Kein Fahrradfahrer

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12 Tage vorher 

"Ich mach sie kaputt! Irgendwann wenn du nicht da bist, dann mache ich sie kaputt!" brummt mein Freund. Erholt von seiner lebensbedrohlichen Krankheit.
"Komm wieder runter, es ist nur eine Videokamera" grinse ich und filme weiter. Ramiro ist gerade dabei sein Auto zu waschen. Tja und ich sitze im Campingstuhl in der Einfahrt und beobachte ihn dabei.
"Du kannst dich ruhig mal nützlich machen. Ein Lappen ist noch im Eimer" ruft er mir zu.
"Und der andere putzt das Auto" witzel ich.
"Hast du mich gerade beleidigt?" fragt Ramiro und kommt ums Auto gelaufen, damit wir Blickkontakt haben.
"Ich glaube du hast dich verhört" sage ich unschuldig.
"Mein Gehör ist noch gut in Schuss" erwidert er ernst.
"Scheinbar ja nicht" grinse ich wieder.
"Du möchtest es also drauf anlegen?" fragt er herausfordernd. Ich weiß was er vor hat, also bringe ich die Videokamera schnell in Sicherheit. Gleichzeitig beginne ich wegzurennen, doch Ramiro hat mich binnen weniger Sekunden eingefangen indem er die Arme von hinten um mich legt.
"So Señorita Sánchez, spüren Sie schon die Vorfreude?" fragt er dich an mein Ohr und schiebt mich langsam Richtung Wagen.
"Bitte nicht, bitte bitte bitte" flehe ich ihn an.
"Oh doch, du bist selbst dran Schuld" lacht er und lässt mich ein paar Meter neben dem Auto los.
"Versuch erst gar nicht wegzurennen, sonst wird es noch schlimmeres geben"
Ich bleibe einfach stehen und schaue Ramiro hinterher. Er holt den Wassereimer, wo er den Lappen immer reingelegt hat um ihn etwas sauber zu machen.
"Schließ deine Augen Schnuffelhäschen, sonst bekommst du das ins Auge" sagt Ramiro und ich folge seiner Anweisung. Schnuffelhäschen nennt er mich seitdem er krank war, er kann einfach nicht aufhören damit. Langsam finde ich es sogar putzig, obwohl es total furchtbar klingt. Ich spüre wie er sich hinter mich stellt und dann schüttet er mir dieses ekelhafte Wasser über den Kopf. Sofort schreie ich los, da es total kalt ist und einfach nur dreckig und ekelhaft.
"Was ist denn lo- Gott Ramiro, bist du wahnsinnig?!" mischt sich nun seine Mutter ein, die zur Tür hinausgekommen ist.
"Ich habe mich nur gerächt" grinst Ramiro.
"Rächen? Was hat sie denn gemacht das du sowas machst? Yamila geh dich duschen und ich erzähl meinem Sohn mal ein paar Takte"
Ich liebe Ramiros Mutter. Antonia ist so eine tolle Mutter und sie hat den perfekten Sohn großgezogen. Natürlich gemeinsam mit Lucas, aber Ramiros Vater ist öfters auf Montage, sodass hauptsächlich Antonia für die Erziehung meines Freundes zuständig war. Ich gehe schnell duschen und ziehe mir frische Klamotten an. Gott sei Dank ist mein halber Kleiderschrank schon bei Ramiro. Ich vergesse meistens meine Klamotten und Antonia wäscht sie dann und legt sie bei Ramiro in den Schrank. Jedes Mal regt Ramiro sich dann darüber auf, aber ich weiß genau das es ihn freut, da ich spontan einfach hier schlafen kann. Genau wie Ramiro, denn seine Klamotten sind auch bei mir Zuhause. Theoretisch leben wir schon zusammen, mal bei ihm und mal bei mir. Frisch geduscht und angezogen verlasse ich das Zimmer und gehe wieder nach draußen. Ramiro ist noch am Auto waschen, seine Mutter kann ich nicht mehr sehen.
"Das ging aber schnell" sagt Ramiro, als er mich sieht und kommt zu mir gelaufen.
"Ja, ich kann mich auch beeilen" erwidere ich. Ramiro nimmt meine Hände und legt sie um sich, wobei er meine Hände mit seinen festhält.
"Hat deine Mamá dich wirklich angesaut?" frage ich schmunzelnd.
"Ja, sie meinte sie wird dich bei jeder Aktion gegen mich vollkommen unterstützen" 
"Sehr gut eine Verbündete auf meiner Seite zu haben"
"Planst du etwa einen Gegenschlag?"
"Ich überlegs mir noch" 
"Na schön. Ich mach das Auto noch fertig und dann kannst du ja mal was vorschlagen was wir machen können" sagt er und küsst mich.
"Ich dachte du musst noch Mathe lernen?"
"Ach, bei Mathe muss ich nur wissen wie man den Taschenrechner bedient, mehr nicht" lacht er.
"Jaja, aber dann bin wieder ich schuld wenn du eine schlechte Note bekommst"
"Sei ruhig und küss mich lieber" erwidert er und legt seine Lippen wieder auf meine.
"Also, du überlegst dir was und dann machen wir das okay?"
"Seit wann so süß?"
"Schon immer, aber sags niemanden, das ist unser kleines Geheimnis" witzelt er.
"Irgendwann wirst du auch vor den anderen so sein"
"Träum weiter Schnuffelhäschen" zwinkert er mir zu, küsst mich erneut und lässt mich dann los. Während ich mir was überlege, wäscht er das Auto weiter und ich filme ihn dabei.
"Wir könnten ja Fahrrad fahren?" schlage ich vor.
"Fahrrad fahren? Nicht skaten?"
"Nein, das machen wir immer, wir können ja mal was anderes machen. Wir sind noch nie gemeinsam Fahrrad gefahren"
"Ich hab aber keins"
"Nicht? Das ist nicht schlimm, du kannst bestimmt das von meinem Papá nehmen"
"Sicher das du Fahrrad fahren willst?"
"Hast du keine Lust darauf? Ich dachte ich darf mir was aussuchen"
"N-ne-nein, wir können das schon machen, ich bin gleich fertig"

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"Hier, einen Helm zu deiner Sicherheit" sage ich und drücke meinem Freund den Helm meines Vaters in die Hand. Er sieht ihn ungläubig an, setzt ihn sich dann aber auf.
"Die Fahrräder stehen in der Garage" sage ich dann und wir gehen in die Garage. Mittlerweile habe auch ich meinen Helm auf.
"Ich geh nur nochmal schnell auf Toilette" sagt Ramiro und schon ist er weg. Ich mache in der Zeit das Garagentor hoch und stelle die beiden Fahrräder raus. Ramiro braucht gefühlte Ewigkeiten auf der Toilette. Irgendwann kommt er dann doch zurück.
"Komm raus, ich hab die Fahrräder doch schon hier"
Mein Freund hat ganz komisch geguckt und läuft dann zu mir.
"Ich kenne sogar einen richtig schönen Radweg, den können wir nehmen" sage ich und setze mich auf. Ramiro steht derweil noch unbeholfen neben dem Fahrrad.
"Schatz? Können wir los?" frage ich und stupse ihn leicht an.
"Ich kann nicht" sagt er und setzt den Helm ab.
"Was kannst du nicht?"
"Ich kann kein Fahrrad fahren" nuschelt er, jedoch genug verständlich für mich.
"Wie du kannst kein Fahrrad fahren?"
"Ich hab es nie gelernt, ich bin seit ich klein bin nur auf Skates unterwegs gewesen"
Ich steige ab und stelle mich vor Ramiro.
"Warum hast du das nicht gleich gesagt?" frage ich.
"Es war mir peinlich"
"Dann hätten wir uns die Zeit aber gespart hier her zu fahren und alles"
"Entschuldige"
"Du brauchst dich dafür nicht entschuldigen, aber tatsächlich gibt es jetzt etwas was du nicht kannst" necke ich ihn.
"Sags keinem okay?"
"Brauch ich gar nicht, denn ich bring dir das jetzt bei, wie im Kindergartenalter" lächle ich, gebe ihm einen sanften Kuss und danach haben wir die erste Fahrstunde auf einem Fahrrad für Ramiro.

Vergiss Mich NichtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt