

Wir unterhielten uns noch eine Weile und nach einer Stunde lag ich bei Kai in den Armen und stand auf der Tanzfläche. Mich sanft wiegend in der romantischen Musik. Susy und Michelle hatte ich schon seit ein paar Minuten nicht mehr gesehen. Doch das war mir herzlich egal. Schließlich wurde ich gerade von einem so süßen Typen umgarnt. Vielleicht lag meine Unachtsamkeit aber auch an dem vielen Alkohol. Ich wusste es nicht mehr genau. Dazu war mein Verstand zu vernebelt.

Als ich aufblickte, um in die braunen Augen meines Begleiters zu sehen, schrak ich verwirrt zurück.

Mitternachtblau schimmerte es mir gefährlich entgegen. Eine Farbe, die nicht in diese Erinnerung passte und die mir den Atem bei ihrer Außergewöhnlichkeit nahm.

„Ist sie wieder wach?“, hörte ich eine bekannte Stimme fragen, als langsam Licht ins Dunkle kam und mich wieder zu einem denkenden und lebenden Wesen machte. Doch ich konnte die Stimme noch nicht so ganz zuordnen.

„So langsam kommt sie wieder zu bewusstsein. Machen Sie sich keine Sorgen, sie hat sich langsam wieder erholt und muss nur noch ein wenig zu Kräften kommen.“

Ich kniff angewidert von dem unnatürlichen Schein die Augen zusammen, wollte nicht, dass er mir die Augen verbrannte. Es dauerte noch ein paar Minuten, bis ich mich dem Erwachen ergab und seufzend die Lieder aufschlug um an eine weiße Decke zu starren. Wo war ich hier nur gelandet?

Vorsichtig drehte ich meinen dröhnenden Schädel zur Seite, aus der die Stimmen gekommen waren und hätte fast geschrien, wenn meine Kehle nicht so ausgetrocknet wäre.

Dunkle Haare, große Statur und diese unverwechselbaren Augen starrten mich mit purer Unergründlichkeit an. So als beobachtete er ein Tier von dem er nicht wusste, ob es nun gefährlich war oder nicht.

Adam hatte sich nicht viel verändert, seitdem ich ihn das letzte Mal gesehen hatte. Seine Haut war etwas heller geworden und auf seiner Nase war ein merkwürdiger Hukel, so als hätte ihm jemand dagegen geschlagen. Dieser kleine Makel machte ihn in diesem Moment für mich erst wirklich real.

Ich räusperte mich. „Hi.“

Seine Augenbraue zuckte kurz nach oben. „Hallo Lanie.“

„Was machst du denn hier?“ Oder wohl eher, was machte ich hier?!

„Nachsehen ob du wieder auf den Beinen bist.“

„Ach so und wie komme ich zu dieser Ehre? Schließlich verletzen sich die anderen Kameraden regelmäßig und du rufst nicht mal an oder lässt eine Gutebesserungskarte schicken.“ Ich lächelte matt.

Doch als ich den ernsten Blick meines Chefs sah, begann auch ich endlich nachzudenken. Schlagartig waren die Bilder wieder in meinem Kopf. Rasend rauschte es an mir vorbei und ich kniff die Augen feste davor zusammen. Wolle sie so vertreiben.

„Okay, du brauchst nicht zu antworten. Du willst natürlich ein paar Antworten.“

Er nickte bestätigend, als ich ihn wieder ansah. Ich seufzte erneut.

„Ich kann da nicht viel zu erzählen. Ich weiß selber nicht, was mit mir los war. Aber sind wir mal ehrlich, ich habe damit etwas Gutes getan für unsere Mannschaft, also hast du kein Recht mich zu bestrafen.“

Wieder zogen sich Adams Augenbrauen kritisch zusammen, als er schließlich aufstand und vor meinem Krankenhausbett auf und ab ging. Er schien nach den richtigen Worten zu suchen. „Du hast ohne die Erlaubnis eines Oberen gehandelt, dich unerlaubt der Mannschaft entfernt, wichtiges Beweismaterial beschädigt. Und außerdem hast du mehrere Leben ohne wirklich darüber nachzudenken ausgelöscht.

Aber lass uns später über deine Strafe sprechen.“

Ich zuckte zusammen bei der Schärfe seines Tons. Am liebsten hätte ich mich unter der Decke versteckt und wäre erst wieder darunter hervorgekrochen, wenn ich wieder alleine war. Doch ich war erwachsen und musste mit Konflikten wie diesen klar kommen. Obwohl dieser wohl nicht so alltäglich war.

„Das Ereignis hat vieles in deiner Laufbahn verändert.“, fing Adam wieder an, nur diesmal mit normaler Stimme. „Ich werde mich gesondert mit deinem Fall befassen müssen.“

Ob das gut oder schlecht war, konnte ich noch nicht beantworten.

„Ich werde morgen noch einmal wiederkommen und sehen wie es dir geht. Gute Besserung, Lanie.“

„Danke.“

Er drehte sich um und ging. Doch bevor er den Raum ganz verlassen hatte, blieb er im Türrahmen noch einmal stehen und sagte zu mir: „Mache dir keinen Kopf. Alles findet seine Erklärung. Auch das.“

Dann war ich allein. Ausgesetzt meiner verwirrten Gedanken und wieder völlig aus der Bahn geworfen.

"Es ist alles wie damals...", flüsterte ich und presste die Lippen aufeinander, damit sie nicht anfingen zu zittern, wie der Rest meines Körpers.

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